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Gespanntes Warten bei VW: In Wolfsburg dürfte auch Konzernchef Matthias Müller gespannt hinhören, was der gestrenge Richter Breyer im Abgasskandal auf den Tisch bringt. (Bild: VW)

Vor einem Monat durfte VW in der Affäre um manipulierte Abgaswerte ausnahmsweise mal etwas aufatmen - doch mittlerweile steigt der Druck wieder. Ein erster Kompromiss brachte zwar einen wichtigen Teilerfolg im US-Massenverfahren. Aber vieles blieb zunächst ungeklärt. Bald muss Klarheit herrschen. Der zuständige US-Richter Charles Breyer fordert bereits an diesem Dienstag (24. Mai) einen Zwischenbericht. Und viel Zeit bleibt nicht mehr, um die entscheidenden Einzelheiten auszuhandeln.

Klagen in San Francisco gebündelt

Breyer spielt die vielleicht entscheidende Rolle bei der Entscheidung, wie teuer der Abgas-Skandal für VW in den USA wird. An seinem Bezirksgericht in San Francisco sind sämtliche Klagen gegen VW im Abgas-Skandal gebündelt: Vom enttäuschten VW-Fahrer bis hin zur Milliardenklage des US-amerikanischen Staates. Nachdem sich VW und die US-Behörden im April auf die grobe Richtung für eine Einigung verständigt haben, könnte es jetzt konkreter werden. Hinter den Kulissen wird um die Details eines Vergleichs gefeilscht. Die öffentliche Anhörung dürfte zeigen, ob und inwieweit sich der deutsche Autobauer inzwischen mit den Klägern annähern konnte.

Grundzüge eines Kompromisses hatte Richter Breyer im April bereits skizziert: Ein Teil der 580.000 manipulierten Dieselautos in den USA dürfte in die Werkstätten zurückgerufen werden, einen Teil wird der Konzern vermutlich zurückkaufen müssen. Welcher Anteil wie groß ist, wird maßgeblich bestimmen, wie teuer es für VW wird. Die Wolfsburger werden außerdem "substanziellen Schadenersatz" an die Besitzer zahlen müssen, auch Strafzahlungen stehen noch im Raum. Bislang lassen sich VW und die US-Regierung bei ihren Verhandlungen aber kaum in die Karten schauen. Um einen Schlussstrich unter das Massen-Verfahren ziehen zu können, reicht jedenfalls keine Grundsatzeinigung. Es muss ein in allen Einzelheiten verbindlicher Vergleich geschlossen werden.

Wie teuer es für VW wird, ist noch immer schwer absehbar. Die Wolfsburger müssen sich mit diversen Parteien einigen. Neben dem US-Justizministerium, das im Auftrag des Umweltamts EPA geklagt hatte, pochen Hunderte Dieselbesitzer, einige Autohändler und die US-Handelsbehörde FTC auf Wiedergutmachung. Als weitere Risikofaktoren kommen Ermittlungen der Staatsanwaltschaften verschiedener Bundesstaaten hinzu und strafrechtliche Untersuchungen der US-Justiz. Der Konzern hat vorerst 16,2 Milliarden Euro wegen des Skandals zurückgelegt, was ihm bereits den größten Verlust seiner Geschichte einbrockte. Ob die Summe ausreicht, ist fraglich. Nord-LB-Experte Frank Schwope rechnet derzeit mit Gesamtkosten von 20 bis 30 Milliarden Euro.

Ultimatum bis 21. Juni

Richter Breyer hat ein Ultimatum gesetzt: Bis zum 21. Juni müssen die Einzelheiten geklärt sein. Die Zeit drängt also, auch wenn die formal als «Status-Konferenz» angesetzte Anhörung zunächst nur einen Zwischenstand liefern soll. In der vorgeschlagenen Tagesordnung, die die Streitparteien bereits einige Tage im Voraus beim Gericht einreichen mussten, ist zudem ein wichtiger Aspekt ausgeklammert, der durchaus noch Konfliktpotenzial bergen könnte. Denn die prinzipielle Einigung zwischen VW und den Klägern betrifft bislang nur die mit Betrugssoftware zum Austricksen von Abgastests ausgestatteten kleineren Dieselmodelle mit 2,0-Liter-Motoren.

Die Frage nach der Umrüstung und Entschädigung bei etwa 85.000 größeren Dieselwagen ist im Mammut-Rechtsstreit noch ungeklärt. Die Modelle - Geländewagen wie VW Touareg oder Porsche Cayenne - haben von Audi entwickelte 3,0-Liter-Motoren. Die Konzerntochter hat zwar eingeräumt, dass auch in diesen Motoren eine in den USA verbotene Software steckt - eine vorsätzliche Täuschung streitet Audi aber ab. Vergangene Woche widersprachen die Konzernanwälte der Klage der US-Justiz in mehreren Punkten. Beide Seiten spielten den Vorgang zwar herunter. «Wir glauben nicht, dass das einen Einfluss auf die laufenden Verhandlungen haben wird», sagte ein Sprecher des Justizministeriums. Das beteuerte auch VW. Dennoch gibt es hier vorerst noch eine offene Baustelle und damit ein Risiko.

Falls die Suche nach einem Kompromiss scheitert, könnte Breyer den bereits als abgewendet erscheinenden Prozess gegen VW dann doch noch eröffnen. Damit würde für den Konzern, der bereits ein Schuldeingeständnis in der Affäre um frisierte Emissionswerte abgegeben hat, ein herber Kontrollverlust einhergehen. Der Mega-Rechtsstreit droht dann zu entgleiten und für VW noch teurer zu werden. Das Gericht hätte zudem die Möglichkeit unter Strafandrohung anzuordnen, sämtlichen vom Skandal betroffenen Fahrzeugen die Zulassung zu entziehen. Dass die prinzipielle Einigung sich zerschlägt, gilt derzeit allerdings als unwahrscheinlich. Spätestens Ende Juli dürfte es zum Showdown kommen: Dann will Breyer verkünden, ob der Prozess tatsächlich mit einer Einigung abgewendet ist.

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dpa