Thai-Tang, Group Vice President Global Purchasing, und Birgit Behrendt, Vice President Global Programs & Purchasing Operations, bei der Ford Motor Company.

“Unser Plan ist, die D-Plattform zu konsolidieren. Die werden wir wohl einsparen”, erklären Hau Thai-Tang, Group Vice President Global Purchasing, und Birgit Behrendt, Vice President Global Programs & Purchasing Operations, bei der Ford Motor Company. (Bild: Ford)

AUTOMOBIL PRODUKTION: Herr Thai-Tang, können Sie mir einen aktuellen Überblick über Ihre Einkaufsprogramme geben?
Eines unserer grundlegenden Programme, mit dem wir mittlerweile bereits seit sieben Jahren erfolgreich arbeiten, ist das sogenannte Aligned Business Framework (ABF). Dieses Programm zielt ab auf die Schaffung und Pflege langfristiger strategischer Partnerschaften mit den wichtigsten Lieferanten und ist zwischenzeitlich auf 106 ABF-Zulieferer angewachsen. Wir haben ca. 1.100 aktive übergeordnete Lieferanten in unserer Beschaffungsbasis für Fertigungsteile. Auf diese führenden 106 ABF-Zulieferer entfallen über 65% des Gesamtumsatzes. Schon dies allein macht den hohen Stellenwert des Programms für diese Zulieferer deutlich, deren hohes Maß an Marktdurchdringung eng verzahnt ist mit unserem weltweite Umsatz, und der in jedem Fall das Ergebnis unserer langfristigen strategischen Partnerschaft ist.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Ist das Ihre Glückszahl und wollen Sie bei den 106 ABF-Zulieferern bleiben?
Wir haben natürlich keine festgeschriebenen Zahlen. Aber wir wollen auf jeden Fall diejenigen Zulieferer ausfindig machen, die wir für uns als strategisch wichtig erachten. Wenn es für uns sinnvoll ist, derartige langfristige Beziehungen in Fällen zu pflegen, in denen wir eine Vielzahl eigentumsrechtlich geschützter Informationen über zukünftige Produktpläne sowie unsere Strategie für Fertigungsstandorte an ABF-Zulieferer weitergeben müssen, macht es natürlich Sinn, dass sie quasi als Gegenleistung mit uns zusammenarbeiten und uns Zugang zu Innovationen und neuen Technologien gewähren, die für uns entscheidend für die Markeinführung hochinnovativer Produkte sind.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Müssen diese besagten 106 Unternehmen einen Vertrag unterzeichnen, in dem steht, dass Ford ihre Nummer 1 seine muss, und dass im Falle etwaiger Innovationen jeder andere OEM (Erstausrüster) nur die Nummer 2 ist?
Nein, wir haben einen Grundsatzkatalog, zu dem wir uns verpflichten, und dazu gilt noch eine Reihe gemeinsamer Grundsätze wie Transparenz, Kommunikation, Vertrauen und Zusammenarbeit. Es gibt Verpflichtungen, die Ford den ABF-Zulieferern gegenüber eingeht, und es gibt im Gegenzug auch Verpflichtungen, die diese uns gegenüber eingehen. Aber es gibt keine vertragliche Verpflichtung, der zufolge Ford als erster drankommen muss. Wir konnten unseren Zulieferpartnern erfolgreich vermitteln, wofür die Marke Ford steht. Wir sagen, die Marke steht für Qualität, Umweltfreundlichkeit, Sicherheit und Intelligenz. So kommunizieren wir auch im Innenverhältnis mit unseren Kollegen aus der Produktentwicklung, und nach dieser Maßgabe teilen wir auch unsere internen Mittel für Forschung & Entwicklung zu. Wir wollen, dass unsere Zulieferer in neue Technologien und Innovation investieren. Was Ford für unsere Zulieferer attraktiv macht, ist die Tatsache, dass wir nicht nur großes Gewicht auf die Markteinführung neuer Produktlösungen legen, sondern dass wir sie auch im großen Stil über unsere gesamte Produktpalette hinweg einsetzen. Ein großartiges Beispiel hierfür ist der EcoBoost-Motor. Wir haben Benzin-Direkteinspritzmotoren zwar nicht als erster auf den Markt gebracht, bieten diese Technologie aber mittlerweile bei 95% unserer gesamten Produktpalette an. Seit unserer Markteinführung dieses Motorentyps im Jahre 2009 haben wir weltweit über 5 Mio. EcoBoost-Motoren gefertigt. Dies bedeutet natürlich eine enorme Größenordnung für unsere Zulieferer. Allradantriebe sind bei der diesjährigen Automobilausstellung ein großes Thema, und ein weiteres großartiges Beispiel. Jim Farley hat angekündigt, dass wir diese Technologie bei 50% unserer Produktpalette in Europa anbieten wollen, und wir haben bereits eine konkrete Strategie für intelligente Allradantriebe, Gelände-Allradantriebe und Hochleistungs-Allradantriebe. Dies soll nur ein weiteres Beispiel dafür sein, wie Ford diese Technologien umfassend einsetzt. Ich nenne das “die Demokratisierung der Innovationen“.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie motivieren Sie Ihre Zulieferer dahingehend, dass sie ihre besten Innovationen zu Ihnen bringen, und nicht zu VW, BMW oder anderen Herstellern?
