Harry Kekedjian und Mitarbeiter im Advanced Manufacturing Center von Ford.

Ford-Spezialist Harry Kekedjian (l.): "KI spielt eine zunehmend stärkere Rolle bei komplizierten Montageaufgaben." (Bild: Ford)

Für den Einbau von Drehmomentwandlern in die Getriebegehäuse setzt Ford in seinem Werk in Livonia, im US-Bundesstaat Michigan, auf die Unterstützung künstlicher Intelligenz (KI). Die Gehäuse kommen in einer Reihe von Fahrzeugen wie dem Ford Bronco Sport, Edge und Escape sowie dem Lincoln Nautilus und Corsair zum Einsatz. „KI wurde bereits an anderer Stelle bei Ford eingesetzt, aber dies ist die erste Anwendung in der Robotik für die Großserienmontage“, erklärt Harry Kekedjian, Manager für industrielle Steuerungssysteme in Fords Advanced Manufacturing Center im nahe gelegenen Redford. „Wir gehen davon aus, dass es eine Branchenneuheit sein könnte.“

Kekedjian erklärt, dass die Montage des Drehmomentwandlers eine an sich schwierige Aufgabe ist, die eine präzise Handhabung von schweren, unhandlichen und scharfkantigen Komponenten erfordert. Ford hat das Verfahren vor einem Jahrzehnt erstmals automatisiert, nicht zuletzt, um Sicherheitsbedenken für menschliche Bediener zu entkräften. Aber, so sagt er, die Komplexität der Aufgabe insbesondere aufgrund der sehr engen Abstände erfordere ein Maß an Fingerfertigkeit, die dennoch eher für Menschen geeignet ist als die „vorgefertigten Wege“, die mit Roboteroperationen verbunden sind.

Chancen und Herausforderungen bei der Automatisierung 

Auch der automatisierte Prozess kann daher problematisch sein, sowohl bei der Programmierung als auch in der Umsetzung. „Wir mussten eine ganze Reihe von Parametern durchgehen, um den Prozess zu optimieren“, erklärt Kekedjian. „Schon damals war es eine statische Lösung, die sich nicht gut für kleine Prozessänderungen oder Drift eignete.“ Außerdem musste die gesamte Prozedur jedes Mal wiederholt werden, wenn ein neues Fahrzeugmodell eingeführt wurde.

Selbst die Inbetriebnahme einer neuen Montagezelle im Februar 2018 mit zwei sechsachsigen ABB-Robotern – einer für das Material-Handling und einer für die entscheidenden Bestückungsvorgänge – erfüllte noch nicht alle Anforderungen. „Die Zykluszeiten variierten ziemlich stark und die Einführung neuer Modelle war immer noch recht mühsam“, stellt er fest.

Es wurde daher eine Lösung benötigt, welche die mit Menschen assoziierte Flexibilität und Anpassungsfähigkeit mit Eigenschaften von Robotern wie Einheitlichkeit und Wiederholbarkeit verbinden konnte. Dies gelang durch die Ergänzung der Zelle mit der KI-Software Symbio DCS des kalifornischen Spezialisten Symbio Robotics. Kekedjian erklärt, dass der Reiz von KI darin liege, dass sie nicht nur eine schnellere Erstprogrammierung, sondern auch eine kontinuierliche Prozessverbesserung ermögliche, sobald die Produktion läuft. „Wir dachten, dass KI nützlich sein würde, weil wir den Algorithmus so implementieren könnten, dass er sich kontinuierlich von einem Zyklus zum nächsten anpassen kann und nicht nur auf die Trainingsperiode beschränkt ist“, erklärt er.

„Der Algorithmus besteht aus zwei Ebenen“, sagt Kekedjian. „Einerseits wird im Zyklus gelernt, man erhält sensorisches Feedback, das die auftretende Reibung beschreibt und ahmt so die Art und Weise, wie Menschen lernen, sehr stark nach. Andererseits gibt es das zyklusübergreifende Lernen, bei dem sämtliche erfolgreichen Aspekte als Parametersatz katalogisiert und über die Zeit in eine Rangfolge gebracht werden.“ Infolgedessen werde eine Datenbank der erfolgreichen Prozesse aufgebaut.

Wie KI die Prozesse verbessert

Kekedjians Hinweis auf die Reibung hebt einen weiteren wichtigen Unterschied zwischen der Montagezelle in Livonia und früheren KI-unterstützten Roboteroperationen bei Ford hervor. Bestehende KI-basierte Roboteroperationen, so erklärt er, würden zur Fehlererkennung eingesetzt und nutzten Vision-Systeme, um die Daten zu sammeln, die sie antreiben. Aber die Sensorik, die die Livonia-Montagezelle steuert, basiert auf Force-Feedback. „Es gibt einen Kraftsensor am Endeffektor des Roboters und dies ist die erste kraftbasierte KI-Roboterlösung, die wir eingesetzt haben“, bestätigt er.

