GM hat mit Chevrolet Großes vor. Die ehemalige Billig-Marke soll in den nächsten Jahren zum sportlichen Ableger verwandelt werden. Also in Zukunft Corvette und Camaro anstatt Cruze und Aveo. Das Potenzial ist auf alle Fälle vorhanden. Schließlich Camaro nicht zuletzt seit den erfolgreichen Transformer-Filmen, bei denen das Maschinenwesen Bumblebee (Hummel) als gelblackiertes Coupé unterwegs ist. Doch im Chevrolet-Sport-Universum gibt es eine Nemesis: Ford. Der Mustang ist der Erzfeind des Camaros, die Meßlatte, an dem sich das Chevy-Coupé seit jeher misst. Der Konkurrent aus Dearborn Michigan spielt auch im Vokabular Al Openheisers eine große Rolle. Besser als der Mustang soll der neue Camaro sein, sagt der Chef-Entwickler, der mit seinem buschigen Vollbart und seiner Lockenpracht aussieht, als ob man ihn bei einem Hard-Rock-Festival treffen könnte.

Bei den Farb-Bezeichnungen hat Chevrolet das Duell schon gewonnen. Ein Lack-Ton heißt "Teufelskerl-Grau" (Son of the Gun Grey) und das Rot "Auf frischer Tat erwischt" (Caught Red Handed). Diese Kreativität der amerikanischen Verbal-Akrobaten setzt die Ingenieure gehörig unter Druck, denn bei so einer Namensgebung, muss das Produkt einiges können. "Wir haben den Camaro intensiv auf der Autobahn und der Nordschleife getestet", erklärt Al Openheiser. Der Eifel-Ritterschlag wird mittlerweile bei fast jedem sportlichen Auto ins Feld geführt, doch beim neuen Camaro gibt es tief greifende technische Änderungen, die sich positiv auf die Fahrdynamik auswirken. Die Architektur stammt vom Cadillac ATS / CTS und beschert dem Chevy eine 100-Kilogramm-Diät gegenüber dem Vorgänger. Dazu kommen eine neue Hinterachse und der 6.2-Liter-V8-Motor mit 333 kW / 453 PS (interner Code LT-1).

Im Vergleich zur Corvette ist das Small-Block-Hubraum-Monster im Camaro nicht so krawallig unterwegs, wirkt beim Herausbeschleunigen aus dem Drehzahlkeller etwas pomadig, sägt sonor unter der langen Motorhaube vor sich hin und will mit häufigen Gangwechseln bei Laune gehalten werden. Da das knackige manuelle Sechsgang-Getriebe mit kurzen Wegen und einer präzisen Führung überzeugt, bereitet die notwendige Handarbeit aber richtig Freude. Die Chevrolet-Techniker haben sich noch ein Extra einfallen lassen: Mit einem Zug an einem der beiden Wippen hinter dem Lenkrad bekommt das Getriebe bei jedem Runterschalten automatisch einen herzhaften bollernden Zwischengas-Stoß spendiert. Der Rest des Pakets überzeugt ebenfalls: Die elektromechanische Lenkung setzt die Befehle des Fahrers präzise um und gibt unmissverständlich Rückmeldung über den Straßen- und Traktionszustand.

Mehr Assistenzsysteme

Das Camaro V8 Coupé ist ein gelungenes Auto. Nicht ganz so direkt, so spitz und so unmittelbar, wie ein BMW M4, aber mit einem Grundpreis von 45.900 Euro um 27.400 Euro billiger als der Münchner und 2.900 Euro teurer als der Mustang. Für diese Summe bekommt einen Sportwagen, der dem Ford das Leben sehr schwer macht. Ein mechanisches Sperrdifferenzial hilft beim Carven und die bequemen Sportsitze fixieren den Piloten auch bei schnellen Kurven. Da der Asphalt-Tanz ein Spiel mit Kraft und Gewichten ist, hilft es, dass der neue Camaro knapp 100 Kilogramm leichter als der Vorgänger ist. Schließlich zählt beim Tanz nahe des Grenzbereichs jedes Gramm. Kraft ist ohnehin genug vorhanden. In 4,6 Sekunden brüllt sich die V8-Rakete zur 100-km/h-Marke, rennt weiter bis zu 290 km/h und soll im Durchschnitt 12,8 Liter pro 100 Kilometer verbrauchen. Wir waren positiv überrascht, als der V8-Motor bei unseren Testfahrten mit zehn Litern pro 100 Kilometer einen gemäßigteren Durst hatte. Das Infotainment ist ebenfalls verbessert, auch wenn es nicht die Perfektion der deutschen Konkurrenz erreicht: Apple Car Play und Google Auto helfen beim Einbinden des Smartphones. Das Navigieren durch die verschiedenen Menüs bedarf keiner großen Erklärung und da der Acht-Zoll-Touchscreen leicht nach unten geneigt ist, sind die Anzeigen auch bei der hochstehenden Sonne vernünftig ablesbar.

Der Technik-Transfer von Cadillac beschert dem Camaro viel Zeitgemäßes, wie den Toter-Winkel-Assistenten oder das Head-Up-Display. Was man aber weder für Geld noch gute Worte bekommt, sind Parksensoren vorne, aber gerade die wären bei der langen Motorhaube hilfreich. Auf diesen Malus angesprochen, verweis Al Openheiser auf den harten Preiskampf, die großen Parkplätze in den USA sowie auf die Vorlieben der dortigen Camaro-Fahrer. Die bewegen das Auto oft auf der Rennstrecke und wollen nicht zu viel Technik. Den Innenraum haben die Amerikaner deutlich aufgewertet. Lederverkleidungen und eine mit 24 Farben individuell einstellbare Ambiente-Beleuchtung sorgen für eine behagliche Stimmung. Trotzdem ist der Hartplastik-Anteil noch recht hoch und die Verarbeitung nicht immer über jeden Zweifel erhaben. Wie das Cockpit in fünf Jahren ausschaut, bleibt abzuwarten. Da der Camaro kürzer ist, als der Vorgänger, ist die Rückbank nicht für Erwachsene geeignet. Dafür lässt sich der für einen Sportwagen üppige Kofferraum nicht lumpen.

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