Ich glaube, die Aussicht auf hohe Absatzvolumen und hohe Umsatzrenditen ist ein großer Anreiz, der es insbesondere den deutschen Zulieferern ermöglicht, ihre Ausgaben für Forschung & Entwicklung wieder zu amortisieren. Ich denke, eines ihrer besonderen Alleinstellungsmerkmale ist ihre starke Ausrichtung auf Technologie. Sie geben einen viel höheren Prozentsatz ihrer Einnahmen für Forschung & Entwicklung aus, in der Hoffnung, für diese neuen Technologien höhere Preise fordern zu können. Das ist also im Grunde die Verpflichtung, die sie eingegangen sind, und wir verpflichten uns im Gegenzug dazu, Ihnen genau zu sagen, was wir wollen, sobald wir bestimmte Trends erkannt haben.

Zu den Personen
Hau Thai-Tang, Baujahr 1966, startete 1988 als Trainee bei Ford und arbeitete sich über den Motorsport (er war u.a. Renningenieur von Nigel Mansell und Mario Andretti) und Auslandsstationen in Köln und Brasilien die Karriereleiter hoch. Seit August 2013 ist Thai-Tang der Chef-Einkäufer von Ford und verfügt über ein Einkaufsvolumen von 90 Milliarden US-Dollar jährlich.
Birgit Behrendt ist seit 1978 bei Ford. Sie verantwortet den Einkauf für alle Fahrzeuge weltweit. Bis 2013 war sie Einkaufschefin für Nord- und Südamerika, zwischen 2008 und 2010 Einkäuferin in Europa. Birgit Behrendt berichtet an Hau Thai-Tang.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Das heißt also, dass Sie die Zulieferer wesentlich stärker in Bezug auf ihre Ausgaben für Forschung & Entwicklung unterstützen als die anderen Hersteller?
Wir geben ihnen bessere Möglichkeiten zur Amortisierung ihrer Investitionen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Können Sie uns hierfür einige Zahlen nennen?
Naja, am besten fragen Sie hier die Zulieferer. Aber wenn wir mal den EcoBoost als Beispiel heranziehen wollen: Unsere drei wichtigsten Partner sind hierbei Continental, Honeywell und BorgWarner, und von denen kann sich keiner beklagen. Wenn Sie sich die Zahlen der letzten fünf Jahre anschauen, stellen Sie eine sehr starke Korrelation zwischen der Marktdurchdringung des EcoBoost und dem Ertragswachstums dieser Zulieferer fest. Dies drückt sich aus in operativen Gewinnmargen, die signifikant über den Branchendurchschnitt liegen. Für mich ist das ein perfektes Beispiel.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Haben Sie den Eindruck, dass es für die Marke Ford schwieriger ist, an Innovationen zu kommen?
Thai-Tang: Ich denke nicht, dass es besonders schwierig ist oder war. Wir wurden heuer in Deutschland zur “innovativsten Volumenmarke des Jahres 2015” gewählt, und ich denke, dass die Branche hierdurch anerkennt, dass Ford als Marke des Massenmarktes dennoch sehr innovativ ist.
