AUTOMOBIL PRODUKTION: Herr Fröhlich, um mal nicht mit ihrer Rolle als Entwicklungsvorstand zu beginnen. Wie wichtig ist der neue 7er auch emotionaler und wirtschaftlicher Sicht für BMW?
Der neue 7er ist für uns aus mehreren Gründen von enormer Bedeutung. Er ist das Flaggschiff von BMW und das Statement, das wir mit diesem Auto setzen, strahlt auf die gesamte Marke ab. Technisch gesehen ist der 7er ist das erste Auto der neuen Heckantriebs-Architektur, unserer Cluster-Architektur. In dem Auto ist alles neu: Antriebsstrang, Infotainment, Head-Unit, Bordnetz oder auch Plugin-Hybrid-Integrations-Fähigkeit. Wir lassen mit dem 7er Systeme in der größtmöglichen Komplexität anlaufen, die wir nachher auch in den anderen Baureihen wiederfinden werden. Das ist technisch sehr anspruchsvoll und daher auch für uns spannend und herausfordernd. Außerdem spielt der der BMW 7er wirtschaftlich eine wichtige Rolle. Zum einen wächst das Luxussegment weiterhin. Zum anderen ist der 7er ein sehr deckungsbeitragsstarkes Fahrzeug und hat dementsprechend eine hohe Bedeutung für die Profitabilität.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sie haben eben die Flaggschiff-Funktion des Modells unterstrichen. Ist es denn noch so, dass prestigeträchtigen Luxuslimousinen in der ersten Reihe stehen oder sind da – wie bei BMW – die i-Modelle schon wichtiger?
Die verschiedenen Produkte haben sehr unterschiedliche Aufgabenstellungen. Die BMW i-Modelle stehen für Innovation pur. Sie sind ein bedeutender „Inkubator“ für die gesamte BMW Group und wir setzen dort fokussiert Technologien und Prozesse um, die zum Teil weiter in die Zukunft blicken. Der 7er hat eine andere Aufgabe. Er muss in allen Bereichen innovativ sein und Benchmarks setzen. Der Kunde muss an jedem Punkt spüren und erfahren: das ist state of the art. Entscheidend ist: Die Schlüsselinnovationen aus BMW i transferieren wir in andere Baureihen, selbstverständlich auch in den neuen 7er: Nehmen Sie den „Carbon Core“, die Verstärkung der Fahrgastzelle durch den Einsatz von CFK. Oder die Elektrifizierung: Der Plug-in-Hybrid 740e kommt im nächsten Jahr mit einem Wert von 49 g / C02 pro Kilometer. Das ist herausragend für ein Auto von 5,20 m Länge.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Vor ihrer Berufung zum Entwicklungsvorstand waren Sie unter anderem für die Marken- und Produktstrategie zuständig. Haben Sie schon aus dieser Zeit eine besondere Beziehung zum 7er?
Nicht nur zum 7er! Ich war ja acht Jahre für die Produktplanung und -strategie verantwortlich. Wenn Sie so wollen, darf ich jetzt das umsetzen, was ich vorher auf den Weg gebracht habe.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Nicht Bestandteil der Strategie ist die Entwicklung weiterer Derivate vom 7er wie es Daimler bei der S-Klasse vorexerziert. BMW wird ja ein extrem hoher Entwicklungsstand bei der Derivatisierung nachgesagt, eine der großen Stärken ist die Umsetzung der Modulstrategie. Warum zieht man diese Karte beim 7er nicht?
Weil wir hier ganz klar unser Gesamtportfolio in der Luxusklasse im Blick haben. Neben dem 7er, den es in einer normalen und einer Langversion gibt, bieten wir mit Coupé, Cabrio und Gran Coupé drei sportlich elegante Varianten des BMW 6er an. Und wir werden mit dem X7 noch ein SUV dazu bekommen. Zusätzlich haben wir – im Gegensatz zu den Wettbewerbern –mit Rolls Royce eine Marke, die noch deutlich oberhalb des Luxussegments rangiert und mit Phantom, Ghost, Wraith und bald Dawn weitere vier Modelle im Portfolio hat. Das macht in Summe zehn Autos, mit denen wir sehr unterschiedliche, sehr individuelle Kundenbedürfnisse erfüllen. Das ist eine Aufstellung, die sonst niemand bietet.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wobei mit Blick auf die Absatzzahlen der 7er immer die Nummer 2 hinter der S-Klasse sein wird.
