Jochem Heizmann, Vorstandsmitglied der Volkswagen AG

“Kosten im Sinne der Kunden beeinflussen”, das ist für Jochem Heizmann, Vorstandsmitglied der Volkswagen AG für den Geschäftsbereich China, die wesentliche Aufgabenstellung. (Bild: Volkswagen)

AUTOMOBIL PRODUKTION:Wie ist Ihre persönliche Markteinschätzung? Was glauben Sie, wie sich China als Markt weiterentwickelt und was ist dabei die Rolle von VW in China?
Man muss zwischen dem, was dieses Jahr ist und dem, was in den nächsten Jahren kommt, unterscheiden. Der Pkw-Markt ist im letzten Jahr um rund 12 Prozent gewachsen. Und er ist in den ersten zwei Monaten 2015 schon wieder um unglaubliche 16 Prozent angestiegen. Das war auch für uns in dieser Höhe überraschend. In 2015 gehen wir von einem Wachstum zwischen 5 und 8 % für den gesamten PKW Markt aus, mindestens aber auf dem Niveau des GDP-Wachstums. Und so würde ich das auch für die kommenden Jahre einschätzen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Gerade wurden Volkswagen und Mercedes-Benz im Regierungsfernsehen in punkto Verbraucherschutz stark kritisiert. Für ausländische Unternehmen scheint es also schwieriger zu werden in China. Ist diese Wahrnehmung ? aus Deutschland heraus – richtig?
Lassen Sie uns das bitte trennen, was im Markt los ist und wie die Berichterstattung dazu aussieht. Wir gehen davon aus, dass China die Wachstumslokomotive für die weltweite Automobilindustrie und für den Volkswagen Konzern bleibt. Wenn man die ersten Monate diesen Jahres im Kontext des Volkswagen-Konzerns betrachtet, dann gibt es eine Reihe von Sonderthemen im Zusammenhang mit Fahrzeugan- und Ausläufen. Manche Modelle, wie z.B. der Santana Vista, standen Anfang letzten Jahres noch zur Verfügung und haben entsprechend zum Volumen beigetragen. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Außerdem sind in den ersten zwei Monaten die Segmente besonders stark gewachsen, in denen wir zur Zeit kein Produktangebot haben: Kleine SUVs, kleine MPVs im Budget-Segment. Und drittens produzieren wir an den Grenzen unserer Kapazität. Wenn man das alles zusammen nimmt, erklärt sich die Situation der ersten Monate. Mit Blick auf das Gesamtjahr setzen wir natürlich alles daran, mindestens mit dem Markt mitzuhalten.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Läuft es aber nicht darauf hinaus, umso besser Sie Ihren Job machen, umso schwieriger wird es doch für Volkswagen auf dem Markt. Umso mehr Interesse hat die Regierung, Ihnen das Leben ? besser den Verkauf von Fahrzeugen ? zu erschweren…
Das sehe ich anders. Wir haben mit geholfen, und tun es auch weiterhin, die Automobil- und Zulieferindustrie in China zu entwickeln. Wir schaffen tausende hochqualifizierte Arbeitsplätze. Wir investieren alleine in den kommenden fünf Jahren 22 Milliarden Euro nur in unseren beiden Joint Ventures. All das, zusammen mit der Einführung und Entwicklung von umweltfreundlichen Produkten und Produktion, liegt mit Sicherheit auch im Interesse der Regierung.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie sind denn Ihre ersten Erfahrungen aus Ürümqi? Kein einfacher Standort für ein Werk…
Unsere Aktivitäten in Ürümqi verlaufen wie geplant. Bis Sommer verfügen wir über die geplante Fertigungstiefe – also Karosseriebau, Lack und Montage.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Mussten Sie so tief in Chinas Westen nicht viel mehr in das Thema Ausbildung investieren?
Wir investieren generell an allen Standorten in das Thema Ausbildung. In Urumqi haben wir die Besonderheit, dass dort die Stückzahlen zu Beginn kleiner sind als in anderen Werken. Somit sind auch die Zykluszeiten länger. Der Arbeitsinhalt für den einzelnen Mitarbeiter ist damit deutlich größer. Das sind andere Anforderungen, die in der Folge entsprechend intensiv geschult werden.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sehen Sie chinesische Fahrzeughersteller, die Ihnen nahe oder näher kommen?
Der Wettbewerb wird intensiver, denn die Wettbewerber holen auf. Das ist hier in China nicht anders, als im Rest der Welt. Auch die Kompetenz und das Niveau der lokalen Hersteller nehmen zu. Aber wir entwickeln uns ja auch weiter. Wir müssen eben immer ein paar Schritte voraus sein und das sind wir auch.

