Jim Farley Ford

Das erste Auto von Jim Farley war ein 66er Mustang Hardtop. – (Bild: Ford)

AUTOMOBIL PRODUKTION: Ford of Europe verzeichnete im ersten Halbjahr 2015 ein kräftiges Verkaufsplus von 10,5 Prozent. Ist das der erste Schritt zur Rückkehr in die Gewinnzone – und: wird es 2016 den Turnaround geben?
Wir sind angesichts eines unverändert sehr wettbewerbsintensiven Marktes sehr zufrieden mit unserer Verkaufsperformance. Diese verdanken wir in erster Linie neuen Produkten – sowohl bei den Pkw wie bei den Nutzfahrzeugen. Bezogen auf das Verkaufsvolumen bringen wir alleine in diesem Jahr fast 50 Prozent unserer Fahrzeuge in neuer oder aufgefrischter Form auf den Markt. Das zahlt sich nun aus: Bei den Nutzfahrzeugen lag Ford vor einigen Jahren noch auf Platz sieben – inzwischen haben wir uns bis auf Rang zwei verbessert. Wir erwarten, dass Ford of Europe das Ergebnis vor Steuern für das Gesamtjahr 2015 gegenüber 2014 weiter verbessern wird. Denn wir verzeichnen bei allen drei Säulen unseres europäischen Transformationsprozesses – Produkt, Marke und Kosten – solide Fortschritte. Wir müssen dennoch auf allen drei Gebieten weitere Fortschritte machen, um die Rückkehr in die Gewinn-Zone zu beschleunigen und unser Geschäfte in dieser Region auf eine nachhaltige Basis zu stellen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Hat es unter Ihrer Leitung grundlegend neue Ausrichtungen in der Strategie von Ford Europa gegeben?
Zunächst einmal möchte ich betonen, dass ich mich sehr glücklich schätze, das Europa-Team zu leiten. Und dazu jenes in Deutschland, das speziell bei den Produkten des B- und C-Segments über eine immens große Erfahrung verfügt. Bezüglich der erwähnten Säulen des Transformationsprozesses machen wir bedeutende Fortschritte – wir reduzierten die Kosten, stärken die Marke Ford und erweitern unser Produktangebot. Europa bleibt ein sehr anspruchsvoller Markt, es gibt Gegenwind durch die Situation in Russland, durch den starken Dollar und höhere Pensionsrückstellungen aufgrund der niedrigen Zinssätze. Trotzdem bin ich optimistisch – es liegt an uns, die Transformation von Ford zu beschleunigen, zurück in die Gewinnzone zu kommen und ein wirklich lebhaftes Geschäft aufzubauen. Als Team setzen wir uns zeitintensiv mit unserer zukünftigen Strategie auseinander.¬¬¬¬ Wo steht Ford Europa in fünf, zehn oder gar 15 Jahren? Wir beobachten Trends wie den Wunsch nach ‚Connectivity‘, die demographische Entwicklung, die sich wandelnden Mobilitätsbedürfnisse in Städten und neue Formen der Kundenansprache und -bindung genau. Wir eröffnen hunderte neue, moderne Händlerbetriebe, machen das Online-Erlebnis spannender und beteiligen uns an einer Reihe von Mobilitäts- und CarSharing-Projekten. Gerade jetzt waren wir bei der Gamescom in Köln – man kann eine Menge für die Zukunft lernen, wenn man mit 350.000 jungen Menschen zusammenkommt. Uns ist bewusst, dass wir nur dann weiter führend in der Autoindustrie sein werden, wenn wir unser Geschäftsmodell immer wieder kritisch überprüfen und auf den neusten Stand bringen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Einige andere Hersteller rechnen für das zweite Halbjahr mit einem Abflauen der Autokonjunktur. Wie sind Ihre Erwartungen?
Saisonale Schwankungen sind normal, die haben wir einkalkuliert. Wir erwarten dennoch für das Gesamtjahr 2015 einen Anstieg in unseren Top 20-Märkten auf 15,7 bis 16,2 Millionen Fahrzeuge. Das sind deutlich mehr als die 14,6 Millionen aus dem Vorjahr, aber noch deutlich weniger als die mehr als 18 Millionen Einheiten im Jahr 2007.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Die ersten Ford Mustang kommen nun in Europa auf die Straße. Schlägt beim Anblick eines Mustangs auch bei Ihnen das Herz etwas schneller?
Durchaus. In der Automobilgeschichte – und damit auch in der Geschichte von Konsumgütern – nimmt der Ford Mustang einen ganz speziellen Platz ein. Überall auf der Welt erweckt dieser Sportwagen das Gefühl von Freiheit. Ein Mustang-Fahrer ist sein eigener Herr und umarmt das Leben. Auch sein Platz in der Pop-Kultur ist unvergleichlich. Ich denke, der Ford Mustang hat in Europa einen Nerv getroffen. Es ist erstaunlich, hier zum Beispiel über die Autobahn A4 zu fahren und die Reaktionen der Menschen zu beobachten. Das höre ich aus allen Ecken – von Kunden, Händlern, Mitarbeitern, Journalisten und Fans. Dieser neue Mustang ist etwas ganz Besonderes und es ist ein schöner Zufall, dass ich meine Arbeit hier in Europa und Deutschland parallel zur Einführung des Modells beginnen durfte. Denn auch ich habe zu diesem Auto eine ganz persönliche Beziehung. Als Teenager jobbte ich im Sommer einmal in einem Motorenwerk in Kalifornien. Von dem dort verdienten Geld konnte ich mein erstes Auto kaufen – einen schon etwas mitgenommenen schwarzen 66er Mustang Hardtop. Den habe ich dann einmal ganz durch das Land bis zurück nach Michigan gefahren. Ich verrate Ihnen aber nicht, wie alt ich damals war!

