VDA Matthias Wissmann

VDA-Präsident warnt vor einem Domino-Effekt infolge des Brexits. (Bild: VDA)

„Die Entscheidung der Briten fiel knapp aus. Dennoch: Jetzt muss Europa erst recht zusammenstehen, damit ein möglicher Dominoeffekt vermieden wird. Es muss alles getan werden, um den bislang ungehinderten Waren- und Dienstleistungsverkehr zwischen Großbritannien und den anderen EU-Ländern auch künftig zu ermöglichen. Auch nach dem ‚leave‘ überwiegen für Großbritannien die Vorteile des freien Warenverkehrs mit dem Kontinent“, sagte Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA).

Wissmann mahnte zur Mäßigung: „Auch wenn sich viele ‚Experten‘ mit Krisenszenarien gegenseitig übertreffen wollen – jetzt ist Besonnenheit gefordert“, betonte Wissmann. Der VDA-Präsident rechnet allerdings mit einer „Phase der Unsicherheit“, die für die Industrie alles andere als hilfreich sei. Dies gelte sowohl für die Finanz- und Devisenmärkte als auch für die Auswirkungen auf den Waren- und Dienstleistungsverkehr.

„Brüssel muss aus dem Votum die richtigen Schlüsse ziehen. Das gemeinsame Europa muss für seine Mitglieder attraktiver werden. Wir brauchen mehr Transparenz und wirklich ‚better regulation‘. Und wir brauchen auch eine angemessene Aufgaben- und Lastenverteilung in der EU“, sagte Wissmann. Der Kerngedanke des Binnenmarktes müsse wieder in den Mittelpunkt gerückt werden. Jede Regulierung benötige Augenmaß und müsse die Frage der Wettbewerbsfähigkeit Europas berücksichtigen. „Die EU darf nicht zu einer Gemeinschaft der ständigen Transferzahlungen oder gar zu einer Transferunion werden“, unterstrich Wissmann.

Er wies darauf hin, dass Großbritannien für die deutsche Automobilindustrie das weltweit größte Exportland ist. Im vergangenen Jahr wurden 810.000 Pkw, die in Deutschland vom Band liefen, nach Großbritannien ausgeführt. Der britische Pkw-Markt erreichte 2015 ein neues Rekordniveau mit einem Volumen von 2,6 Millionen Neuwagen. Jeder zweite davon (1,3 Mio.) zählt zu einer deutschen Konzernmarke.

„Nach einem EU-Austritt sollte niemand Interesse daran haben, mit Zollschranken zwischen Großbritannien und dem Festland den internationalen Warenverkehr zu verteuern“, sagte Wissmann. Dabei ist der britische Automobilmarkt in hohem Maße auf Importe angewiesen: 86 Prozent der Pkw-Neuzulassungen sind Autos, die nicht in Großbritannien produziert, sondern importiert wurden. Ein Großteil davon kommt aus EU-Ländern.

Gleichzeitig ist UK aber auch exportstark: Von den knapp 1,6 Mio. Pkw, die 2015 in Großbritannien gefertigt wurden, gingen gut 1,2 Mio. Einheiten – also drei Viertel – in den Export. Die anderen EU-Länder sind dabei Hauptabnehmer, gut jedes zweite exportierte Auto (57 Prozent) fand dort seinen Käufer.

Zudem produzierten die deutschen Automobilhersteller 2015 in Großbritannien rund 216.000 Pkw (+11 Prozent), im bisherigen Jahresverlauf gibt es ein Plus von 9 Prozent. Mit rund 100 Standorten sind deutsche Automobilunternehmen, darunter sehr viele Zulieferer, in Großbritannien vertreten. Seit 2010 hat sich die Zahl der Standorte um 30 Prozent erhöht. „Wir sollten alles daran setzen, dass diese Erfolgsstory fortgeschrieben werden kann. Nun ist Brüssel gefordert“, sagte Wissmann.

 

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