Behrendt: Ein entscheidender Faktor ist natürlich der Zugang, den wir den Zulieferern bieten. Für die Zulieferer gibt es einen einzigen Ansprechpartner, wenn sie neue Technologien einführen wollen. Ergänzend dazu bieten wir sogenannte Executive Business Technology Reviews (abgekürzt als EBTR bezeichnet, d.h. betriebswirtschaftliche Prüfungen von Technologien durch die Vorstandsebene. Hierdurch können unsere Zulieferer ihre fortschrittlichen Technologien vorstellen und andere daran teilhaben lassen. Wir gehen zu ihnen und treffen ad hoc Entscheidungen über Dinge, die wir gerne in das Fahrzeug aufnehmen möchten, sowie über Dinge, über die sie sich für uns nicht mehr den Kopf zerbrechen müssen, weil jeder beschränkte Ressourcen hat. Deshalb ist es wichtig, gemeinsam mit den Zulieferern Prioritäten zu setzen für Dinge, an die sie für uns arbeiten sollen.
Thai-Tang: Es ist ein sehr komprimierter Prozess und sehr schwierig für einen Lieferanten, eine neue Technologie und Innovation einzuführen, weil diese oftmals zeitkritische Änderungen an unseren Produktionsverfahren erfordern. Es ist schwierig, so etwas im Rahmen eines Programmterminplanes zu schaffen. Deshalb schaffen wir uns mit den EBTR – die wir nur unseren ABF-Zulieferern anbieten – die Möglichkeit, unsere Strategie schon lange vor dem Start eines Fertigungsprogramms auszuarbeiten, weshalb es uns zum Beispiel gelungen ist, an unserem Mondeo eine Magnesium-Heckklappe einzuführen. Diese ist Teil unserer Leichtbaustrategie. Wie Sie sich vorstellen können, braucht man hierfür nicht nur eine neue Technologie und eine andere Konstruktion, sondern auch wesentliche Änderungen des Produktionsverfahrens. Die Zusammenarbeit beginnt also schon lange, bevor wir das Programm starten, wenn wir bereits wissen, dass eine bestimmte Innovation für ein bestimmtes Fertigungsprogramm vorgesehen ist.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wenn ich ganz offen fragen darf: Hinter was sind Sie denn momentan her? Denn immerhin geben Sie mir ein Interview, und ich könnte mir vorstellen, dass Sie auf etwas Besonderes aus sind. Wenn ja, was wäre das?
Meines Erachtens wollen wir auf jeden Fall die Öffentlichkeit auf unsere Zusammenarbeit mit unseren Zulieferpartnern aufmerksam machen. Wir wollen, dass der Zulieferer als Ford als Kunden seiner Wahl, d.h. als Vorzugskunden sieht. Uns ist klar, dass unsere Branche massive Umstrukturierungen hinter sich hat, und zwar sowohl die OEMs als auch die Beschaffungsbasis. Wir haben unser Geschäft und unsere Kapazität auf die richtige Größe entsprechend der natürlichen Nachfrage gebracht. Somit haben die Zulieferer eine größere Auswahl an Kunden, mit denen sie Geschäfte tätigen wollen, und wir würden uns wünschen, dass sie Ford als Vorzugskunden betrachten. Das ist unser Ziel, und wir würden der Öffentlichkeit gerne Beispiele für eine gelungene Zusammenarbeit aufzeigen und unseren Zulieferpartnern die gebührende Anerkennung zollen, weil diese sehr entscheidend zu unserem Erfolg beigetragen haben.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wenn nun also ein Lieferant Interesse hat, aber keine Namen kennt, bei wem kann er anrufen, oder muss er nur sagen “Hallo, ich habe ein paar Innovationen für Euch?
Sie können direkt mit uns in Verbindung treten. Aber wir verfügen natürlich auch über eine Matrixstruktur und lokale Ansprechpartner. In Europa ist dies Herr Werner Putz, unserer stellvertretender Einkaufsleiter, der als wichtigster Ansprechpartner für unsere in Europa ansässigen Zulieferer fungiert.
