Sri Lanka - ein Inselstaat rund 20 Kilometer südlich von Indien mit knapp 21 Millionen Einwohnern. Schwül ist es hier; sehr schwül. Wer bis dato nur europäische Gefilde kannte, wird während seines Aufenthaltes mehr Schwitzen als bei seinem härtesten Sportevent. Ein klimatisiertes Auto wird da zur reinsten Wohlfühloase. Vorausgesetzt, die Klimaanlage funktioniert und am rechts positionierten Lenkrad sitzt ein einheimischer Fahrer. In Sri Lanka herrscht Linksverkehr - besser gesagt die meisten Autos fahren auf der in Fahrtrichtung gesehenen linken Fahrspur. Der Begriff Verkehr würde eine gewisse Ordnung assoziieren. Und wenn etwas hier in Sri Lanka nicht geordnet abläuft, dann ist es das Chaos auf den Straßen. Wer schon daheim im gewohnt geradlinig verlaufenen Verkehr die Segel streicht und bei jedem dichten Auffahren oder Angehuptwerden zu den Herztabletten greifen muss, kommt um den Luxus eines Fahrers nicht umhin. Hartgesottene, das Chaos entweder liebende oder vermeintlich durchschauende Autofahrer lassen sich von solch Zuständen nicht verängstigen und versuchen ihr Glück selbst am Lenkrad.

Grundvoraussetzung für den Selbst-Fahr-Versuch in Sri Lanka ist mit den Worten des ADAC "eine Erlaubnis, die auf der Grundlage des internationalen Führerscheins von der Automobile Associaton of Ceylon (AAC) in Colombo, 40 Sir M.M.M. Mawatha, Colombo 3, gegen Gebühr ausgestellt wird. Wer keinen internationalen Führerschein hat, benötigt eine vorübergehende Fahrerlaubnis, die gegen Vorlage des nationalen Führerscheines und zweier Lichtbilder beim Department of Motor Traffic (RMV), 341 Alvitigala Mawatha, Colombo 08, Narahenpita, zu beantragen ist. Die Erlaubnis ist gebührenpflichtig." Und eines noch: "Für Selbstfahrer beträgt das Mindestalter 25 Jahre, das Höchstalter 65 Jahre." Sind all diese Hürden gemeistert und das Höchstalter liegt noch ein paar Tage in der Ferne, darf sich um den Mietwagen gekümmert werden. Hierzu darf angemerkt werden, dass es einige Vermieter gibt, die die Organisation der Fahrerlaubnis übernehmen. Im Zweifel besser, als in Colombo in der Schlange anzustehen.

Schon die ersten Sekunden im Fahrersitz, der von der Sonne auf Saunatemperatur erhitzten wurde, auf der rechten Seite des Fahrzeugs ist für den einen oder anderen äußerst gewöhnungsbedürftig. Der Blinker sitzt dort, wo der Scheibenwischer wäre und umgekehrt. Gehässige Mitfahrer schließen Wetten ab, wie oft die Wischerblätter bei schönstem Sommerwetter über die Windschutzscheibe schrubben. Die Krönung kommt noch vor dem Anlassen des Mietwagen-Motors: Hier wird manuell geschaltet - mit der linken Hand. Sich stets am linken Straßenrand orientierend, denn Mittelstreifen existieren nur in den Großstädten oder auf der einen Autobahn, die von Colombo 143 Kilometer weit in den Süden führt, wird das Linksfahren schnell zur Normalität. Das Schalten ist auch nicht allzu wild, da zumeist in den unteren drei Gängen gefahren wird. Lediglich der blöde Scheibenwischer sorgt für regelmäßiges Gelächter.

Busse sind die Könige der Straße

Mit den Straßennamen-Schildern verhält es sich wie mit den Mittelstreifen: In Großstädten ja, ansonsten nein. Wer sich nicht extra ein Navigationssystem mieten oder kaufen möchte, dem sei der Tipp ans Herz gelegt, sich kostenlos bei Google Maps sein Reisegebiet als Offlinekarte auf sein Smartphone herunterzuladen. Die Genauigkeit ist für solch ein Gebiet überraschend hoch. Dem Navi und seinen Fähigkeiten vertrauend geht es also ins Verkehrschaos. Sollte laut Google Maps die Nutzung der Autobahn in puncto Kilometeranzahl einen horrenden Umweg bedeuten, laut Zeitangabe aber für ein schnelleres Ankommen genutzt werden, ist dem ohne groß an den Sprit zu denken Folge zu leisten. Denn in Sri Lanka können Nebenstraßen zu wahren Zeitlöchern werden, in denen schon viele Urlaubsstunden einfach so verschwunden sind.

Das liegt zum einen an der Masse an unterschiedlichsten Verkehrsteilnehmern. Vom schwächsten Teilnehmer, dem menschlichen Fußgänger, über Katzen, Hunde, heilige Kühe, Fahrrad-, Moped-, Motorrad-, Tuk Tuk-, Auto-, Lkw-Fahrern bis hin zur Speerspitze, den Busfahrer, ist nahezu alles auf den Straßen unterwegs, was sich auch nur irgendwie bewegen kann. Das gilt sowohl tagsüber als auch nachts. Und wer glaubt, dass zumindest die motorisierten Fahrzeuge dann beleuchtet sind, der irrt leider gewaltig. Zum anderen liegt ein Zeitverlust daran, dass die Straßen über solch tiefe Schlaglöcher oder sonstige Hindernisse verfügen können, dass an einigen Stellen nicht schneller als Schritttempo gefahren wird. Sollte es gerade zu Überschwemmungen gekommen sein, fallen zudem auch schon mal ganze Straßenzüge einfach weg. Ganz wichtig bei all den Schlangenlinien, die zwangsläufig gefahren werden müssen, ist es, sich von den nicht abgedeckten Abwasserrinnen am linken Straßenrand fernzuhalten. Wer dort hineinrauscht, kommt schlicht weg nicht mehr allein dort hinaus.

