Vor über 20 Jahren revolutionierte das Nokia 2110 die Welt der Mobiltelefone. Zuvor waren die portablen Kommunikationseinheiten von Motorola, Samsung, Alcatel und auch Nokia klobig, unansehnlich und schwer zu bedienen. Zugegeben: auch der Vorgänger Nokia 1011 war kein Technik-Beau. Doch mit dem Nokia 2110 und dem später verbesserten Nachfolger 2110i wurde alles besser - und der Markt der Mobiltelefone ganz nebenbei neu definiert. Das gelang auch dem Nissan Leaf; insbesondere in den USA. Als er 2010 auf den Markt kam, standen die Kunden Schlange in den Autohäusern und wollten das erste Elektroauto, das einen vertretbaren Verkaufspreis mit einem realen Alltagsnutzen kombinierte. Doch mit dem Tesla Model S, dem vermeintlich stylishen iPhone auf Rädern, fuhr der Leaf in die zweite Reihe wie einst die Nokia-Telefone.

Mit der aktuellen Modellpflege will Nissan zeigen, dass der 4,45 Meter lange Leaf von seinem Elektrocharme nichts verloren hat. Er ist kein Blender; durchaus schick und im Vergleich zu anderen Autos mit Verbrennermotor weitgehend normal anzuschauen. Dabei legt er viel Wert auf Praktikabilität und bietet diesen Alltagsnutzen zu einem vergleichsweise fairen Preis. Mit dem neuen, auf 30 kWh vergrößerten Akkupaket kostet der Nissan Leaf in der Ausstattungsvariante Acenta 34.385 Euro. Sinnvoll, gleich 2.400 Euro mehr für das Topmodell Tekna anzulegen, das unter anderem Navigationssystem, beheizte Ledersitze und LED-Scheinwerfer bietet. Nissan will einen dabei auf Gedeih und Verderb in eine Batteriemiete zwingen, denn wer das Akkupaket mietet statt kauft, bezahlt pro Leaf gleich rund 6.000 Euro weniger. Für die Batteriemiete kommen je nach Fahrleistung (12.500 bis 25.000 km) zwischen 79 und 142 Euro im Monat hinzu.

Ähnliche Taschenspielertricks hatte Nokia bei der Einführung seines schicken 2110 Mitte der 90er Jahre ebenfalls nötig. Das Telefon hatte entweder einen stark subventionierten Preis mit Mobilfunkvertrag oder einen deutlich höheren ohne Vertragsbindung. Und auch das Nokia 2110 war nach seinen Überarbeitungen besser. Wer wollte, bekam ein dickes Akkupaket für deutlich mehr Haltbarkeit und ausgebeulte Hosentaschen. Paul Willcox, Chairman Nissan Europe: "Für viele europäische Kunden, denen bislang noch ein wenig Vertrauen in die Welt der Elektroautos fehlte, wird der Leaf mit 250 Kilometern Reichweite nun zur ersten Wahl." Auf den Akku gibt es acht Jahre oder 160.000 km Garantie.

Wohnlich und warm

Durch das neue Akkupaket kommt die Reichweite des Elektromodells endlich in Dimensionen, die ihn gefährlich für andere Kompaktklassemodelle machen. Mit vollgeladenem Akkupaket sind nunmehr bis zu 250 Kilometer drin. Am Antriebspaket des Japaners hat sich dabei nichts geändert. Der Elektromotor unter der Motorhaube leistet unverändert etwas schmale 80 kW / 109 PS. Doch wer nicht allzu viel Dynamik verlangt, kommt damit zumindest in der Innenstadt und dem Umland locker aus. Immerhin schafft der Fronttriebler mit seinen 255 Nm maximalen Drehmoment 144 km/h Höchstgeschwindigkeit bei angezeigtem Tacho 161 und ein weitgehend bedeutungsloses Beschleunigungspotenzial 0 auf 100 km/h in 11,5 Sekunden.

Die Fahrwerksabstimmung ist so, wie man diese von einem Kompaktklassemodell ohne sportlichen Attribute erwartet. Unebenheiten in der Fahrbahn werden artgerecht überrollt und nur grobe Unebenheiten schlagen nennenswert in den Innenraum durch. Die elektrische Servounterstützung mag beim Einparken dagegen vielleicht zarten Damenhänden gefallen; im Fahrbetrieb ist sie indifferent, zu leichtgängig und ungenau. Wer flott oder gar schnell unterwegs ist, wird sich auch im 1,5 Tonnen schweren Nissan Leaf schnell die Haare raufen, denn dann ist es mit einer realen Reichweite von 200 Kilometern oder mehr nicht weit her. Der Expresszuschlag schlürft auch dem vergrößerten 30-kWh-Akkupaket seine Leistungsfähigkeit im Nu leer. Daher lieber Fuß vom Gas.Wer rund, vorausschauend und trotzdem allemal flott durch die Lande reist, wird das Reichweitenplus gerade im gezügelten B-Fahrmodus schnell zu schätzen wissen, auch wenn er mit alltäglichen Verbrauchern wie Sitzheizung oder Klimaautomatik unterwegs ist. Nissan bemüht sich, den Innenraum des Leaf auch für die kalte Jahreszeit wohnlich zu gestalten. So gibt es elektrische Heizungen für Lenkrad, vordere und hintere Sitze. Weshalb sich die hinteren Sitze nur kombiniert beheizen lassen und der Schalter sinnfrei an der Rückenlehne des rechten Vordersitzes thront, bleibt ein japanisches Mysterium.

Ansonsten passt der Innenraum. Vorausgesetzt, man ist nicht von hühnenhaftem Wuchs, denn die zu hoch positionierten Frontsitze - verursacht durch das Akkupaket im Fahrzeugboden - sorgen in Verbindung mit dem kleinen Verstellbereich des Lenkrades nicht nur auf längeren Fahrten für Komforteinbußen. Besser gefallen das Platzangebot, das weitgehend Extravaganz-freie Interieur und eine gute Geräuschdämmung. Der 370 Liter große Laderaum lässt sich durch Umlegen der Rücksitzbank auf bis zu 911 Liter erweitern. Immer im Kofferabteil dabei: das Onboard-Ladekabel, dass das Elektromobil wahlweise mit 3,3 oder 6,6 kWh (1.047 Euro Aufpreis) in vier bis sieben Stunden erstarken lässt. Praktikabler ist das Schnellladesystem mit 50 kWh, das den Akku in einer halben Stunde wieder auf 80 Prozent seiner Leistung bringt. Wie sehr der aufgefrischte Nissan Leaf um jeden Energiebrocken kämpft, sieht man daran, dass für 300 Euro ein Solarheckspoiler erhältlich ist, der Radio, Heizung und Klimaautomatik zusätzlich mit Lichtenergie versorgt. Bei allem Hightech und dem Charme, ein ganz normales Alltagsauto zu sein, patzt der Nissan Leaf dabei im Sektor Fahrerassistenz. Da ist abgesehen den ABS, ESP und Kameras rundum nicht viel zu bekommen.

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