Zur Person
James D. Farley, von aller Welt nur “Jim” genannt, blickt nicht nur selbst auf eine lange Karriere bei Ford zurück – die US-Traditionsmarke ist quasi eine Familienangelegenheit. So heuerte Farleys Großvater 1914 in der River Rouge Plant von Henry Ford an. Sein Vater schwenkte vom Autokurs ab, wurde Banker, was die Familie nach Argentinien führte, wo der heute 53-jährige Manager geboren wurde. Bevor Jim Farley im Januar 2015 den Posten als Europa-Chef von Stephen T. Odell übernahm, leitete er das globale Marketing und den Vertrieb von Ford.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie ist die Nachfrage nach dem Ford Mustang? Gibt es Lieferfristen?
Allein in Deutschland haben wir über 3.000 Vorbestellungen, in ganz Europa mehr als 6.000. Wir arbeiten hart, um die Nachfrage zu bedienen. Die ersten Modelle sind bereits ausgeliefert und auf europäischen Straßen unterwegs. Je nach Modell können aufgrund der starken Nachfrage Lieferfristen von einigen Monaten auflaufen – aber ich bin mir sicher, dass sich das Warten lohnt!

AUTOMOBIL PRODUKTION: Ein weiteres Modell zur emotionalen Aufladung der Marke kommt aus dem High Performance-Segment. Die ersten Reaktionen auf den neuen GT waren enthusiastisch. Ist das nur ein Modell für die USA und welche Rolle spielt Europa?
Wir entwickeln gerade das beste Aufgebot an Performance-Fahrzeugen in der Geschichte von Ford Europa. Das Ganze startet mit dem Ford Fiesta ST, ein von Kunden und Kritikern gelobter und geliebter Wagen, den viele schon für einen künftigen Klassiker halten. Zu Anfang des Jahres führten wir den Ford Focus ST und Ford Focus ST Diesel ein. Nun kommt der Mustang, von dem noch viele Varianten folgen werden. Und zum Jahresende läuft dann die Produktion des 350 PS starken Focus RS mit Allradantrieb an. Der Ford GT markiert den Höhepunkt. Er wird ab dem nächsten Jahr in Europa und anderen Weltmärkten verkauft.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Welche Modelle sind aktuell die Verkaufslokomotiven?
Europa ist das ultimative Prüffeld für jeden Automobilhersteller. Die Kunden sind sehr gut informiert und erwarten eine hohe Qualität. Wir treiben uns daher stetig an, uns weiter zu verbessern. In diesem Umfeld sind es vor allem die neuen Fahrzeuge, die das Wachstum anheizen. Der neue Ford Mondeo legte im ersten Halbjahr gegenüber dem Vorjahr um 55 Prozent, der neue Ford C-MAX um 42 Prozent zu. Und der Ford Fiesta behauptete seine Führungsrolle bei den Kleinwagen in Europa.

