Hubertus Troska China

Deutlich mehr als 300.000 Autos als Ziel: Daimler China-Chef Troska hat sich 2015 viel vorgenommen. (Bild: Daimler)

AUTOMOBIL PRODUKTION: Herr Troska, das Jahr 2014 ist für Daimler in China gut gelaufen. Wie geht es dieses Jahr weiter, und wo sehen Sie sich im Vergleich zu Ihren deutschen Wettbewerbern?
Ich bin weiter sehr positiv, was die Entwicklung von China angeht. Ein Wachstum des Bruttoinlandprodukts um etwa 7%, die aktuelle Planzahl der Regierung, ist immer noch beachtlich. Zum Automobilmarkt: CAAM, der Verband der chinesischen Hersteller, sieht für dieses Jahr rund 8 Prozent Wachstum. Ich halte die These für valide. Unsere Planung sieht vor, noch stärker als diese 8 Prozent zu wachsen. China ist 2013 zum größten Fahrzeugmarkt der Welt geworden, 2014 hat es diese Position gefestigt. China wird für immer der größte Markt der Welt bleiben. Und wir sind sehr zuversichtlich, dass wir weiter aufholen können.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Mercedes steigerte sich in China prozentual mit einem Wachstum von 29,1 am höchsten. Aber die Differenz zu den bayerischen Wettbewerbern ist nach wie vor hoch. 281.588 Einheiten gegen eine halbe Million von Anführer Audi. Wie verkürzt wird am Ende des Jahres der Abstand sein?
Korrekt, wir wachsen stärker als unsere Wettbewerber. Unsere Ansage für 2015: Wir werden signifikant mehr als 300 000 Mercedes-Pkw verkaufen. Wir haben letztes Jahr in China 270 000 Mercedes verkauft. Signifikant mehr als 300 000 ist demnach auf jeden Fall mehr als 10 Prozent. Das ist unsere Erwartung. Wir haben durchweg eine gute Produktpalette: die S-Klasse ist neu, das absolut stärkste Auto in seinem Segment und feiert hier wirklich einen phantastischen Markterfolg. Seit kurzem bieten wir zusätzlich noch den Maybach an, der die Positionierung der S-Klasse weiter festigt. Die neue C-Klasse Langversion ist eines der wichtigsten Autos, das wir haben. Momentan sind wir mit drei Varianten unterwegs und es kommen noch weitere Motorisierungs- und Ausstattungsvarianten in diesem Jahr. Die C-Klasse wird ein Wachstumstreiber sein. Ebenso der GLA, ein Auto das wir bisher nicht im Angebot hatten, und seit Anfang April lokal in unserem neuen Kompaktwagenwerk bei BBAC, in das wir 720 Million Euro investiert haben, bauen. Und es gibt noch eine Reihe weiterer Fahrzeuge, die uns helfen werden, in 2015 weiter zu wachsen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Ihre BBAC-Fabrik hat doch nur eine Kapazität von 300.000 Einheiten. Dann wird das ja heuer schon knapp …?
Die Gesamtkapazität von BBAC wird bis Ende des Jahres bei rund 250 000 Einheiten liegen, hinzu kommen noch weitere 250 000 Einheiten Kapazität für lokal gefertigte 4- und 6- Zylinder Motoren. Von den 270 000 verkauften Autos im letzten Jahr waren 55 Prozent lokal gebaut. Jetzt steigern wir den lokalen Anteil, da die C-Klasse ihr erstes Volljahr hat und nun auch der GLA lokal gebaut wird. Wir sind mit unseren Kapazitäten in China gut aufgestellt.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Müssten Sie sich nicht trotzdem schon längst mit dem Ausbau beschäftigen? Soweit ich weiß, sind weitere 300 000 Einheiten vorgesehen.
Kommen Sie vorbei, dann sehen Sie die Kräne und Bagger stehen. Die Perspektive für 2015 ist klar, dass wir weit über 300 000 Autos absetzen wollen. Davon werden Minimum 200 000 lokal gebaut.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wird sich also die nächsten zwei Jahre an dem Ranking zwischen Audi, BMW und Mercedes in China nichts ändern?
Wenn Sie die absoluten Verkaufszahlen betrachten, wahrscheinlich nicht. Wenn Sie schauen, wer im Premiumbereich am schnellsten zulegt, sieht es anders aus.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Der neue Modellmix hat Auswirkungen auf die Marge. Können Sie die durch erhöhtes Volumen kompensieren?
