Drei Audi-Mitarbeiter vor Blechrollen für die Pkw-Produktion.

Tonnenschwere Blechrollen warten auf die Verarbeitung in automatisierten Platinenschneidanlagen und großen Transferpressen. (Bild: Audi)

Im Presswerk entstehen aus kilometerlangen Blechrollen – so genannten Coils - in einem mehrstufigen Verfahren hochpräzise Karosseriekomponenten oder Außenhautbauteile. Im Regensburger BMW-Werk sind es beispielsweise vier Pressenstraßen, die jeden Tag 1.050 Tonnen Stahl in Form bringen und aus vorgestanzten oder geschnittenen Platinen 127.000 Teile unterschiedlicher Größe umformen. Am Audi-Standort Neckarsulm gehen täglich bis zu 800 Tonnen Stahl und Aluminium – das entspricht umgerechnet einer Bandlänge von 120 Kilometer Blech – in die Pressenanlagen, in denen insgesamt rund 200.000 Karosserieteile entstehen.

Bei jedem Arbeitsschritt der kapitalintensiven, mit Werkzeugen bestückten Großpressen und Platinenschnittanlagen geht es im 24-Stunden-Takt um eine fehlerfreie und präzise Blechumformung bei minimalem Ausschuss, hoher Produktivität und geringstmögliche Ausfallzeiten der beteiligten Anlagen. Keine Frage: Um das gewünschte Leistungsniveau zu erreichen, benötigt man ausgereifte Automatisierungstechnik, verkettete Maschinen und zuverlässige Steuerungssoftware.

Wie gelingt die Überwachung des Presswerks?

Eine der Herausforderungen sind die Prozessdaten aus den Platinenschneide- und Pressenanlagen, die Aufschluss darüber geben, ob die tiefgezogenen, gebogenen und umgeformten Bauteile tatsächlich den Planungsvorgaben der Designer und Konstrukteure hinsichtlich Genauigkeit und Qualität entsprechen. Bei einer Leistung von über 20 Hüben pro Minute und einer Presskraft bis zu 12.000 Tonnen ist dies keineswegs selbstverständlich.

Die lückenlose Überwachung von Prozess, Maschinen, Werkzeug und verwendetem Material lässt sich mittels Kraft-, Druck- und Wegsensoren sowie einer optischen Bauteilprüfung bewerkstelligen. Eine wichtige Voraussetzung hierfür sind allerdings offene Schnittstellen und einheitliche Kommunikationsstandards. Netzwerkexperten sehen inzwischen im Kommunikationsprotokoll OPC UA (Open Platform Communications Unified Architecture) den Schlüssel zum gemeinsamen Steuern von Maschinen und Anlagen.

TSN wird zum Turbolader auf dem Datenhighway

Bislang hakt es allerdings noch bei der Echtzeitfähigkeit der unterschiedlichen Signalströme - vor allem bei High-Speed-Anforderungen. Aus der Automatisierungssparte von Siemens ist zu hören, dass die Ethernet-Technologie Time-Sensitive Networking (TSN), die durch Zeitsynchronisation und mit reservierten Bandbreiten einen Datenaustausch in Echtzeit ermöglicht, einen wachsenden Stellenwert innerhalb der OPC-Welt und der Maschinenkommunikation einnimmt.

Die TSN-Übertragung von Daten sei Unternehmensangaben zufolge eine Art Turbolader und räume technische Hürden auf dem Datenhighway aus dem Weg. Allerdings sind bis dato noch nicht alle Spezifikationen für den ultraschnellen Signalaustausch auf TSN-Basis – die Synchronisierungsgenauigkeit liegt im Sub-Mikrosekundenbereich – in trockenen Tüchern. Der Siemens-Konzern ist Gründungs- und Boardmitglied des Standardisierungsgremiums OPC Foundation.

