Martin Winterkorn und Ferdinand Piech, Volkswagen

Haben sich wohl nichts mehr zu sagen: VW-Chef Winterkorn, Aufsichtsratsboss Piëch. (Bild: Volkswagen)

Wie eine Bombe schlugen die Aussagen von Ferdinand Piëch am vergangenen Freitag gegenüber Spiegel online ein, die in der Aussage gipfelten: “Ich bin auf Distanz zu Winterkorn”. Regelrecht schockiert über die öffentliche Demontage Winterkorns zeigte sich Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und stellte sich hinter den angezählten VW-Lenker. Eine Solidaritätsadresse kam vom einflussreichen Betriebsratsvorsitzenden Bernd Osterloh, der vor einem Machtkampf an der Führungsspitze warnte.

Die Familie Porsche, Großaktionär beim VW-Konzern, ließ zunächst via Bild am Sonntag wissen, dass sie keine Stellung beziehen werde. Dann gab es doch ein Statement und das kündet von Uneinigkeit in der Familie Piëch/Porsche. So ließ Clan-Chef Wolfgang Porsche aus dem Urlaub über einen Sprecher mitteilen, dass es sich bei Piëchs Aussage um eine private Äußerung des Aufsichtsratschefs gehandelt habe.

Wer bislang öffentlich schweigt, ist Martin Winterkorn. Mit Verweis auf VW-Kreise schreibt die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung aus dem Unternehmen, der angezählte Konzernchef sei kampfbereit und werde den Bettel nicht so schnell hinschmeißen.

Piëch-Aussage eine Exekution

Ob dem 67-jährigen Topmanager seine Kampfbereitschaft etwas nutzen wird, darf bezweifelt werden. Der von einer entrückt-allmächtigen Aura umwehte Piëch spricht nicht oft öffentlich mit Medien und noch seltener äußert er sich kritisch zu seinem Führungspersonal. Wenn er es doch macht und Aussagen trifft wie jetzt über Winterkorn, dann ist es keine Kritik, auf deren Basis die Zusammenarbeit neu justiert wird, es ist eine Exekution. Beispiele dazu gibt einige aus der Ära Piëch. Bernd Pischetsrieder und Franz-Josef Paefgen sind die prominentesten. Die bis dato glanzvoll verlaufe Karriere des damaligen Audi-Chefs Paefgen war erledigt, als Piëch den unscheinbaren Satz hervor nuschelte, dass er bei Audi Stillstand sehe.

Für den Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer, der die VW-Strategie seit Jahren kritisch begleitet, ist der Fall klar. Er taxiert die Chancen Winterkorns, sich im Machtkampf gegen den allgewaltigen Aufsichtsratschef und größten VW-Aktionär durchzusetzen auf Null. Seit Veröffentlichung der Artikels auf Spiegel online sei Winterkorn in der Rolle der “lame duck”, für den es besser wäre, möglichst schnell zurück zu treten.

Festgemacht wird das Zerwürfnis zwischen dem lange Zeit kongenial funktionierenden Duo an der VW-Spitze an den ungelösten Problemen der Kernmarke VW. Deren Hauptschwierigkeiten: die ganz schwache Rendite von etwas mehr als zwei Prozent, die nicht ausreichend ist, die Zukunft der Marke zu sichern, wie Winterkorn erst kürzlich selbst eingeräumt hat. Hinzu kommt die Problemzone USA. Seit bald zwei Jahren gurkt VW hinter dem Markt her.

Wo fast alle Marken Zuwäche verzeichnen, verlieren die Wolfsburger kontinuierlich. Lange Gesichter gab es, als VW im Januar in Detroit einen für den US-Markt bestimmten SUV vorstellten. Dieser soll die Wende bringen, aber erst 2018. Und im Grunde ist es ein Armutszeugnis, dass VW nach jahrzehntelanger Präsenz in Nordamerika jetzt einräumt, erkannt zu haben, was US-Käufer wollen.

So glänzend Winterkorn den Konzern an die Weltspitze gesteuert hat, diese beiden Punkte gehen auf seine Kappe als VW-Markenchef. Konsequenz: ihre Milliarden verdienen die Wolfsburger auf der Markenseite mit Porsche, Audi und Skoda sowie mit VW in China. Schal schmeckt vor dem Hintergrund selbst der sich abzeichnende Triumph, in diesem Jahr auf der Volumenseite Toyota als weltgrößter Autobauer zu überholen.

Große Unruhe herrscht bei den Wolfsburgern auch, weil die Plattformstrategie nicht wie vorgesehen aufgeht. Mittels dem Modularen Querbaukasten (MQB) als Herzstück, sollte die Effizienz so deutlich gestiegert werden, dass darüber die hohen Lohnkosten, die die sehr auf Deutschland fokussierte Kernmarke besonders belasten, kompensiert werden. In der Praxis erweist sich der MQB als kaum zu beherrschendes Komplexitätsmonster. Öffentlich sagt es bis auf Dudenhöffer kaum einer, im Grunde rechnet kaum noch ein namhafter Experte damit, dass sich die durch den MQB erwartete Effizienzsteigerung einstellen wird.

Wie geht es nun aber weiter?

Winterkorns Vertrag läuft Ende nächsten Jahres aus. Zuletzt hatte es Anzeichen gegeben, dass er nochmal verlängern könnte. Das dürfte sich erledigt haben, ebenso, dass Winterkorn Piëch im Kontrollgremium ablösen wird. Theoretisch könnte der Aufsichtsrat den Konzernchef abberufen. Dazu bräuchte es rechtlich eine Mehrheit von elf aus zwanzig Stimmen. Zwar könnte Piëch als Vorsitzender von seinem Doppelstimmrecht Gebrauch machen. Er müsste aber auch noch die weiteren Mitglieder der Familien Porsche und Piëch auf der Arbeitgeberbank und das Land Niedersachsen auf seine Seite ziehen. So einfach dürfte das nicht werden.

Und falls Winterkorn hinwirft, wer übernimmt dann? Für Personalspekulationen ist es noch deutlich zu früh. Gehandelt werden die üblichen Verdächtigen wie Audi-Chef Rupert Stadler. Dagegen spricht, dass Technik-Tüftler Piëch einen Techniker an der Spitze haben will. Im Juli tritt Herbert Diess seinen Posten als Chef der Kernmarke VW an – auch er ist ein potenzieller Nachfolgekandidat. Der eben erst als Nutzfahrzeugchef installierte Andreas Renschler eher nicht. Insider halten es für wahrscheinlich, dass sich Piëch nach einer externen Lösung umschauen wird.

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Frank Volk

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