In Summe wird unser Geschäft größer. Das Volumen wird deutlich steigen, unser Anteil lokaler Produktion steigt und auch unsere Umfänge, die wir lokal beschaffen und herstellen. Die Notwendigkeit, lokal zu fertigen, verfolgt unter anderem auch die Zielsetzung, sich wettbewerbsfähig im Preis zu positionieren. In China gibt es mehr und mehr sehr leistungsfähige Lieferanten, die auch kostengünstig arbeiten. In der Summe aus wachsendem Gesamtvolumen und höherer Lokalisierung, werden wir in China weiterhin ein gutes Geschäft haben. China ist nicht nur vom Fahrzeugvolumen her ein bedeutender Markt für uns.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Das Thema Aftersales rückt in China immer mehr in den Fokus. Viele OEMs müssen zuerst Aftersales-Strukturen aufbauen. Wie verfahren Sie bei diesem Thema?
Grundsätzlich gilt in China dieselbe Philosophie wie weltweit. Wenn Sie sich unsere Vertriebsstrukturen anschauen, gehen wir vor wie in jedem anderen Markt, allerdings hier mit viel größerer Dynamik. Wir sprechen von vollwertigen Händlerbetrieben, die sowohl in Verkaufsräume als auch hervorragende Werkstattkapazitäten investieren. Für uns ist es absolut zentral, dass wir neben einem schönen attraktiven Produkt auch ein Aftersales-Versprechen erfüllen. Hierin unterscheidet sich China nicht von unseren anderen Märkten. Signifikante Unterschiede gibt es hingegen beim Wachstum unseres Netzes: 2014 haben wir mehr als 100 neue Händler ans Netz genommen. Das sind zwei neue Händler pro Woche. Das haben wir in der gesamten Geschichte von Mercedes-Benz noch in keinem anderen Markt gemacht. Dahinter stecken riesige Trainingskapazitäten. Natürlich müssen alle Verkäufer und Mechaniker nach Mercedes-Standards geschult werden. Auch unsere Lager wachsen in überproportionalem Maße, um die Ersatzteilversorgung sicher zu stellen. Und natürlich messen wir beispielsweise auch die Kundenzufriedenheit, die Erfüllungsraten, die Wartezeiten für einen Service-Termin,. All das trägt zur Absicherung unserer Servicequalität bei.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Ich muss Sie auf die Sendung diese Woche in CCTV ansprechen. Haben Sie inzwischen schon herausgefunden, was da passierte?
Der 15. März ist der Verbrauchertag in China. Verbraucherschutz, das kann man nur begrüßen, wird sehr groß geschrieben in China. Die Gesetze sind sehr kundenorientiert. In der gezeigten Sendung gab es Kunden, die sich an einzelnen Standorten beschwert haben, Händler würden im Falle eines Service Leistungen berechnen oder erbringen, die vielleicht nicht unbedingt notwendig sind. Das ist unakzeptabel, wenn es der Fall ist. Das gilt für jeden Markt und erst recht für China. Wir gehen dem Thema intensiv nach.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Andererseits kann man das auch so interpretieren, dass die Regierung auf die ausländischen Autohersteller den Druck erhöht, oder nicht?
Das erlebe ich ganz ehrlich nicht so. In gut 10 Jahren wurde China von einem kleinen Automobilmarkt zum größten der Welt. Dass hier natürlich in kürzester Zeit auch Regulierungsbedarf entsteht, ist völlig normal.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Es gibt inzwischen Kunden, die entscheiden sich für einen Gebrauchtwagen. Das Gebrauchtwagen-Management müssen Sie allerdings erst aufbauen, oder?
Wir haben ein System von zertifizierten Gebrauchtfahrzeugen in China und sind auch mit unseren Händlern intensiv dabei, zu schauen, wie wir das Geschäft ähnlich wie in den reiferen Märkten etablieren. Man muss allerdings dazu wissen, dass der Anteil der Werkshändler im chinesischen Markt an dem Geschäft im internationalen Vergleich eher niedrig ist. Es läuft mehr von privat zu privat und über Broker. Das hat auch etwas mit der steuerlichen Gesetzgebung zu tun. Wenn beispielsweise ein Händler ein Fahrzeug auf Rechnung in Zahlung nimmt, dann fallen Steuern an, die er nicht absetzen kann. Insofern ist der Gebrauchtfahrzeugmarkt für die autorisierten Händler von den Marken vergleichsweise gering. Ich bin aber langfristig gesehen dennoch sehr zuversichtlich. Zum einen werden die Internet-Plattformen massiv wachsen in diesem Markt. Zum anderen glaube ich, wird sich auch das regulatorische Umfeld der Dynamik dieses Marktes anpassen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: „Die Trends für die Autos von morgen einzufangen ist wichtiger denn je“, sagten Sie in einem Gespräch. Was bedeutet das für Ihr Modellangebot in China?