Schuler nutzt Anlagenvernetzung zur Analyse

Die Autoindustrie ist einer der größten Abnehmer der Maschinen- und Anlagenhersteller für die Blechverarbeitung. Schuler hat deshalb längst begonnen, sein Produktportfolio auf Digitalkurs zu bringen. Auch Bestandsanlagen lassen sich mit der Digital Suite und einem aktuellen Industrie-PC in ein datengetriebenes Produktionsszenario einbinden – vorausgesetzt, die Pressenlinie ist mit dem Internet verbunden, um Sensor- und Aktorendaten an das Rechenzentrum von Schuler zu leiten. Im Fokus der algorithmischen Anlagenanalyse stehen die wichtigsten Kennzahlen wie die Gesamtanlageneffektivität (OEE) oder bevorstehende Instandhaltungsarbeiten. Kernstück ist ein Werkzeugset aus fünf Software-Applikationen, darunter ein Press Force Monitor, Cooling Analytics oder Lubrication Analytics für aktuelle Informationen zum Schmiersystem der Anlagen. Das Rechenzentrum des Herstellers verwaltet und analysiert die aktuellen Produktions-, Prozess- und Zustandsdaten der Pressenanlage samt Peripheriegeräten.

Die Ergebnisse stehem jedem autorisierten Benutzer auf seinem mobilen Endgerät oder am Monitor des Industrie-PCs zur Verfügung, egal ob es sich um aktuelle Produktionshubzahlen oder eine Übersicht zum Temperaturverlauf bei den Schmiermitteln handelt. Aber auch für andere Dokumente wie Betriebsanleitungen oder Wartungspläne ist das Rechenzentrum die richtige Adresse. Aktenschränke und Hängemappen sind nicht mehr nötig. Zusatznutzen verspricht der Schuler-Account auch in Sachen Planungshilfen, die aus historischen Produktionsdaten gewonnen werden. Selbst Fertigungskosten einzelner Bauteile sind auf Basis aktueller Prozessdaten schnell berechnet.

Neben Informationen zur Gesamtperformance der Pressen zermöglicht die Lösung auch Hinweise zu Wartungsmaßnahmen oder drohende Stillstandzeiten. Kommt es etwa zu einem Druckabfall im Schmierölkreislauf oder zeigen Werkzeuge einen erhöhten Grad an Verschleiß, weist die Datenauswertung sofort darauf hin und alarmiert den Anlagenbetreiber. Historische Diagnoseinformationen bilden zudem einen Wissensfundus für die vorausschauende Wartung, um zum Beispiel betriebsbedingte oder werkzeugspezifische Abweichungen oder sich anbahnende Probleme im Kühlsystem zu erkennen.

Laser Blanking Lines von Schuler
In solchen Laser Blanking Lines schneiden Laserköpfe unterschiedliche Materialien in einer Geschwindigkeit von 100 Metern je Minute. (Bild: Schuler)

Aida verwendet Steuerungssystem von Beckhoff

Auch der japanische Pressenhersteller Aida Engineering hat ehrgeizige Ansprüche an eine neue Dimension der Effizienz. Der Hersteller konzipiert Servopressen in Tandem-Ausführung und setzt ein PC-basiertes Steuerungssystem für das synchrone Hand-in-Hand-Arbeiten der sechsstufigen Umformtechnik ein. Statt die Steuerungsprogramme zeitaufwendig selbst zu entwickeln, kommt ein PC-basiertes Steuerungssystem von Beckhoff zum Einsatz. Der Automatisierungsspezialist setzt OPC-Rechner mit der hauseigenen Automatisierungssoftware Twincat ein, um auch ältere Großanlagen und Transfereinheiten im gewünschten Gleichtakt zu orchestrieren.

Einer der Knackpunkte ist beispielsweise die Synchronisation der Pressen mit den Transfereinheiten für die Werkstücke. Je schneller die Hubzahl der Pressen, desto schneller muss der Handlingroboter die formgehärteten Bauteile weiterreichen. Mit Hilfe der Steuerungssoftware Twincat konnten Aida-Techniker die Bewegungsabläufe der involvierten Geräte und der Pressen in Sachen Produktivität und Effizienz optimal aufeinander abstimmen.

Die Servo-Tandemstraße erreicht eigenen Angaben zufolge 20 Hübe pro Minute und ist damit ungefähr um 50 Prozent effizienter als die Vorgängerserie. Damit komme man dem Ziel einer flächendeckenden Vernetzung der gesamten Pressenlinie und ihrer Ablaufzyklen ein gewaltiges Stück näher, heißt es bei Aida.

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