Die SUV-Verkäufe von Ford verzeichnen ebenfalls weiterhin starke Zuwächse In den ersten sechs Monaten stieg der Absatz des Ford Kuga gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 24 Prozent – das größte Plus seit Einführung der ersten Generation im Jahr 2008. Verkäufe und Vorbestellungen des kompakten SUV Ford EcoSport – nun in einer aufgewerteten Version im Angebot – haben sich im Juni gegenüber dem gleichen Zeitraum in 2014 sogar verdoppelt.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Mit den Vignale-Modellen wollen Sie der Marke Ford einen stärkeren Premium-Anstrich geben. Wie lässt sich dieser Plan an?
Wir sind noch ganz am Anfang, aber die erste Resonanz ist ermutigend. Wir haben gerade erst den Mondeo Vignale gelauncht, weitere Modelle werden folgen. Das Vignale-Konzept ist eine Kombination aus einem besonderen Produkt, einem exklusiveren Erlebnis im Händlerbetrieb und einem stolzeren Besitzerlebnis. Wie ich schon sagte, haben wir einen erfreulich hohen Anteil an Kunden, die für ihren Ford die Topausstattung wählen. Wir möchten diese Kunden behalten, wenn sie sich höher positionieren wollen. Wir wollen sie nicht an Luxusmarken verlieren, daher müssen wir ihnen etwas Besonderes anbieten. Wir sehen die Vignale-Linie als Möglichkeit, die Marke Ford durch ein sehr exquisites Exterieur- und Interieur-Design, hochwertig verarbeitete Premium-Materialien, exklusive Ausstattungsinhalte und eine individuell auf den Kunden zugeschnittene Händlerbetreuung aufzuwerten.

AUTOMOBIL PRODUKTION: In Europa – und auch anderen Regionen – hält der SUV Boom unverändert an. Reicht es für Ford da aus, mit EcoSport, Kuga und Edge nur drei Modelle anbieten zu können?
Mit dem kompakten Ford EcoSport, dem mittelgroßen Ford Kuga und dem großen Ford Edge werden wir der in Europa wachsenden Nachfrage gerecht. Wir werden unsere SUV-Verkäufe in Europa bis 2018 verdreifachen und damit stärker als der Gesamtmarkt wachsen. Eine zusätzliche Erweiterung des SUV-Portfolios wäre – wenn es Sinn machen sollte – möglich. Es gibt wohl weltweit keine Marke mit dieser Erfahrung im Design, Bau und Verkauf von SUV als Ford. Wir planen, unsere traditionellen Stärken im SUV-Geschäft auch im europäischen Markt voll auszuschöpfen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Gibt es Pläne, die Produktion des Ford EcoSport von Indien nach Europa zu verlagern? Wir hören, dass es Kritik am Styling des Fahrzeugs gibt.
Wir haben gerade eine überarbeitete Version des europäischen Ford EcoSport vorgestellt, mit vielen neuen Produktmerkmalen beim Exterieur und Interieur. Unsere hochmoderne Fabrik im indischen Chennai kann Modelle bauen, die den gehobenen europäischen Standards entsprechen. Aufgrund des starken globalen „One Ford”-Produktportfolios war es möglich, den Ford EcoSport aus Indien zu importieren und ihn damit in Europa zum frühestmöglichen Zeitpunkt anbieten zu können.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie sieht es im Premium-/Luxus-Segment aus? Ford unternimmt gerade wieder große Anstrengungen, Lincoln als globale Luxusmarke auszubauen. Wie sieht es mit Lincoln in Europa aus? Eine verpasste Chance?
Wir konzentrieren uns in Europa auf die Einführung und den Ausbau von Vignale. Bei der Marke Lincoln konzentrieren wir uns voll und ganz auf das Wachstum in Nordamerika und in China.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Der wunde Punkt in Ihren Wachstumsplänen ist die Situation in Russland. Wie stellt sie sich aktuell für Ford dar?
Mittelfristig bleibt Russland ein unbeständiger Markt, doch wir glauben langfristig an das erhebliche Potential dort. Wir sind gut aufgestellt für den Zeitpunkt, an dem sich der russische Markt erholt. Wir arbeiten weiter mit unserem Partner Sollers zusammen, um alle Bereiche des Ford Sollers Joint-Ventures zu verbessern. Im Jahr 2015 wird Ford Sollers insgesamt vier neue Modelle auf den Markt bringen: den neuen Ford Mondeo, den ebenfalls neuen Ford Transit sowie speziell abgestimmte Versionen der aktuellen Ford Focus- und Fiesta-Baureihen. Dies, um den Bedürfnissen des russischen Marktes gerecht zu werden. Ford Sollers wird darüber hinaus den Anteil an lokal produzierten Komponenten und im Land gewonnenen Rohmaterialien erhöhen, um so die Kosten und die Wechselkursabhängigkeit zu reduzieren. Zugleich wird in diesem Jahr auch noch eine lokale Motorenfertigung anlaufen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: War es für Ford nie eine Option, dem Beispiel von GM zu folgen und Russland den Rücken zu kehren?
Nein. Wir stehen zum russischen Markt und glauben an sein Potenzial.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Warum hat Ford mit Blick auf Russland solch einen langen Atem?
Es ist im Moment ein wirklich schwieriger Markt, doch wie gesagt: Das Potential für die Zukunft ist groß. Russland hat 70 Prozent mehr Einwohner als Deutschland, doch die Zahl der Menschen, die ein Auto besitzen, ist immer noch nur halb so hoch wie in Deutschland. Wenn sich die Wirtschaft stabilisiert, ergeben sich große Wachstumschancen – zumal der Altersdurchschnitt der Fahrzeuge mit zwölf Jahren deutlich höher liegt als in Deutschland, wo ein Auto im Schnitt 8,8 Jahre alt ist. Zugleich steht eine Gesetzgebung aus, die die Erneuerung des Fahrzeugbestandes fördert. Russland verfügt über eine größere Mittelklasse als andere BRIC-Staaten, und es ist wahrscheinlich, dass die russische Regierung die ökonomische Diversifikation durch den weiteren Ausbau der heimischen Automobilindustrie auch künftig weiter fördern wird.