AUTOMOBIL PRODUKTION: In den chinesischen Medien steht, das Qoros nahezu ein Insolvenzfall ist. Verbunden damit ist das Gerücht, dass Volkswagen vielleicht diese Fabrik übernimmt, weil die auf dem neuesten Stand ist…
Das ist mir neu und die finanzielle Situation von Qoros möchte ich nicht kommentieren.

Volkswagen, VW, Getriebe, China

VW fertigt in seinem Werk Tianjin das Doppelkupplungsgetriebe DQ380 für den unter anderem
in Changchun produzierten Turbo-Motor EA388. Er kann den Standard EU6 erfüllen. Bild: Volkswagen

AUTOMOBIL PRODUKTION: In Deutschland halten wir die Marke Chery für ziemlich konkurrenzfähig. Stimmt das noch?
Eine Reihe von verschiedenen Herstellern in China haben ihre Stärken in unterschiedlichen Segmenten. Das schauen wir uns genau an. Ich fahre regelmäßig Produkte des Wettbewerbs ? gerade auch jene von chinesischen Herstellern – um mir einen Eindruck über deren Leistungs- und Qualitätsniveau zu verschaffen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Nennen Sie mir doch bitte ein, zwei Marken auf die man ein Auge haben sollte…
Sie nannten Chery. Daneben gibt BAIC, die besonders auf dem Gebiet der Elektromobilität aktiv sind. Und Great Wall, bekannt vor allem für das Thema SUVs.

AUTOMOBIL PRODUKTION: In den nächsten vier Jahren sollen 20 neue E-Modelle von Volkswagen in China kommen. Sind Sie im Zeitplan?
Ja, wir sind im Zeitplan. Wir beschleunigen die Themen rund um die E-Mobilität und treiben diese noch intensiver voran. Gerade auch den Import von E-Fahrzeugen. Allerdings liegt unser Fokus eindeutig auf dem Thema Lokalisierung. Da haben wir klare Pläne. Die wesentliche Aufgabenstellung ist, wie wir die Kosten im Sinne unserer Kunden weiter beeinflussen können. Nicht nur die Kosten des gesamten Fahrzeugs, sondern auch jene der relevanten Komponenten der E-Module im Zusammenspiel mit den Lieferanten hier in China. Eine Unbekannte gibt es allerdings: Wie schnell werden sich welche Volumen in China entwickeln und sich dadurch die Kosten verringern.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sie verwenden neue lokale Lieferanten hier und deswegen wird es billiger?
Das sind lokale Lieferanten, die zum Teil auch international tätig sind. Wenn wir die Kosten weiter reduzieren wollen, müssen alle wesentlichen Module in China lokalisiert werden. Die Marke Volkswagen hat heute bereits bei den Volumenmodellen mit konventionellen Motoren Lokalisierungsgrade von deutlich über 90 Prozent. In dem Maße, wie die Volumen von E-Fahrzeugen oder Plug-In-Hybriden ansteigen, müssen auch die Lokalisierungsgrade hoch gehen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Der erste Plug-In-Hybrid aus Ihrem Konzern, der in China gebaut wird, ist im nächsten Jahr der Audi A3 e-tron…
Nein, der erste lokal produzierte Plug-In Hybrid in China ist der Audi A6L e-tron.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Kommt dann 2016 auch ein Fahrzeug der Marke Volkswagen?
Wir werden relativ bald auch einen lokal produzierten Volkswagen Plug-In-Hybrid im Markt haben. Nicht im nächsten Jahr, aber wenige Monate später.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Das wird dann der Passat sein?
Der Passat in Europa ist in China auf verlängerter Basis der Magotan; auch den haben wir natürlich im Blick. Klarer ist allerdings, dass wir in der gleichen Klasse wie dem Audi A6 einen neuen lokal produzierten Volkswagen in China auf den Markt bringen werden.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Mit welchem Ihrer beiden Joint-Venture-Partner?
Das wird ein Fahrzeug sein, das wir gemeinsam mit Shanghai Volkswagen machen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Auf welche Fahrzeuge warten Sie hier dringend? Sie sagten vorhin, in den ersten zwei Monaten war in der Kompakt-SUV-Ecke viel Wachstum.
Der Tiguan verfügt in China über ein großes Volumen. Unser Lamando, ein sehr attraktives neues Fahrzeug, befindet sich gerade im Hochlauf. Es handelt sich hierbei um eine sportliche, Coupé-artige Limousine. Ein Fahrzeug, das wir bei Shanghai Volkswagen produzieren und vertreiben und an welches wir sehr große Erwartungen haben.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Warten Sie nicht auch auf kleinere SUVS? VW hätte nach unten hin doch genügend Ideen…
Wir befassen uns intensiv mit dem Thema SUV. Das ist das mit Abstand am stärksten wachsende Segment ? gerade in China. Und ich kann Ihnen versprechen, dass es hier in den nächsten Jahren eine Reihe weiterer Modelle von uns geben wird.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Bei der Höhe der Investitionen, die VW in China tätigt, bekommt man fast schon ein wenig Angst. Sehen Sie das auch kritisch?
Sie können sicher sein, dass wir unsere Investitionen immer mit dem entsprechenden Augenmaß vornehmen. In 2014 haben unseren Fabriken an mehr als 300 Arbeitstagen produziert, um die 3,5 Millionen Fahrzeuge überhaupt aus den Fabriken raus zu bekommen. Wir sind jetzt in der Situation, dass Anläufe von neuen Modellen und die Einrüstungen von Modellwechseln unmittelbar in den bestehenden Kapazitäten zu Kapazitätsverlusten führen. Es stehen uns keine Wochenenden oder Urlaubszeiten als Puffer zur Verfügung. Das ist auch der Grund dafür, dass wir auf saisonale Effekte nicht mehr reagieren können Deswegen investieren wir, um bis 2019 einer Kapazität von fünf Millionen Fahrzeugen pro Jahr sicherzustellen. Aber eben mit der nötigen Flexibilität. Wir wollen mit dem Marktwachstum mithalten und natürlich unseren Marktanteil erhalten. Sollte sich der Markt – im eher unwahrscheinlichen Fall – anders entwickeln, sind wir absolut in der Lage, in unserem Investitionsprogramm entsprechend zu reagieren. Diese Option ist immer gegeben