Behrendt: Auch im Einkaufswesen von Ford sind die Mitarbeiter im Großen und Ganzen gleich geblieben. Einige Stellen wurden möglicherweise verändert oder erweitert. Aber wir hoffen, dass wir unserem Zulieferer nach wie vor ein sehr unverändertes Gesicht zeigen, diese langfristigen Beziehungen und Vertrauensverhältnisse sind kritisch. Insbesondere um das Vertrauen bemühen wir uns verstärkt, weil wir offensichtlich an einem Punkt angekommen sind, wo wir uns weiter differenzieren bzw. profilieren müssen, schon allein deshalb, weil Technologie und Innovation in der Zukunft immer wichtiger werden. Und wir haben angefangen, uns mit unseren Zulieferern auszutauschen; aber nicht wir haben diesen Dialog begonnen, sondern wir haben Dritte gebeten, dies für uns zu übernehmen, weil der Zulieferer Dritten gegenüber vielleicht offener ist als uns gegenüber. Wir hatten also sogenannte Fokusgruppen, bei denen wir Befragungen durchführen ließen, und die entsprechenden Informationen wurden uns anonym übermittelt, z.B. wie die Befragten expandieren wollen, und was mir mit diesen Informationen gemacht haben.
Thai-Tang: Wir haben diese Informationen also in Kombination mit unserem normalen Feedback verwendet und konnten wirklich priorisieren, woran wir intern arbeiten müssen, und wir mussten feststellen, dass alles eine Sache des Vertrauens ist. Die zentralen Themenkreise, die unsere Zulieferer uns mitgeteilt haben, können in drei Hauptkategorien unterteilt werden: 1.) Sie wollen Geschäftsbeziehungen mit einem Partner, der ihnen ein profitables Wachstum ermöglicht. Sie interessieren sich also in erster Linie für OEMs, die uns bei einem profitablen Wachstum unterstützen. 2.) Wir wollen Geschäftsbeziehungen mit einem Partner, der uns fair und korrekt behandelt. 3.) Wir wollen Konsequenz und Berechenbarkeit. Wie bereits von Birgit erwähnt, ergibt sich dies hauptsächlich aus langjährigen persönlichen Beziehungen. Ich erinnere mich noch, als ich seinerzeit zum Einkaufsteam kam, dem ich nun seit über zwei Jahren angehöre, wie mir die Tatsache zu Gute kam, dass ich davor 25 Jahre in der Produktentwicklung war und bereits mit vielen der Zulieferer zusammengearbeitet hatte. In schwierigen Zeiten oder gar in Zeiten globaler Krisen oder Wirtschaftskristen kommt es darauf an, wie man sich in solchen schwierigen Situationen verhält, denn gerade hier werden Meinungen gebildet.
Behrendt: Und man kommt ihnen entgegen, wenn sie Probleme haben. Das ist extrem wichtig.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Zurück zu den Produkten. Sie aktualisieren also gerade Ihre Fahrzeugarchitekturen und haben mittlerweise eine selbsttragende Karosserie mit Frontradarchitektur sowie eine selbsttragende Karosserie mit Hinterradantrieb und darüber hinaus eine Karosserie in Rahmenbauweise. Wie viele Modelle verfügen bereits über diese neuen Architekturen und wie geht es weiter?
Die Verminderung der Komplexität unserer Fahrzeugarchitekturen ist uns hervorragend gelungen. Wir bezeichnen diese Architekturen als Plattformen. Als wir im Jahre 2007 mit unserer Strategie “One Ford§ begannen, hatten wir noch 27 unterschiedliche Plattformen auf der ganzen Welt im Einsatz. Nach drei aufeinanderfolgenden Reduzierungen sind wir mittlerweise von 9 globalen Plattformen angelangt, und über 95% all unserer weltweit gefertigten Produkte kommen von diesen 9 Plattformen. Unser Geschäftsplan für die kommenden fünf Jahre sieht vor, diese Plattformen auf insgesamt 8 zu reduzieren. Wir werden schlussendlich also eine Plattformgröße B (Kleinwagen), eine Plattformgröße C (Mittelklasse) und eine Zwischengröße haben, die wir CD-Plattform (Familienkleinwagen) nennen, sowie eine Sportwagenplattform u.a. für den Mustang, und eine D-Plattform für die Oberklasse. Darüber hinaus haben wir drei LKW-Plattformen für Karosserien in Rahmenbauweise: Ein Pick-up in Kompaktbauweise und unser F150 sowie Schwerlastfahrzeuge. Schlussendlich haben wir noch die Plattform für unser Nutzfahrzeug, den Transit. Somit kommen wir insgesamt auf 9 Plattformen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Und welche dieser Plattformen wollen Sie nun wegschmelzen?