Religion hilft

Dass es Situationen gibt, in denen dieses Festfahren weit entfernt vom automobilen Super-GAU zu sein scheint, wird deutlich, wenn die erste vis-a-vis-Begegnung mit einem Bus ansteht. Was bei Tag schon recht ehrfurchteinflößend wirkt, wird bei Nacht zum wahren Nahtoderlebnis. Wenn vier Scheinwerfer auf der eigenen Fahrspur zu einem einzigen Fernlichtgewitter verschmelzen und sich rasend schnell nähern, dürfen zur Abwechslung auch mal die Scheibenwischer eine Runde trocken laufen - da lacht niemand mehr. Das Schöne nach ein paar dieser Begegnungen ist, dass eine gewisse Logik auszumachen ist. Das Schlechte ist, dass trotz des Durchschauens des Chaos dennoch die Wahrscheinlichkeit sehr groß ist, nicht lebend aus solch einem Aufeinandertreffen herauszufahren. Auf 100.000 Einwohner kommen laut einer WHO-Verkehrsstatistik von 2013 in Sri Lanka jährlich 17,4 Verkehrstote, was wiederum rund 3.500 Toten pro Jahr entspricht. Zum Vergleich: In Deutschland kommen jährlich nahezu genauso viele Menschen im Straßenverkehr ums Leben. Allerdings leben in der Bundesrepublik auch viermal so viele Menschen. Hierzulande liegt die Quote bei 4,3 Toten pro 100.000 Einwohnern. Dass es mit 24.000 Verkehrstoten auch schlimmer kommen kann, zeigt das 61 Millionen Einwohner zählende Thailand. Solche Statistiken helfen aber natürlich nicht, wenn gerade ein Bus auf einen zuhält. Wird in Deutschland gern gegenüber dem Nachbarland gefrotzelt "Was bekommt ein Niederländer, wenn er durch die Führerscheinprüfung rasselt? Ein gelbes Nummernschild!", so scheint Vergleichbares in Sri Lanka zu gelten. Nur, dass diese Chaoten den Job eines Busfahrers angeboten bekommen. Dabei ist jedoch anzumerken, dass diese Könige des Straßendschungels die Dimensionen ihres gewaltigen Gefährts besser kennen als so manch Kleinstwagenpilot in unseren Breiten.

Die augenscheinliche Logik in solch Situationen besteht in der Anzahl des akustischen und optischen Hupens, sprich Lichthupens. Befindet sich ein weiterer Verkehrsteilnehmer hinter dem eigenen Fahrzeug und hupt zweimal, heißt das: "Ich überhole jetzt." Nur zum Verständnis: Es heißt nicht "Ich werde gleich oder ich will überholen." Denn unabhängig von der Verkehrs- oder Straßensituation vor einem selbst: es wird überholt. Warum? Weil er glaubt, schneller zu sein. Was der deutsche Autofahrer erst lernen muss, ist den Singhalesen offenbar per Religion, in diesem Falle Buddhismus, in die Wiege gelegt worden: Ruhe bewahren und fest dran glauben beziehungsweise wissen, dass alles gut wird. Und damit solche Situationen auch wirklich gut ausgehen, wird an einigen Tempeln gehalten, Geld in eine postschlitzähnliche Aussparung geworfen und gebetet. Bei Situationen wie dem wiederholten Lichthupsignal von vorn, egal ob bei Tag oder bei Nacht, wünscht sich der Fahrer nicht nur einmal "Hätte ich doch ein wenig mehr in den Schlitz geworfen." Denn nun heißt es: "Danke, dass Du ausweichst. Denn: Ich bin auf Deiner Fahrspur unterwegs und überhole gerade." Sich aufzuregen macht auch hier wieder keinen Sinn. Also ausweichen und den Entgegenkommenden vorbeirasen lassen.

Wobei das mit dem Rasen in Sri Lanka auch so eine Sache ist. Außerhalb von Ortschaften darf 75 und innerhalb 56 Kilometer pro Stunde gefahren werden. Auf der einzigen Autobahn im Lande ist sogar Tempo 100 erlaubt. Was in Anbetracht der dort lauernden Gefahren in Form von Pfauen, Leguanen und einer sehr hohen Anzahl an Elektroautos fast schon zu schnell ist. Letzteres ist darauf zurückzuführen, dass der Inselstaat beschlossen hat, "den Import von Elektroautos zu erleichtern und das Ladestationen-Netz auszubauen", wie Indika Sampath Merenchige, Präsident der Importeurs-Vereinigung VIAL schon 2014 mitteilte. Da die Qualität der Autobahn aber recht hoch ist, wurden hier aber auch schon deutlich höhere Geschwindigkeiten gemessen. Von wem? Von der Polizei natürlich. Sollte es einmal zum Fall der Fälle kommen und es kommt zum Zwiegespräch zwischen dem europäischen Urlauber und dem Dorfsheriff, hilft eigentlich nur eines: Nett grinsen, Bargeld zücken und ruhig weiterfahren. Diskussionen führen lediglich ins Büro des Sheriffs - und der hat im Zweifel viel Zeit. Wird sich hingegen zumindest an die Höchstgeschwindigkeiten gehalten, kann das Mitschwimmen im Fahrzeug-Schwarm am Ende sogar durchaus Spaß machen. Das Problem daran wiederum ist allerdings, dass es einige Tage der Resozialisierung daheim in Europa benötigt, um nicht gleich als Outlaw in die Geschichte der örtlichen Polizei einzugehen.

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