Ford war der erste ausländische Automobilbauer in Russland. Wir produzieren dort jetzt seit 13 Jahren Fahrzeuge. Wir denken, es ist wichtig, auf diesem Markt eine langfristige Perspektive zu haben.

AUTOMOBIL PRODUKTION: In den USA schockte Ford mit der Nachricht, die Produktion des Ford Focus und C-MAX in Michigan 2018 auslaufen zu lassen und sie eventuell nach Mexiko zu verlegen. Es scheint, dass es immer schwieriger wird, kompakte Fahrzeuge in den USA zu produzieren. Sollte dies auch Ford in Deutschland beunruhigen? Wenn die USA als Produktionsstandort für kleinere Fahrzeuge zu teuer geworden sind, wie verhält es sich dann mit der Fiesta-Montage in Köln?
Wir stehen zu unserem globalen Fertigungsverbund. Unsere Entscheidung, die aktuell in Michigan angesiedelte Produktion der neuen Generation des Ford Focus und C-MAX ab 2018 zu verlagern, hängt mit der Verbesserung unserer Wettbewerbsfähigkeit zusammen Daher investieren wir dort, wo es für unser Geschäft am meisten Sinn macht.

Das Ford Werk Köln gehört zu den effizientesten Fertigungsstätten der Welt. Im Juni 2014 haben Geschäftsführung und Gesamtbetriebsrat der Ford-Werke GmbH gemeinsam eine innovative Vereinbarung verabschiedet. Diese enthält unter anderem flexiblere Arbeitszeiten und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz. Zusammen mit der hochqualifizierten Belegschaft, einem hohen Maß an Produktivität und der herausragenden Qualität wird damit sichergestellt, dass die Produktion der kommenden Generation des Ford Fiesta international wettbewerbsfähig ist. Durch die vereinbarten Maßnahmen wird das Unternehmen voraussichtlich während der Laufzeit der Vereinbarung von 2017 bis 2021 400 Millonen US-Dollar einsparen können.

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Das Interview führte Frank Volk

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