Wir wollen unsere Vollplattform für Oberklassewagen der Kategorie D konsolidieren. Ich denke, diese wird in der Zukunft mit der Plattform für Mittelklassewagen verschmelzen. Hierüber wurde allerdings noch keine endgültige Entscheidung getroffen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sie wollen also bis zum Jahr 2020 8 Plattformen? Ist das Ihr Ziel?
Natürlich werden wir immer schauen, wie sich die Marktsegmente entwickeln, und ob es nicht noch weiteres Reduktionspotenzial gibt.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie viele Plattformen sind in Europa im Einsatz?
Derzeit haben wir folgende Plattformen im Einsatz: B für Kleinwagen, C für Mittelklassewagen, CD für Familienkleinwagen, die Plattformen für kompakte Pick-ups und Sportwagen, die Plattform für den Transit, und die Plattform D für die Oberklasse; also insgesamt 7 Plattformen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Vereinheitlichen Sie auch Ihre gesamten Antriebsstränge?
Ja.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Weil ich nichts darüber gefunden habe, würde ich schon gerne wissen, was hier los ist?
Wir haben die Anzahl der Antriebsaggregate noch nicht öffentlich bekannt gemacht, aber natürlich haben wir jetzt globale Programme für Motoren und Getriebe. Und auch hier werden wir die gleiche Strategie zur Verminderung der Komplexität verfolgen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Und betrifft dies nur die Plattformen?
Ich kann natürlich den Unterschied zwischen 2006 und jetzt nicht in Zahlen benennen, aber sich weiß, dass wir bei den Motoren bis dato bereits eine Vielzahl von regionalen Altsystemen aus dem Programm genommen haben.
Behrendt: Jeder von uns gefertigte Motor, ob Diesel oder Benziner, wird auf jedem Fall aus dem globalen Programm stammen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Der neue 150 hat eine völlig neuartige Aluminiumkarosserie erhalten. Was bedeutet dies für ihre demnächst auf den Markt kommenden Modelle in Europa?
Thai-Tang: Angesichts aggressiver Auflagen in punkto Kraftstoffeinsparung und CO2-Ausstoß wird die Leichtbauweise in den kommenden Jahren generell oberste Priorität für alle Hersteller sein. Unsere Strategie für Europa bezieht eigentlich alle Alternativen, so wird also das Aluminium, das wir heute einsetzen, sicherlich bleiben. Auch Magnesium gilt als weitere gangbare Alternative. Wir führen gerade zahlreiche Weiterentwicklungen mit hochfestem Stahl durch. Dies wird also in der Zukunft für uns relevant sein, und natürlich werden wir auch mit exotischeren Materialien wie Verbundstoffen arbeiten, wofür der Ford GT, den Sie da draußen auf den Stand sehen, ein großartiges Beispiel ist. Dies ist eine hervorragende Gelegenheit, Verbundstoffe in die Fertigung aufzunehmen. Dies wären also einige Beispiele.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie viele Leute sind in Ihrer Kalkulationsabteilung damit beschäftigt, zu ermitteln, wie viel Sie für eine Innovation ausgeben dürfen?
Thai-Tang: Wir haben eine sehr leistungsfähige Kalkulationsabteilung, die im Grunde die unserer Meinung nach optimalen Idealkosten für jedes von uns zugekaufte Teil berechnet. Derzeit befassen wir uns mit der Frage, wie weit wir vom optimalen Idealzustand entfernt sind. Dies ist für uns zentral bei der Leistungs- und Effektivitätsbemessung unseres Einkaufs. Hier sind ca. 400 Leute weltweit beschäftigt.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wir haben Sie also Ihren Einkauf in den vergangenen 2-3 bzw. sogar 5 Jahren ausgebaut? Was ist für die kommenden 5 Jahre vorgesehen?
