Die Stimmung bei der Asienpremiere des Smart Fortwo in einem angesagten Fashion-Bezirk von Shanghai ist ausgelassen. Fröhliche Menschen, natürlich alle trendig, urban und mit jeder Menge Lifestyle unterwegs, tanzen ausgelassen um die kunterbunten Smarts herum, die am Vorabend der Auto China 2015 publikumswirksam ihre Asienpremiere feiern. Daimler hat in der 20-Millionen-Metropole groß aufgefahren und so ist nicht nur Smart-Chefin Dr. Annette Winkler vor Ort, sondern auch Daimler-Chef Dieter Zetsche, Design-Oberhaupt Gorden Wagener, Technologievorstand Thomas Weber und China-Chef Hubert Troska. Bei aller Ausgelassenheit an Spielstationen, dem Bemalen von T-Shirts oder dem Einnehmen bunter Spaßgetränke sind sich alle der Ernsthaftigkeit der Lage bewusst. Der Neustart von Smart mit der Einführung der dritten Fahrzeuggeneration ist vielleicht die letzte echte Chance für die Kleinstwagenmarke, die sich seit 1998 viel weniger als erwartet ins Herz der Kunden fahren kann.

Car2Go

“Wir waren unserer Zeit voraus”, hört man Daimler-Chef Dieter Zetsche bei der Asienpremiere nicht das erste Mal sagen und wahrscheinlich hat er dabei sogar Recht. Ehemals war man im Hause Daimler davon ausgegangen, dass der Citywinzling, der auf eine Idee von Johann Thomforde unter Mitwirkung des damaligen Swatch-Initator Nicolas Hayek aus den 80er Jahren zurückging, sich mindestens 350.000, wenn nicht bis zu 500.000 Mal pro Jahr verkaufen ließe. Doch die Marke mit dem allzu treffenden Namen floppte wie vieles, was Daimler in der zweiten Hälfte der 90er Jahre auf den Weg brachte. So dümpelte Smart, durchweg einfallsreich, ansehnlich, praktisch und alles andere als abhoben präsentiert, bei kaum mehr als 100.000 Fahrzeugen pro Jahr vor sich hin. Allzu schnell wurden Derivate wie Smart Coupé, Roadster eingestellt und die Zwangsehe mit Mitsubishi beim schwachen Forfour geschieden. Der geplante Kleinst-SUV des Smart ForAll schaffte es bis heute nicht aus der verstaubten Entwicklungsschublade hinaus.

Die dritte Smart-Generation, erstmals zusammen mit Renault entwickelt, ist besser und zeitgemäßer denn je, auch wenn trotz des Carsharing-Modells Car2Go die große Mobilitätsidee fehlt, die einst hinter dem Fahrzeug stand. Das Styling stimmt, Antriebe wie Sicherheitskonzept ebenso und Smart-Chefin Dr. Annette Winkler wird an diesem Abend im Fashion Distrikt von Shanghai vor mehr als 500 geladenen Gästen inkl. 100 lokaler Händler nicht müde zu wiederholen, dass es sich beim Smart Fortwo um ein Premiumprodukt aus dem Hause Daimler handelt. Das neue Doppelkupplungsgetriebe soll technische Irrungen vergangener Jahre vergessen machen und endlich fühlt sich der Smart Fortwo so an wie ein Auto, dass trotz kleinster Abmessungen 15.000 bis über 20.000 Euro kosten darf und wohl auch muss.

Größe zweitrangig

Gerade einmal 90.000 Smarts wurden 2014 noch verkauft, nochmals weniger als die Jahre zuvor als man durchweg über 100.000 Stück lag. China inklusiv Hong Kong belegte mit über 17.000 verkauften Modellen in 2014 bereits vor Italien auf Platz zwei und Deutschland als Smart-Land Nummer eins mit fast 22.000 Neuzulassungen dürfte seine Spitzenposition dieses oder spätestens nächstes Jahr gen Osten abgeben – den rund 150 Händlern sein Dank. Wie beliebt Smart in China ist, ließ sich nicht zuletzt durch das chinesische Fantreffen der Smart Times in Shanghai mit mehr als 50.000 Besuchern im vergangenen Dezember sehen. Dieter Zetsche hat auch deshalb Zuversicht in der Stimme, weil der Markt der Microcars in China “in den nächsten Jahren um 30 Prozent wachsen soll”.

Dabei sind es nicht unbedingt die kleinen Abmessungen und der winzige Wendekreis von 6,95 Meter, die den Smart in den überfüllten Metropolen so begehrenswert machen. Ähnlich wie der sich in China noch deutlich besser verkaufende Mini ist der Fortwo ein automobiles Zeichen anders zu sein. Bunt, schrill, flippig und cool – das drückt man am besten mit einem Smart oder eben dem deutlich erwachseneren Mini aus. Maximale Individualisierung zählt weniger mehr als die Tatsache, dass der Smart Fortwo sich in den überfüllten Innenstädten von Peking, Chengdu oder Shanghai in jede noch so enge Parklücke quetschen kann – ein netter Nebeneffekt ist es allemal; auch wenn sich der Smart Fortwo electric drive nicht nur in China die Reifen platt steht. Während die neue Fortwo-Generation in Europa gut gestartet ist, sieht es beim Forfour, dem ungleichen Twingo-Zwilling deutlich schlechter aus. Aufgrund der hohen Anpassungskosten wurde ihm für eine Einführung in den US-Markt jetzt der Riegel vorgeschoben. Nach China soll der Viertürer jedoch in diesem Herbst kommen – zusammen mit dem Fortwo Cabrio, das im Herbst seine Weltpremiere auf der IAA feiern wird.

Bleibt das Problem, mit einem Kleinstmodell wie dem Smart Geld zu verdienen. Die Gleichteile mit anderen Mercedes-Modellen sind nahezu null. Hätte es Renault-Nissan und die Entwicklungs- und Produktionskooperation zwischen Smart Fortwo / Forfour und dem Renault Twingo nicht gegeben; die Marke hätte inklusiv des hoch modernen Werks in Hambach wohl endgültig abgestellt werden müssen, da bereits in den Jahren zuvor keine Interessenten für eine Beteiligung zu finden waren. Jetzt kann man durch die höheren Stückzahlen allenthalben sparen, doch der harte Preiskampf macht es schwerer denn je, echtes Geld zu verdienen. Das gilt insbesondere für China, denn auch wenn die urbanen China-Kunden gerne bereit sind, für ein Premiumprodukt tiefer in die Geldbörse zu greifen, verdient man hier nur Geld, wenn man auch im Land produziert. Das ist bei diesen Stückzahlen nicht abzusehen.

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