Sie sehen es auf der Straße, die Autos hier sind nicht grundsätzlich völlig andere. Aber: Chinesische Kunden haben ein sehr feines Gefühl für Formen, für Materialien und für Ausstattung. Diese Trends müssen wir einfangen. Was mir in dem Zusammenhang wichtig erscheint: Vor dem Hintergrund eines drastisch jüngeren Publikums , einer gleichzeitig immens hohen Internet-Affinität und sehr starken lokalen Playern wie zum Beispiel Baidu, sollten wir als Hersteller alle Themen rund um Konnektivität verstehen und frühzeitig in unsere Autos integrieren.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sie sehen also China als Trendsetter beim Thema Connected Car?
In einigen Gebieten absolut.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Glauben Sie, dass dies für das pilotierte Fahren in China auch gilt, oder ist es wesentlich schwerer, weil hier alle Fahrzeuge eher wild durcheinander fahren?
Das zu prognostizieren ist schwierig. Für Daimler gilt unsere Vision vom unfallfreien Fahren, und autonomes Fahren spielt eine wesentliche Rolle darin. Ich glaube, dass das früher oder später auch in China kommen wird, weil es eine Effizienzsteigerung im Verkehr geben muss. Gerade Mega-Cities, wie wir sie in China mehr als in jedem anderen Land haben, bieten Chancen. Aber sicherlich kann man auch da nicht verschweigen, dass das regulatorische Umfeld dem angepasst sein muss. Wir sind in Studien mit einer der führenden Universität hier in China – mit einer E-Klasse – und untersuchen ganz konkret die besonderen Verkehrsgegebenheiten in China und die lokale Anwendung unserer Assistenzsysteme, also die Dinge, die auf autonomes Fahren dann irgendwann hinleiten.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Dann wäre das erste Modell, wo pilotiertes Fahren möglich ist, eine E-Klasse?
Die E-Klasse ist nur der Versuchsträger, es kann auch jedes andere Auto sein. Unsere Ingenieure hier sind intensiv dabei die ganzen Assistenzsysteme, die wir heute in den Autos haben, auf chinesische Verkehrsverhältnisse zu kalibrieren. Hier wird doch ein bisschen anders gefahren und die Systeme sollen den chinesischen Kunden ja begeistern, in ihrem lokalen Umfeld funktionieren, um Entlastung zu sein und Sicherheit zu geben.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Audi sagt, dass der neue A8 in 2017, auch in China schon pilotiert fahren kann.
Das kommt auf die Definition an. Wenn das heißt, ich steige in mein Auto, und es fährt mich heim, bezweifle ich, dass die Aussage stimmt. Wenn Sie an selbstständiges Parken auf Knopfdruck oder an Hinterherfahren ohne wesentlichen Lenkeingriff denken, das macht die S-Klasse heute schon, auch in China.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Thema BYD: Profitiert die Partnerschaft von der Regulierung des Staates vom 1. September 2014 bis Ende 2017, konkret dem Entlass der Fahrzeugerwerbssteuer?
Absolut. China hat das umfangreichste Förderprogramm für E-Fahrzeuge. China ist nicht nur der größte Pkw-Markt in der Welt, meines Erachtens hat China auch die Chance, das Potenzial und die Vision, der größte Elektromobil-Markt der Welt zu werden. Warum? Weil Elektromobilität vor allem in den Großstädten Sinn macht. Darum ist es klarer Teil des Programms der chinesischen Regierung E-Mobilität und Plug-Ins zu fördern. Dieses ist verständlicherweise besonders fokussiert auf nationale Produkte. DENZA-Kunden bekommen rund 17.000 Euro an Unterstützung aus zentralen und regionalen Töpfen, hinzu kommt noch der Erlass der 10 prozentigen Umsatzsteuer. Plus, was in Städten wie beispielsweise Shanghai von enormer Bedeutung ist, ein kostenloses Nummernschild, das dort normalerweise nur über eine Versteigerung erhältlich ist und nochmals rund 10 000 Euro kosten würde. Kurzum: Es gibt eine ganze Reihe von Fördermaßnahmen und DENZA profitiert von alle dem.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sie kommen aber auch in diesen Genuss, wenn Sie einen Plug-In-Hybrid auf den Markt bringen?
Wenn ich ihn lokal baue und wenn er die jeweiligen Spezifikationen erfüllt, dann ja. Daran arbeiten wir. Wir werden auch lokal produzierte Plug-Ins bauen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Auf der gleichen Linie, wie die herkömmlichen Verbrennervariante?
Ja klar.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Würden Sie dann preislich hier ähnlich wie in Europa verfahren? Hier kostet der V8 in der S-Klasse gleich viel wie ein V6 Hybrid…
Gute Frage, aber noch zu weit in der Zukunft. Lassen Sie uns erst kommunizieren, welches Produkt wir machen. Dann das Produktkonzept erklären, und damit erklären wir dann auch das Pricing.

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Das Interview führte Bettina Mayer

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