Thai-Tang: Wir haben eine globale Organisation. Wir beschäftigen 4.000 Mitarbeiter an über 50 Standorten auf der ganzen Welt; wir sprechen hier also von einer hochkomplexen Organisation und wir versuchen, globale Kompetenzteams aufzubauen, die für Antriebsstränge, Karosserie-Exterieur, Karosserie-Interieur, Fahrgestell, Elektrik usw. zuständig sind. Es werden also überregional einheitliche Richtlinien und strategische Ansätze forciert, aber natürlich wollen wir von den Leuten in all diesen Ländern auch wissen, wer die Zulieferer in Mexiko, Indien, Deutschland und Europa sind, und wir wollen abwägen, welche globale Strategie auch lokal am besten funktioniert. Das waren unsere wichtigsten Prioritäten. Eine weitere Schlüsselinitiative für uns ist die Nutzung von Größenvorteilen. Wir hatten ja bereits über die Reduzierung von Fahrzeugarchitekturen und Plattformen gesprochen, wodurch wir mittlerweile ein wesentlich geringeres Plattformvolumen haben. In den USA verkaufen wir heute in etwa genauso viele Fahrzeuge wie im Jahr 2006, und das mit wesentlich weniger Plattformen, nämlich gerade mal einem Drittel. Wie Sie sich also denken können, haben wir bei der Plattform jetzt hohe Stückzahlen: 2 Mio. Kleinwagen (B), 2.4 Mio. Mittelklassewagen (C) 1 Mio. Familienkleinwagen (CD). Hierdurch erzielen wir natürlich bei der Beschaffung große wirtschaftliche Vorteile, weil wir sagen können, wir brauchen 2 Mio. Lenkräder oder Bremsanlagen. Aber wir müssen uns natürlich auch Gedanken darüber machen, wie wir diesen Gesamtumfang nutzen können, um unseren Zulieferern gute Wirkungsgrade in ihren jeweiligen Fertigungswerken zu verschaffen. Wenn unser Team beispielsweise das Lenkrad für den Focus in Europa in Saarlouis einkauft, dann sprechen wir von einem Volumen von 300.000. Da wäre bei allen Handelsgütern eine riesige Größenordnung. Hierdurch können auch unsere Zulieferer mit ausreichenden Stückzahlen für den Betrieb ihrer Fertigungswerke rechnen. Ein gutes Betriebsmodell mit guter Auslastung. In Russland bauen wir ihn in St. Petersburg, oder in Argentinien, wo wir den Focus auch bauen, sprechen wir mittlerweile von 40.000 Fahrzeugen. Unsere Zulieferer sagen uns also “gut und schön, Ihr bau eine Million Focus auf der ganzen Welt, aber in meiner Region sind es nur 40 000. Das ist zu wenig, diese Größenordnung reicht mir nicht. Wir fragen uns deshalb, mit welchem Ansatz wir die Produktionsverfahren sämtlicher in Russland oder Südamerika gebauter Fahrzeuge betrachten sollten. Und wie wir alle Fahrzeuge mit gemeinsamen Prozessen so bündeln können, dass wir den Zulieferern in diesen Regionen genügend Größenordnungen für einen effizienten Betrieb bieten können.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sie meinen die Einrichtung von Hotspots zum Bedienen der verschiedenen Länder?
Behrendt: Genau. Man denkt vielleicht, die Lenkräder wären verschieden, weil eines größer und das andere kleiner ist, aber die Fertigung bzw. Montage beim Lieferanten ist identisch. Es können deshalb die gleichen Anlagen verwendet werden. Dadurch wird das Anlagekapital wirklich hochgradig ausgelastet und es werden nur unterschiedliche Werkzeugsätze benötigt. Deshalb arbeiten wir eng zusammen mit der Produktentwicklung in Fertigung all diesen Regionen, um sicherzustellen, dass das, was wir bekommen, gleich ist; und wenn wir mehrere unterschiedliche Fahrzeuge in der gleichen Region bauen, dass das, was wir bekommen, also die Konstruktion und Montage, auch gleich ist. Auch wenn die Teile an sich größer oder kleiner sind oder andere Farben haben oder an sich unterschiedlich aussehen.