AUTOMOBIL PRODUKTION: Ist es eine Option, dann auch aus China in andere Märkte zu exportieren?
Wir konzentrieren uns heute und in absehbarer Zeit auf den chinesischen Markt und haben alle Hände voll zu tun, diesen Markt zu befriedigen. Gerade auch das eben angesprochene Wachstum im SUV Segment und andere Themen, die wir hier in China zu bewältigen haben.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Verraten Sie mir wie Sie die Fabriken belegen und mit welchen Produkten?
Dieses Jahr geht unsere neue Fabrik in Changsha ans Netz und im letzten Jahr hatten wir die Grundsteinlegung für eine weitere neue Fabrik in Qingdao. Und das war nicht die letzte: In diesem Jahr folgen Grundsteinlegungen für zwei weitere Fabriken. Natürlich verfügen wir über einen Belegungsplan, den wir im Zuge unserer Planungsrunden entsprechend überarbeiten – Immer in Abhängigkeit von der Marktentwicklung und den konkreten Absatzzahlen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Produzieren Sie die Plug-In-Hybride auf der gleichen Linie wie die Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor?
Ja, das ist eben das Besondere an unsere E-Strategie. Wir benötigen keine speziellen Fertigungsanlagen. Bei uns laufen die Fahrzeuge mit konventionellem Antrieb auf der gleichen Fertigungslinie wie unsere Plug-In Hybride. Sie können sich das heute bereits in Wolfsburg anschauen. Den gleichen Ansatz werden wir auch in 2016 bei der Lokalisierung unserer Plug-In Hybride in China übernehmen. Plug-In Hybride werden überhaupt nicht mehr ausgeschleust, nur der E-Golf hat momentan noch eine Sonderfertigung zur Montage des Batteriemoduls. Dies bietet uns die größte Flexibilität. Wenn diese Fahrzeuge in den normalen Fluss integriert sind, können wir viel leichter bei den Stückzahlen reagieren. Unserer Modulkonzepte bieten einen großen Vorteil an der Stelle: Wir reden ja nicht nur über MQB und MLB generell, sondern auch über das Modulkonzept zum Thema E-Fahrzeuge. Unsere MQB Fahrzeuge verfügen über einen E-Standard-Baukasten ? ob es sich um einen Golf Plug-In Hybrid oder einen Passat Plug-In Hybrid handelt. Es ist immer das gleiche Grundkonzept.

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Das Interview führte Bettina Mayer

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