Wir wollen im gesamten Premiumsegment führend sein, der Blick auf einzelne Modelle ist weniger relevant. Und für mich persönlich als Entwicklungsleiter ist entscheidend, dass wir funktional mit diesem Auto alles besser machen und dass wir im direkten Vergleich den Maßstab setzen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Was kann denn der neue 7er besser als der Wettbewerb?
Eine ganze Menge, aber ich möchte drei Kernthemen ganz konkret aufzeigen. Das Erste ist das Bedienkonzept. Wir sind heute schon Benchmark und setzen mit dem 7er nochmals neue Trends. Die intuitive und zeitgemäße Gestik- und Touchbedienung sowie die erweiterte Spracheingabe ergänzen unser iDrive System. Wichtig ist uns dabei: Die Konzepte sind komplementär und ersetzen einander nicht. Auch bei den Fahrerassistenzsystemen setzen wir ein Zeichen, denn der neue 7er ist teilautomatisiert unterwegs und bietet damit noch mehr Komfort und Sicherheit. Mit dem System „Driving Assistant Plus“, das unter anderem einen Lenk-, Spurführungs- und Stauassistenten beinhaltet, können unsere Kunden mit bis zu 210 km/h im Verkehr mitschwimmen – und das nicht nur auf Autobahnen. Außerdem kann der neue 7er als weltweit erstes Fahrzeug ferngesteuert eingeparkt werden, was speziell bei engen Garagen oder Parklücken sehr komfortabel ist.
Als drittes Thema bietet sich beim 7er die perfekte Balance von Sportlichkeit und Komfort an. Dazu trägt entscheidend bei, dass wir das leichteste und effizienteste Auto in dieser Klasse haben. Wir erreichen – gerade mit unserer serienmäßigen Luftfederung und der variablen Dämpferkontrolle – einen hervorragenden Komfort. Außerdem lässt sich das Fahrzeug durch das geringe Gewicht extrem feinfühlig anlenken, was die spürbar die Sportlichkeit betont. Diese Kombination wird von einem Auto dieser Klasse erwartet und das bedienen wir perfekt.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie haben die diese neue Leichtigkeit hin gekriegt?
Durch den verstärkten Einsatz neuer Werkstoffe und einen intelligenten Mischbau. Eine große und wichtige Rolle spielt CFK. Wir verarbeiten aber auch sehr viel Aluminium im Auto, nutzen hochfeste Stähle an den richtigen Stellen und haben einen Träger für die Instrumententafel aus extrem leichtem Magnesium entwickelt. Das führt gegenüber dem Vorgänger zu einer Gewichtsreduzierung um etwa 200 Kilogramm. Ein Teil davon wird durch neue Sicherheits- und Komfort-Features kompensiert, sodass wir netto bis zu 130 Kilo einsparen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie hoch ist denn der Karbon-Anteil bei dem Fahrzeug?
Rund um die Fahrgastzelle haben wir im neuen 7er sehr viel CFK eingesetzt. Im Prinzip wird der Fahrer von einer sehr steifen und leichten CFK Struktur ummantelt, von den Dachstreben bis zu CFK Verstärkungen in den Schwellern und der B-Säule. Highlight ist für mich ein fast 3 Meter langes CFK Hohlprofil im Dachrahmen, das sich von der A-Säule entlang der Dachlinie bis zur C-Säule erstreckt. Dahinter steckt ein völlig neues und weltweit einzigartiges Verfahren, das uns erlaubt, dieses Profil komplett durch die Produktionslinie inklusive Lack zu fahren. Und das, obwohl die Werkstoffe sehr unterschiedliche Wärmeausdehnungen haben.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Ist das etwas, was man von den i-Modellen gelernt hat?
Absolut. Wir haben durch BMW i ein breites Know-How zu CFK aufgebaut und unterschiedliche Fertigungsverfahren realisiert. „Strickkonzepte“ waren auch beim BMW i8 dabei, allerdings weniger komplex. Beim 7er ist das angesprochene Profil hohl, verändert über die gesamte Länge den Querschnitt und die Wandstärke mehrfach, je nachdem, welche Belastbarkeit punktuell gefordert wird. Das können derzeit nur wir.

Zur Person
Klaus Fröhlich studierte Maschinenbau und ist ein Mann mit Benzin im Blut. Er kam 1987 als Motorenentwickler zu BMW. Vor seiner Berufung zum Entwicklungsvorstand im Dezember 2014, leitete der 55-jährige die Marken- und Produktstrategie im Konzern.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Ist Karbon als Werkstoff für BMW schon alltagstauglich?