Thai-Tang: Dies war für uns als Hersteller wahrscheinlich einer der größten Lernprozesse im Laufe unseres Programms “One Ford”. Früher dachten wir, keine Größenvorteile nutzen zu können, wenn ein Produkt nicht identisch ist mit dem des Partnermarktes; und wie Birgit bereits erwähnt hat, denken wir wirklich darüber nach, welche kapitalintensiven Investitionen die Zulieferer machen müssen. Und wie wir diese Investitionen nutzen können. Ich geben Ihnen ein Beispiel: Ich hatte bereits Südamerika angesprochen. Wir verkaufen Kleinwagen (B) in Südafrika mit einer Verbundlenkerachse für die hintere Radaufhängung. Und bei unserem Mittelklassewagen (C), dem Focus, haben wir hinten eine Einzelradaufhängung. Also eine völlig unterschiedliche Architektur mit unterschiedlichen Knotenpunkten. Aber wir haben festgestellt, dass die Verbundlenkerachse für die hintere Radaufhängung und der hintere Rahmenaufsatz des Focus trotz der Einzelradaufhängung gewisse Gemeinsamkeiten bei der Fertigung aufweisen, und zwar in Bezug auf die benötigten Anlageninvestitionen des Zulieferers, und zwar speziell für das Stanzen, Schweißen und E-Beschichten der Teile. Hierbei handelt es sich um drei sehr anlageintensive und kapitalintensive Investitionen. Indem wir also erkannt hatten, dass wir diese Teile für den Fiesta oder den Focus bündeln und an den gleichen Lieferanten ausgeben können, konnten wir Abnahmen in hohen Größenordnungen gewährleisten.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Können Sie mir Standorte der neuen Hotspots auf der Landkarte angeben?
Für mich sind Hotspots Zentren mit hohen Stückzahlen, wo Abnahmen in hohen Größenordnungen üblicherweise kein Problem sind, wie in, Europa, Nordamerika, Mexiko oder China. Aber es gibt natürlich auch Bereiche, wo wir viel kleinere Stückzahlen haben und wo ein anderer Denkansatz erforderlich ist, wie in Russland, Südamerika, Indien, den ASEAN-Staaten oder Thailand. Hier müssen wir uns überlegen, wie wir über Fertigungsprograme und Waren hinweg bündeln können, um noch ausreichende Größenordnungen für uns zu erzielen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Befinden Sie sich gerade mitten in diesem Prozess?
Nein, auf diesem Weg befinden wir uns schon seit einigen Jahren.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wann ist der Prozess abgeschlossen?
Da ist jetzt unser übliches Geschäftsgebaren. Bei jedem neuen Programm gehen wir vor Ort zur Beschaffungsquelle und die Teams machen eine entsprechende Empfehlung an Birgit und mich, im Sinne von „dies ist das Teil, und so viele verschiedene Konstruktionsvarianten habe ich für dieses Teil“. Und so läuft es in jeder Region auf der ganzen Welt bei allen Fertigungswerken, und wir können feststellen, wo wir ausreichend Stückzahlen haben und wo wir unter den optimalen Stückzahlen liegen. In diesen Regionen machen wir uns Gedanken darüber, wie wir die Bündelung unterschiedlich gestalten können.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wo wir schon bei der Produktion sind: Wenn Sie die Fahrzeugarchitekturen oder die Plattformen reduzieren, dann ist das besser für Sie, weil Sie vielleicht niedrigere Preise, höhere Stückzahlen und niedrigere Konstruktionskosten realisieren können. Und vielleicht geht es hierbei schlussendlich um eine höhere Flexibilität beim Modell-Mix. Ist dies Ihr Ziel? Haben Sie dieses Maß an Flexibilität bereits erreicht?
