Hakan Samuelsson, President and CEO Volvo Car Corporation

“Der Diesel ist Teil unserer Strategie und wird es auch weiter bleiben”, erklärt Hakan Samuelsson, President and CEO Volvo Car Corporation im Interview. (Bild: Volvo)

AUTOMOBIL PRODUKTION: Herr Samuelsson, ist der Abgasskandal ein reines VW-Problem oder eines der Autoindustrie?
Das Abgasproblem ist sehr bedauerlich und es wird langfristige Folgen für VW haben. Obwohl keine anderen Automobilhersteller betroffen sind, ist dies nicht gut für das Vertrauen der Kunden in unsere Branche.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sind Sie überrascht über das Ausmaß der öffentlichen Reaktionen auf den Dieselskandal?
Nicht wirklich. Angesichts der Ernsthaftigkeit des Problems war zu erwarten, dass die öffentlichen Reaktionen weitreichend und heftig sein würden, also war es in dieser Hinsicht nicht überraschend.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie wichtig ist der Diesel für Volvo und welche strategische Rolle spielt er in Zukunft?
In der Region Europa haben wir einen großen Dieselanteil, auch aufgrund des Erfolges mit unserer neuen Drive-E-Motorenfamilie, die eine gelungene Kombination von Leistung und Kraftstoffeffizienz bietet. Der Dieselmotor ist ein Teil unserer Strategie und er wird dies auch noch viele weitere Jahre bleiben, allerdings muss man in dem heutigen wettbewerbsorientierten Umfeld in der Lage sein, schnell auf Veränderungen der Marktnachfrage zu reagieren. Dies ist auch ein Grund, warum wir eine Strategie zur Elektrifizierung unserer Fahrzeuge entwickelt haben, die eine zunehmend wichtiger werdende Rolle bei unseren globalen Wachstumsplänen spielt.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Ist der Abgasskandal etwas, das weit von Ihnen entfernt stattfindet oder spüren Sie Auswirkungen?
Wie gesagt, diese Probleme sind nicht gut für das Vertrauen der Kunden in die Automobilindustrie, aber wir haben bisher keine Auswirkungen auf die Nachfrage nach unseren Diesel-Pkw gesehen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Fürchten Sie, dass die Politik auf den Skandal überreagieren könnte und für die Industrie zu scharfe Grenzwerte setzt?
Eine Reaktion, die wir bereits sehen, ist eine erneute Debatte über Methoden, die für Abgasmessungen angewendet werden. Wir sind der Meinung, dass die Kritik an den bisherigen Messmethoden gerechtfertigt ist. Der Vorteil der aktuellen Testmethoden für Abgase besteht darin, dass sie einen einheitlichen Industriestandard bieten, der Vergleiche zwischen den Fahrzeugen ermöglicht. Allerdings arbeitet Volvo gemeinsam mit der gesamten Automobilindustrie an der Entwicklung und Umsetzung neuer Abgastests, die die tatsächlichen Fahrbedingungen im Alltag besser widerspiegeln. Dies ist sowohl im Interesse der Hersteller, als auch der Kunden. Es ist auch verständlich, dass die Regierungen und Kunden regelmäßige Verbesserungen in Bezug auf die Umweltverträglichkeit von Autos verlangen. Das bedeutet, dass wir als Automobilhersteller ständig innovativ sein müssen und neue Technologien entwickeln müssen, die vorteilhaft für die Umwelt sind, ohne die Funktionalität und die Leistung zu beeinträchtigen, die die Kunden von einem Premium-Fahrzeug erwarten.