Der Werkstoff als solcher ist verstanden. Auch bei Crashsimulationen oder eben Fügeverfahren. CFK hat aber noch eine Industrialisierungsstrecke vor sich, denn wir haben selbstverständlich den Anspruch, die Kosten weiter zu senken. Und wir lernen durch die Industrialisierung immer noch kontinuierlich bezüglich Materialausnutzung oder auch Taktzeiten dazu.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Früher wurde bei wichtigen neuen Modellen hauptsächlich über Innovationen beim Antrieb gesprochen. Das scheint ja nur noch eine Nebenrolle zu spielen. Zentrale Fragestellungen gelten den Assistenzsystemen, dem autonomen Fahren und wie sich das Smartphone integrieren lässt. Hat das auch Einfluss auf ihren Job als Entwicklungschef?
Auf jeden Fall. Ich muss heute wesentlich stärker in Software als in reiner Mechanik denken. Ich persönlich bin seit 28 Jahren bei BMW, davon 17 Jahre in der Antriebsentwicklung. Und gerade in jüngster Zeit haben sich die Schwerpunkte deutlich verschoben, die Assistenzsysteme und die nahtlose Integration von CE-Geräten gewinnen mehr und mehr an Bedeutung. Hinter den Systemen steht eine modulare Architektur aus Soft- und Hardware. Unser klares Ziel ist es, diese Systeme sukzessive auszubauen. Am Ende dieser Entwicklung wird bei den Assistenzsystemen das autonome Fahren stehen. Allerdings wird die Entwicklung beim Antrieb im Gegenzug ja nicht weniger, sondern im Gegenteil auch komplexer.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Auch die Infotainment-Architektur ist im 7er völlig neu.
Wir machen beim neuen 7er einen großen Schritt, was dieses Thema betrifft: Head-Unit, Auflösungsqualität der Grafik oder auch Menüsteuerung – alles neu, zeitgemäß und intuitiv. Dabei sprechen wir von hoch komplexen Systemen, die nicht nur sehr komfortabel zu bedienen sein sollen, sondern auch und vor allem absolut sicher sein müssen – und das gilt gleichermaßen für Infotainment wie für Assistenzsysteme. Nehmen Sie den Stauassistent. Da sind Sie es gewohnt, dass Sie zuverlässig in der Spur gehalten werden und der Abstand zu den anderen Autos geregelt wird. Das muss auch funktionieren, wenn es regnet, wenn die Sonne flacher steht oder es dunkel ist. Der Aufwand, das Gesamtsystem im 7er abzusichern, war groß. Aber für uns steht Kundenzufriedenheit an erster Stelle. Denn wenn die Kunden nicht zufrieden sind, wenn das System nicht funktioniert, dann fragt er sich nur noch: wo kann ich das ausschalten? Meine Position ist hier ganz klar: Wenn wir Innovationen auf die Straße bringen, dann müssen sie hundertprozentig sitzen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sicherheit ist ein schönes Thema. Auch BMW hatte schon ein Problem mit einem gehackten System.
Das ist ein sehr wichtiges Thema, das man relativ einfach in drei Stufen strukturieren kann. Zuerst kommen Informationen in unserem BMW-Backend an. Hier muss die erste Firewall sein, die nichts ohne Berechtigung durchlässt. Das Zweite ist die Funkstrecke zwischen Backend und Fahrzeug. Hier arbeiten wir zum Beispiel mit kryptografischen Verschlüsselungen und komplexen Authentifizierungssystemen.
Zuletzt müssen wir noch die Assistenzsysteme an sich absichern. Wenn im Infotainment mal das Bild ausfällt, ist das vielleicht ärgerlich, aber nicht schlimm. Anders sieht das bei sicherheitssensitiven Bereichen wie Bremse, Lenkung und Antrieb aus. Hier schließen wir über komplett getrennte Systeme und dazwischen liegenden, mehrschichtigen Firewalls aus, dass jemand beispielsweise über das Infotainment in sicherheitsrelevante Systeme eindringt. Das sicherzustellen, ist unheimlich wichtig und eine große Herausforderung und Verpflichtung. Die heutigen Lösungen sind sehr gut, aber die die Entwicklung geht immer weiter, nicht zuletzt, weil wir uns in Richtung 5G-Netz bewegen und die benötigten Datenmengen durch den Ausbau der Assistenzsysteme und der damit verbundenen Vernetzung des Autos mit seiner Umwelt extrem groß werden.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie sieht es mit megawichtigen Entwicklungen im Antriebsbereich aus – gerade auch mit Blick auf den 7er?