Unser Ziel besteht eindeutig darin, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen verminderter Komplexität und gleichbleibender Flexibilität zu finden. Mit weniger Plattformen kann man in vielen Märkten viel schneller reagieren und neue Fahrzeuge auf diesen Plattformen herausbringen. Ich erinnere an dieser Stelle nochmals das Beispiel mit dem Untergestell und der Verbundlenkerachse, auf Lieferantenniveau zwei vollkommen unterschiedliche Teile, die keine gemeinsamen Knotenpunkte beim Produktionsverfahren aufweisen. Für Europa bietet Valencia meiner Ansicht nach das beste Beispiel für ein hochkomplexes Fertigungswerk, in dem eine Vielzahl verschiedener Fahrzeugarchitekturen in einem einzigen Werk gebaut wird. Dies ist ein Beispiel für die Schaffung eines Produktionszentrums in einem Niedriglohnland, wo wir kostengünstige Beschaffungsquellen in einem einzigen Werk nutzen und uns so Größenvorteile verschaffen können.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Kommen wir zu neuen Technologien wie Digital Business, Connected Car oder automatisiertes Fahren. Wie verändern diese Ihr Einkaufswesen bzw. wird hierdurch der Beschaffungsprozess komplizierter?
Hier werden wir sicherlich viele Änderungen sehen. Und jeder Umbruch birgt sowohl Herausforderungen als auch Chancen. Als Chance sehen wir hierbei insbesondere die weitere Zusammenarbeit mit unseren Zulieferern. Insbesondere wollen wir uns hierbei mit Unternehmen wie Bosch und Continental zusammensetzen und unsere Vorstellungen von der Zukunft dessen besprechen, was wir Smart Mobility nennen. Letzteres ist eine Kombination aus Konnektivität, autonomem Fahren und unterschiedlichen Mobilitätslösungen. Es ist der gleiche Ansatz, den wir für die Marke Ford bereits in punkto Qualität, Umweltfreundlichkeit, Sicherheit und Intelligenz hatten: wir machen ihnen Vorschläge, wie sie ihre Ausgaben so priorisieren sollen, sodass Ford den meisten Nutzen daraus zieht. Wir sehen dies also als Chance zur Nutzung von Lieferantenbeziehungen im Rahmen unseres ABF-Prozesses.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie viel Zeit verwenden Sie insgesamt auf alternative Motoren oder alternative Antriebsstränge?
Thai-Tang: Mehr und mehr, den eine der größten Herausforderungen für die Branche ist die Einhaltung der strikten CO2-Auflagen auch ohne Druck seitens der Verbraucher. In den USA kostet eine Gallone (knapp 4 Liter) Benzin 2 Dollar. Wir wollen also nicht nur die kostengünstigste Lösung zur Erfüllung der Auflagen finden, sondern gleichzeitig – wie bereits von Birgit angeführt – unsere Kunden bestimmte Wahlmöglichkeiten geben. Ich glaube nicht, dass es eine Universallösung geben wird. In manchen Märkten bevorzugt man fortschrittliche Diesel, wie z.B. in Europa, und in anderen Märkten E-Autos, wie z.B. in Südamerika, und in Brasilien E100-Systeme; es gibt also keinen einheitlichen Standard.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Ist Ihr “tägliches Brot” in der Arbeit eher der alternative Antriebsstrang oder eher der Connected Car?
Beides, zu gleichen Teilen. Ersterer ist für uns unabdingbar und Letzterer wird vom Verbraucher verlangt.
Behrendt: Wir haben sogar schon den ersten Hybriden. Der Mondeo Hybrid wurde dieses Jahr eingeführt. Außerdem machen wir hier einen Plugin-Hybrid, den C-Max-Energy. Aber in den USA herrscht Verwirrung, weil wir den Hybrid zum gleichen Preis anbieten wie das Standardmodell, um den Verbraucher an diese Technologie heranzuführen und einen Hybriden ausprobieren zu lassen. Aber dies bedarf vieler Anreize und wir als OEM (Erstausrüster) können nur hoffen, dass wir alles im Angebot haben. Der Verbraucher entscheidet sich entweder dafür und braucht noch mehr Support und Anreize.

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Das Interview führte Bettina Mayer

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