Als KI-gestützter Roboterbetrieb ist die Zelle also sowohl in der Art und Weise, wie sie Daten sammelt, als auch in der Art der Operation, die sie durchführt, derzeit einzigartig. Kekedjian sagt, dass die Aufrüstung der Zelle „im Laufe eines Wochenendes“ stattfand. Aber er fügt hinzu, dass zuvor im Advanced Manufacturing Center von Ford intensive Vorarbeiten geleistet wurden. „Wir haben die KI vorab getestet und viele Teile durchlaufen lassen, um sicher zu sein, dass sie funktioniert“, erklärt er.

Montageroboter im Einsatz
Der KI-gestützte Montage-Roboter setzt auf Sensorik, die auf dem sogenannten Force-Feedback basiert.

Prozessverbesserungen folgten auf dem Fuße, wie Kekedjian bestätigt: „Die KI konvergierte von Anfang an zu Lösungen mit einer 50-prozentigen Reduzierung der Zeit und der Anzahl der Teile, die benötigt wurden, um zu einem optimalen Parametersatz zu gelangen“, bestätigt er. „Ziemlich genau von Beginn an gab es eine 15-prozentige Verbesserung des Durchsatzes, die größtenteils auf die Optimierung der Zykluszeit zurückzuführen ist. Auch die Zykluszeitschwankungen wurden deutlich reduziert.“ Er fügt hinzu, dass, während die Gesamtzykluszeit in der Zelle etwa 20 Sekunden betrage, die vom KI-unterstützten Roboter ausgeführte Montageaufgabe etwa fünf Sekunden in Anspruch nehme.

Wenig überraschend evaluiere Ford derzeit, wo sich diese spezielle Anwendung replizieren lasse. Doch Kekedjian ist pragmatisch: „KI lässt sich nicht auf alles anwenden. Es ist ein weiteres Werkzeug im Werkzeugkasten, das offenbar gut für adaptive Lösungen ist. Wir können sehen, dass KI eine zunehmend stärkere Rolle bei komplizierten Montageaufgaben spielt.“

Mehr Leistung in bestehenden Systemen

Das Potenzial von KI-Fähigkeiten, Automatisierung von Montagevorgängen in der Automobilfertigung zu erleichtern, sieht auch Max Reynolds, CEO und Mitbegründer von Symbio. Er beobachtet, „dass man in fast jedem Automobilwerk Schweißanwendungen findet, die bereits zu fast 100 Prozent automatisiert sind, aber bei Montagevorgängen sind es wahrscheinlich weniger als fünf Prozent.“ Symbio hat sich daher „in erster Linie auf die Entwicklung von Software konzentriert, die es den Kunden ermöglicht, sowohl Anwendungsfälle in der Montage zu automatisieren, die vorher nicht möglich waren, als auch die Leistung der bestehenden Automatisierung zu verbessern.“

Reynolds ist ziemlich sachlich in seiner Definition von KI. Es ist, wie er sagt, einfach ein „Oberbegriff, der sich auf eine breite Palette von Algorithmen und Technologien bezieht.“ Konkreter wird er, wenn es darum geht, wie Symbio dies ausnutzen will. „Bei Symbio konzentrieren wir uns auf drei Fähigkeiten – Force Feedback oder das Äquivalent eines Tastsinns für Roboter, Computer Vision und maschinelles Lernen.“ Laut Reynolds eignen sich die Kombination aus diesen Fähigkeiten besonders für den Einsatz in Fertigungslinien, was es für viele Anforderungen der Automobilindustrie besonders relevant macht. „Es erleichtert Einlege-, Befestigungs- und Dosieraufgaben an einer Fertigungslinie, die sonst nicht durchführbar wären“, erklärt er.

In der Tat, so fährt er fort, hat Symbio „in den letzten 18 Monaten Anwendungen für Fertigungslinien unterstützt und wir haben in dieser Zeit praktische Arbeitslösungen in Automobilwerken entwickelt.“ Obwohl er im Moment keine weiteren Details nennen kann, bestätigt er, dass Symbio neben dem Einsatz bei Ford Livonia auch mit Nissan und Toyota an einer Reihe von Lösungen sowohl in der Antriebsstrangmontage als auch in der Endmontage in den USA arbeitet.

Reynolds betont hier ausdrücklich, dass die KI-Software mit vorhandener Standard-Hardware im Bereich Roboter und Sensoren arbeiten könne. „Die wesentliche Grundlagentechnologie für Symbio DCS ist industrielles IoT. Unsere Softwareplattform ist mit den meisten Netzwerkprotokollen kompatibel, die Robotikunternehmen standardmäßig anbieten.“ Bei Ford Livonia zum Beispiel „bestand die einzige Modifikation, die wir vorgenommen haben, darin, ein Netzwerkprotokoll auf dem Motion Controller zu aktivieren und analoge Kraft-Drehmoment-Sensoren gegen digitale Gegenstücke auszutauschen.“ Letzteres, so fügt er hinzu, entspreche dem „Wechsel von analoger, abtastender, prozeduraler Programmierung hin zu netzfähigen, digitalen Schnittstellen“, der sich laut Reynolds jetzt allgemein vollzieht.

Dieser Artikel erschien zuerst bei automotive manufacturing solutions.

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