Zur Person
Man glaubt es ja nicht, es ist aber so: Mit seinen mittlerweile 64 Jahren ist Hakan Samuelsson im Pkw-Geschäft so etwas wie ein Neuling. Zwar gehört der im südschwedischen Motala geborene Manager zu den prägenden Köpfen der Autoindustrie, ins Pkw-Fach wechselte er aber erst mit der Berufung zum Chef von Volvo Cars im Jahr 2012 und nach eigenem Bekunden hatte er nie mehr Spaß in seinem Berufsleben als derzeit. Das will was heißen für einen, der über Jahrzehnte die Truck-Szene mit prägte. Nach dem Maschinenbaustudium am Königlichen Institut für Technologie in Stockholm startete Samuelsson seine steile berufliche Karriere bei Scania. Im Jahr 2000 wechselte er zu MAN und machte sich als Sanierer des Nutzfahrzeugherstellers einen Namen. Von 2005 bis 2009 war Samuelsson Chairman & CEO der MAN AG. Nach seinem Rücktritt nahm der Vater zweier erwachsener Töchter eine Auszeit, bevor er als Volvo-Chef wieder in der Szene zurückkehrte.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Markiert der VW-Skandal den Anfang vom Ende des Diesels? Oder positiv gefragt: Wird die Affäre die bislang schleppende Entwicklung der E-Mobilität beschleunigen?
Wir glauben, dass es einen höheren Anteil von Elektroautos unabhängig von der aktuellen Diesel- und Abgasdebatte geben wird. Dafür sprechen mehrere Faktoren:
Die Technologiekosten sinken graduell im Laufe der Zeit und mit höheren Mengen.
Die Leistung der Batterien verbessert sich ständig und dies bedeutet weniger Kompromisse für den Fahrer.
Die Infrastruktur für das elektrische Aufladen wächst ständig und sie bietet ein kontinuierlich größer werdendes Netzwerk für Fahrer von BEVs (Batterie-Elektrofahrzeugen) und PHEVs (Plug-in-Hybridfahrzeugen).
All dies bedeutet, dass die Akzeptanz der Kunden steigt, was zu einer höheren Nachfrage nach Elektrofahrzeugen führt.
Wir glauben, dass BEVs und PHEVs irgendwann zwischen 2020 und 2025 ein ausreichendes Akzeptanzniveau erreichen werden. Das bedeutet, dass jetzt der Zeitpunkt ist, um damit zu beginnen, das Angebot an Elektrofahrzeugen stärker zu erweitern. Für uns heißt das, dass wir in den nächsten vier Jahren sowohl PHEVs mit Frontantrieb als auch reine BEVs auf den Markt bringen werden. Es ist auch für die Regierungen sinnvoll, weiterhin Anreize zu bieten, um damit die Entwicklung zu beschleunigen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sehen Sie durch die Dieselaffäre und die begleitende Debatte Ihre eigene Strategie bestätigt, frühzeitig auf Elektrifizierung zu setzen?
In ein umfangreicheres Angebot an Elektroautos zu investieren, wurde lange vor der aktuellen Dieseldebatte entschieden. Es ist eine langfristige strategische Entscheidung.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Volvo bietet seine Plug-in-Hybride mit Frontantrieb. Wo liegt der Vorteil gegenüber dem Allrad. Und: Wie wichtig ist die Cloud für die Elektrifizierungs-Strategie?
Ein PHEV mit Frontantrieb ist eine wichtige Ergänzung unseres Portfolios an elektrifizierten Fahrzeugen. Es ist eine kostengünstigere Technik, aber sie bietet dennoch die Vorteile eines reinen Elektroantriebs. Wir fügen dadurch also ein PHEV-Angebot in einer niedrigeren Preisklasse hinzu und dies spricht eine größere Kundengruppe an.
Konnektivität und die Möglichkeit, das Auto mit der Cloud zu verbinden, ist eine entscheidende Technologie, um Funktionen wie Fahrzeug-zu-Fahrzeug- und Fahrzeug-zu-Infrastruktur-Kommunikation zu ermöglichen. Dies sind Werkzeuge, die verwendet werden können, um etwa die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Es ist auch ein wichtiger Teil des Technologiepakets, das autonomes Fahren unterstützt.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Was hat Volvo aus dem Langzeittest mit dem C30 gelernt?
Die Alltagsnutzung einer Testflotte von 250 C30 Elektrofahrzeugen über drei volle Jahre sowie der sich anschließende Einsatz weiterer C30 Electric bei unserem Partner und Lieferanten Siemens haben unseren Wissensstand hinsichtlich der reinen Elektromobilität erheblich erweitert. Dazu zählt das Verständnis der Technik selbst, als auch das Wissen darüber, wie die Fahrer ein Batterie-Elektroauto fahren und verwenden. Die Erkenntnisse aus diesem Projekt waren sehr wertvoll für die nächsten Schritte unserer Elektrifizierungsstrategie.

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Fußballstar Ibrahimovic, Samuelsson: Der im Pkw-Bereich spätberufene Topmanager hat bei allen Herausforderungen viel Spaß in der glitzernden Autowelt. Bild: Volvo