Wir stehen vor einigen Herausforderungen. Nehmen Sie nur die Parallelität von schärferen C02-Zielen und dem neuen Verbrauchszyklus WLTP. Wir arbeiten weiter intensiv an der Optimierung von Otto- und Dieselmotoren und werden im neuen 7er selbstverständlich die neueste Motorengeneration anbieten. Hinzu kommt die Elektrifizierung des Antriebs, wo wir auch beim 7er ein Zeichen setzen werden. Der 740e kommt auf 40 Kilometer elektrische Reichweite und das ohne Nutzungseinschränkung, denn wir haben in der Fahrzeugarchitektur einen festen Package-Raum für die Batterie unter der zweiten Sitzreihe vorgehalten – nicht im Kofferraum ganz weit hinten, denn das wäre nicht optimal für die Fahrdynamik des 7ers.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Welche Entwicklung erwarten Sie mit Blick auf die Energiedichten in den nächsten Jahren?
Ich glaube, dass wir alle zwei, drei Jahre eine deutliche Steigerung der Energiedichte sehen werden. Bezogen auf den 740e kann ich mir vorstellen, dass sich die elektrische Reichweite theoretisch bis zum Jahr 2020 auf 80 km verdoppeln könnte – bei Nutzung des heute vorgehaltenen Bauraums.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wieso sind Sie auf beim 7er BMW auf 40 Kilometer gegangen und nicht auf 50. Erst ab dieser Distanz greifen in China doch steuerliche Erleichterungen?
Die chinesische Regulation gilt ausschließlich für in China produzierte Fahrzeuge. Da der 740e importiert wird, konnten wir das aus unserer Sicht ideale Package aus Energiespeicher und Antrieb beibehalten. Anders sieht es bei der Plug-In-Hybrid Variante des BMW 5er aus, den wir in China herstellen. Diese speziell für China und in China entwickelte und gebaute Langversion kommt auf deutlich über 50 Kilometer Reichweite.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Ist ein rein elektrischer 7er für Sie denkbar?
Im Augenblick halte ich das aus Entwicklungssicht in diesem Segment nicht für sinnvoll. Um eine für unsere Kunden erkleckliche Reichweite bei einem vollelektrischen Fahrzeug dieser Klasse darzustellen – in Amerika gut 400 Meilen, bei uns 600 Kilometer– müssten wir mehrere hundert Kilo Batterien in das Auto packen. Das Auto wiegt jetzt deutlich unter zwei Tonnen, dadurch kämen wir auf über 2,5 Tonnen. Das würde unser Gesamtfahrzeug-Konzept aus der Balance bringen, wir würden die BMW typische, ausgewogene Fahrdynamik aufgeben, für die uns unsere Kunden schätzen. Nur Längsdynamik zum Preis von sehr hohem Gewicht halte ich nicht für die richtige Lösung.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Könnte der Power-Hybrid die richtige Lösung sein?
Das kann eine Antwort sein. Die Idee beim Power-Hybrid – wir nennen es Power-E-Drive – ist immer die gleiche, übrigens genauso wie bei der Brennstoffzelle. Ich mache de facto ein Battery Electric Vehicle. Ich treibe mit einer großen E-Maschine die Hinterachse an. Und lasse dann den Speicher nach vorne „wachsen“. Der Power-E-Drive vorne – ein Verbrenner oder eine Brennstoffzelle – ist nichts anderes als ein Range Extender. Sie können mit dem Power-E-Drive zwar auch noch mehr Leistung zuschalten, haben vor allem aber keine Einschränkung mehr bei der Reichweite.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Was wird schneller kommen. Power-Hybrid oder Brennstoffzelle?
An der Brennstoffzellen-Technologie arbeiten wir seit 15 Jahren und seit drei Jahren zusammen mit Toyota. Ich sehe das als Langfrist-Thema. Der Power-E-Drive ist für mich durchaus eine Lösung im Mittelfristbereich – also 2020+.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Auf Ihrem Parkplatz steht ein 730d. Sie fahren den schon länger?
Es war mir wichtig, gleich eines der ersten Vorserienfahrzeuge zu bekommen, denn ich möchte persönlich alles testen. Vor allem war mir wichtig, dass das neue Bedienkonzept intuitiv funktioniert und dass das Fahrwerk, die Verarbeitung und die Materialien unsere extrem hohen Ansprüche erfüllen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Und wie fühlt sich das Auto an?
Es ist in allen Belangen ein Riesenschritt vorwärts. Wir haben eine großartige Produktsubstanz und ich freue mich auf die ersten Tests.

Das Interview führte Frank Volk

Sie möchten gerne weiterlesen?