Wer angesichts der unglücklichen Geschichte der vergangenen Jahre schon verdrängt haben sollte, welch große, emotionale Geschichte Alfa hat, der kann in Arese das vielbeschworene “Cuore Alfisti” wieder zum Schlagen bringen. Herz und Seele, die Helden der Vergangenheit werden dort mit dem den Italienern eigenen Pathos beschworen.

Dabei ist das Gebäude eher von der tristen Art industrieller Zweckbauten direkt an der Autobahn vor den Toren Mailands. Drinnen schaut es anders aus. Das Gebäude beherbergt die wichtigsten Serienfahrzeuge, Designstudien, Prototypen und Rennautos aus der 105-jährigen Historie von Alfa Romeo. Am 30. Juni eröffnet die italienische Traditionsmarke offiziell ihr Werksmuseum in Arese für das Publikum.

Das heutige “La macchina del tempo – Museo storico Alfa Romeo” wurde 1976 im damaligen Werk Arese am Stadtrand von Mailand gegründet und bot der seit Anfang der 1960er Jahre aufgebauten historischen Kollektion der Marke ein adäquates Zuhause. Mit eingeschränkter öffentlicher Wirkung: Bis zur Wiedereröffnung jetzt, konnte das Gebäude aufgrund des Werksbetriebs lediglich auf Anmeldung besucht werden. Nach der Schließung der Produktion in Arese und der Verlagerung der Firmenzentrale wurde die Sammlung 2009 vorübergehend komplett geschlossen.

Geschichtsträchtiger Standort

Inzwischen spielt der geschichtsträchtige Standort Arese eine entscheidende Rolle in der Neuausrichtung der Marke Alfa Romeo, will man doch aus der überreichen Geschichte die Erfolgsgeschichte der Zukunft schmieden. Der italienische Stararchitekt Benedetto Camerana erhielt Ende 2013 den Auftrag, den gesamten Komplex im Sinne der Neuausrichtung von Alfa Romeo zu renovieren und gleichzeitig die historische Bausubstanz zu neuem Leben zu erwecken. Die Arbeiten begannen im Sommer 2014. Knapp zwölf Monate später ist jetzt das Projekt unter der Leitung von FCA Partecipazioni beendet.

Der Umbau des ehemaligen Direktionsgebäudes greift die frühere Funktionalität auf und bereitet es gleichzeitig auf die erwarteten Besucherströme vor. Zentrales Designelement ist eine rote Struktur, die vom Dach zum Besuchereingang ins Innere und dort weiter bis zum Beginn der Ausstellung und dem zentralen Aufzug läuft. Diese moderne, im klassischen Alfa-Romeo-Rot gehaltene Struktur ist schon von Weitem zu sehen und symbolisiert im Kontext mit der ursprünglichen Architektur der 1970er Jahre.

Das gesamte Layout des Museumsgebäudes soll die DNA von Alfa Romeo widerspiegeln. Eine beleuchtete Installation läuft senkrecht über die Fassade. Sie kombiniert Lichteffekte mit Worten und Symbolen, die stellvertretend für stilistische Kontinuität und technologische Konsistenz stehen.

69 Exponate zu sehen

Die Ausstellung zeigt insgesamt 69 Exponate, die nicht nur die Entwicklung von Alfa Romeo verdeutlichen, sondern auch einen Querschnitt durch die gesamte Geschichte des Automobils zeigen. Zu sehen sind unter anderem das allererste Fahrzeug der Marke, der A.L.F.A. 24HP. Außerdem legendäre Rennwagen wie der Tipo 6C 1750 Gran Sport, mit dem Tazio Nuvolari 1930 das berühmte Langstreckenrennen Mille Miglia gewann, der Tipo 8C mit einer hinreißenden Karosserie von Touring, der Tipo 159 “Alfetta”, der Juan Manuel Fangio 1951 zur Formel-1-Weltmeisterschaft trug, oder der Tipo 33TT12, mit dem Alfa Romeo 1975 den Titel in der Sportwagen-Weltmeisterschaft holte. Ausgestellt ist natürlich auch der Alfa Romeo Giulietta, eine automobile Ikone aus den 1950er Jahren.

Das neue Museo Alfa Romeo ist in drei Bereiche gegliedert, die jeweils ein ganzes Stockwerk einnehmen. “Timeline” steht im ersten Stock mit insgesamt 19 Fahrzeugen für die industrielle Entwicklung von Alfa Romeo, jedes von ihnen begleitet von einer Multimedia-Präsentation. Hier können Besucher beispielsweise umfangreiche Hintergrundinformationen zu den ausgestellten Modellen abrufen. So beschreibt die Installation mit dem Titel “Quelli dell’Alfa Romeo”, wie sich die Marke innerhalb von hundert Jahren zu einer Legende entwickelt hat, und verdeutlicht, welche entscheidende Rolle dabei Tausende von Arbeiter, Mechaniker, Designer, Ingenieure und Manager gespielt haben.

Im Erdgeschoss befasst sich der Bereich “Beauty” mit der Wechselwirkung von Stil und Design. Dieses Stockwerk ist in mehrere Themenbereiche gegliedert, die Verbindungen bilden dynamische und elegante Linien. Die Exponate reichen von neun Designbeispielen aus unterschiedlichen Epochen zum Thema “Meister des Stils” bis zum Aspekt “Italienische Schule”, für den nach dem so genannten Superleggera-Prinzip gebaute Automobile der Karosserieschmiede Touring aus den 1930er und 1940er Jahren stehen. Ein Segment widmet sich dem Thema “Alfa Romeo im Film”, weitere dem “Phänomen Alfa Romeo Giulietta” und dem Kapitel “Alfa Romeo Giulia – vom Wind geschaffenes Design”. Die hier gezeigten Fahrzeuge zeigen auch für die Entwicklung der Wirtschaft und des Stils im Italien der 1950er und 1960er Jahre auf.

Im Untergeschoss ist der Bereich “Speed” untergebracht, für viele Fans von Alfa Romeo vielleicht die spannendste und aufregendste Abteilung. Besucher können hier mit Hilfe modernster Multimedia-Präsentationen einen Blick in die einzigartige Rennsporthistorie der Marke werfen, vom Thema „Eine Legende wird geboren” mit den legendären Rennwagen der Ära zwischen beiden Weltkriegen über die Erfolge von Alfa Romeo in der Formel 1 und mit dem Tipo 33 in der Langstrecken-Weltmeisterschaft bis zum Kapitel “Rennsport in der DNA von Alfa Romeo”.

Als Höhepunkt wartet die “Halle der Siege” auf die Besucher des neuen Museums. In aufwändig präsentierten Fotos, Filmen und Tondokumenten sind sie bei den zehn größten Siegen von Alfa Romeo beinahe live dabei. Die Reise durch die Historie von Alfa Romeo endet mit einem spektakulären Finale. Mit Hilfe von virtueller Realität, 360-Grad-Leinwänden und 4D-Technologie erwachen die legendären Erfolge von Alfa Romeo zu neuem Leben.

Ähnlich wie bei der neuen “Giulia” ist der Marke mit dem Museum ein großer Wurf gelungen, der die Ernsthaftigkeit unterstreicht, mit dem Fiat-Chrysler am Comback der Marke arbeitet. Für Mailand-Besucher sollte der Museumsbesuch fast zur Pflicht werden.

Frank Volk

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