AUTOMOBIL PRODUKTION: Warum bauen Sie das für 2019 angekündigte Elektroauto auf der SPA? Wäre es nicht auch eine Alternative gewesen, das Fahrzeug auf der CMA-Plattform zu fertigen?
Das hat schlicht mit den Verkaufschancen zu tun. Auf der CMA-Architektur bauen wir kompakte und kleinere Autos, auf SPA die größeren. Beide Plattformen wurden von Anfang an auch für BEVs konzipiert. Wir können zum jetzigen Zeitpunkt allerdings nur bestätigen, dass wir ein reines Elektroauto auf SPA-Basis anbieten werden. Denn basierend auf unserer Analyse der zukünftigen Nachfrage, wird ein BEV in dem Marktsegment der größeren Fahrzeuge gefragt sein.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Porsche hat ein 800-Volt-Ladesystem angekündigt. Auch wenn andere nicht so hoch gehen, sind kurze Ladezeiten ein wichtiges Feature für die Elektromobilität, gerade im Premiumbereich. Wie packt Volvo das Problem an?
Abschließend möchte ich das nicht sagen. Aber so viel: Als Ausgangspunkt wird Volvo Cars die geltenden Normen (CHAdeMO und CCS) für das schnelle Aufladen von Elektroautos erfüllen und gleichzeitig die potenziellen zukünftigen Entwicklungen analysieren.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Ein anderes Thema im Zusammenhang mit der Batterie ist die Verfügbarkeit der Aggregate. Im Jahr 2020 soll laut ihrer Strategie jeder zehnte Volvo elektrisch angetrieben sein. Bedeutet, dass Sie rund 80"000 Batterien pro Jahr brauchen. Wollen Sie diesen Bedarf über eine strategische Partnerschaft mit Ihrem derzeitigen Lieferanten LG Chem sicherstellen?
Wir haben eine sehr gute und enge Beziehung mit all unseren Lieferanten, von denen wir Teile für elektrifizierte Modelle beziehen, und wir sind zuversichtlich, dass sie die Mengen bereitstellen können, die wir künftig benötigen. Wir sehen derzeit keine Notwendigkeit für eine Allianz oder Partnerschaft.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wäre es aber nicht hilfreich, eine Batteriefabrik in der Nähe der Fahrzeugproduktion zu haben?
Ich bitte Sie um Verständnis, dass wir dazu heute keine Aussage machen. Außer: Wir arbeiten eng mit Batterielieferanten zusammen, um die Mengen und die Qualität sicherzustellen, die wir benötigen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wann kommt das erste Volvo-Kompaktfahrzeug mit Plug-in-Hybrid? Mit dem Launch des dann auf der CMA-Plattform gebauten neuen V40 im Jahr 2019?
Wir werden Plug-in-Varianten in allen zukünftigen Volvo Baureihen anbieten, also bei den 40er-, 60er- und 90er-Modellen. Plug-in-Antriebsstränge werden ein Teil der Markteinführungen in den kommenden vier Jahren sein.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Die CMA-Plattform ist eine gemeinsame Entwicklung mit Ihrem Mutterkonzern Geely. Sind Plug-in-Hybride von dieser Architektur nur ein Thema von Volvo oder auch eines für Geely?
Das kann Ihnen nur Geely beantworten.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie würden Sie die Beziehung zu
Geely generell beschreiben? Ist Volvo die technologische Speerspitze und Geely nutzt diese dann im Nachgang oder teilen Sie die Technologien von Anfang an?

Grundsätzlich ist es so geregelt, dass Volvo Cars eine eigenständige Rolle innerhalb des Geely Konzerns hat und wir führen unser Tagesgeschäft selbst. Auf strategischer Ebene, also für die langfristige Ausrichtung des Unternehmens, hat Geely Vertreter in den Verwaltungsrat von Volvo Cars geschickt.
Bei der Produktentwicklung werden die zukünftigen Architekturen für Kompakt-Fahrzeuge des C-Segments von Volvo Cars und Geely Auto von CEVT (China Euro Vehicle Technology) gemeinsam realisiert. CEVT ist ein Unternehmen für Technologieentwicklung des Geely Konzerns, das seinen Sitz in der Nähe von Volvo Cars in Göteborg-Lindholmen hat. Das bedeutet, dass in Zukunft einige Basistechniken in den neuen Kompakt-Modellen von Volvo und Geely geteilt werden, um Synergieeffekte zu erzielen, die Markenwerte werden wir jedoch immer getrennt definieren und getrennt halten – mit den in vielerlei Hinsicht entsprechenden Unterschieden bei den Fahrzeugen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Abschließend eine Frage zu Ihrem Flaggschiff XC90. Es gab und gibt in Kreisen von Motorjournalisten ja immer noch heiße Debatten über die Selbstbeschränkung auf 4-Zylinder bei einem so großen Auto. Kritiker werfen Ihnen Bevormundung der Käufer vor und prophezeien ein Scheitern der Strategie insbesondere mit Blick auf die USA. Wie sind Ihre Erfahrungen nachdem der XC90 ein paar Monate im Markt ist?
Der Absatz des neuen Volvo XC90 hat seit der Markteinführung weltweit unsere Erwartungen übertroffen. Die Reaktionen der Kunden auf das Auto waren ausgezeichnet. Dazu zählen auch Rückmeldungen zu der neuen Vierzylinder-Motorenfamilie. Unsere Strategie wurde weitgehend angenommen und ich glaube, dass unsere Kunden schätzen, was wir kommuniziert haben: Es ist Zeit, dass wir aufhören, die Zylinder zu zählen. Manche Kunden denken vielleicht anders, aber andererseits haben wir auch neue Kunden gewonnen, die den Volvo XC90 speziell wegen des Motors gekauft haben, und sie haben deshalb andere Marken aufgegeben.

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Das Interview führten Frank Volk und Gabriel Pankow

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