Ein containerschiff von Hapag Lloyd auf hoher See

Bislang trägt die Transportschifffahrt mit konventionellen Antriebssystemen noch massiv zu den weltweiten CO2-Emissionen bei. (Bild: Hapag Lloyd)

Autohersteller müssen nicht nur die Emissionen reduzieren, die ihre Fahrzeuge verursachen, sondern auch an die Nachhaltigkeit der eigenen Lieferketten denken. So hat die Seeschifffahrtsindustrie zwar begonnen, sich in Sachen Umweltverschmutzung zu bessern, aber die schiere Menge an Autos und Teilen, die auf Hochseeschiffe verladen und rund um den Globus transportiert werden müssen, lässt keinen Zweifel daran, dass es sich immer noch um ein schmutziges Geschäft handelt.

Schwefelarme Kraftstoffe haben dazu beigetragen, die Umweltbelastung durch Frachtschiffe zu reduzieren, aber aufgrund ihrer Größe, ihres Gewichts und der Entfernungen, die sie ohne Nachtanken zurücklegen müssen, sind Lösungen für eine tatsächliche Emissionsfreiheit noch in weiter Ferne. Dennoch scheint die Branche Schritte in die richtige Richtung zu unternehmen.

Nachhaltigkeit war in der Schifffahrt lange kein Thema

Möglichkeiten, die CO2- und Stickoxid-Emissionen (NOx) drastisch zu reduzieren oder auf andere Kraftstoffe umzusteigen, wären noch vor fünfzehn Jahren belächelt worden, sagt Stephen Turnock, Leiter des Fachbereichs Civil, Maritime and Environmental Engineering an der Universität Southampton. Sein Kollege, Dominic Hudson, Professor für Schiffsicherheit und -effizienz, fügt hinzu, dass die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) erst seit 2007 ernsthafte Diskussionen über Emissionen führt und ab 2010 eine Obergrenze für den Schwefelgehalt im Treibstoff eingeführt hat, die 2020 verschärft wird.

Das Pariser Klimaabkommen drängte die IMO zudem dazu, eine Erklärung mit strengeren Richtlinien für die Seeschifffahrt herauszugeben. „Diese IMO-Anweisung ist wirklich das, was viele der größeren Reedereien oder Eigentümer in Bewegung gesetzt hat. Es gibt immer einige, die freiwillig etwas tun – für alle anderen braucht es einen Anstoß des Gesetzgebers“, erklärt Hudson.

„Ich denke, das Problem mit vielen Reedereien im Moment ist, dass sie einen Kraftstoff wollen, den sie in einem Verbrennungsmotor verheizen können. Das ist es, was sie kennen, das ist es, was sie verstehen, und das erfordert die kleinstmögliche Veränderung der Technologie“ – Dominic Hudson, Universität Southampton

Heute überschlagen sich die Reedereien mit Initiativen zur Emissionsreduktion. Im Februar dieses Jahres präsentierte Wallenius Wilhemsen die Orcelle Wind, ein Konzept für den windgetriebenen Seetransport. Das Unternehmen ist zuversichtlich, es bis zum Jahr 2025 umzusetzen. Viele andere stellen ihre Schiffe auf Biokraftstoffe und Flüssigerdgas (LNG) um, während einige, darunter UECC und Grimaldi, in den Hybridantrieb investieren.

Wallenius wilhelmsen Orcelle Wind Schiff
Auch wenn es nur eine Nischentechnologie darstellt, könnte die Windkraft in der Seefahrt eine Renaissance erleben. (Bild: Wallenius Wilhelmsen)

Warum viele Konzepte nur der Überbrückung dienen

Viele Experten äußern jedoch die Meinung, dass Biokraftstoffe, LNG, komprimiertes Erdgas (CNG) und Hybridantriebe letztlich keine gangbare Lösung darstellen, da sie immer noch eine Menge Kraftstoff verbrennen und Emissionen in die Luft pumpen. Michael Maass, Vice-President Sustainability Solutions Sea bei Kühne + Nagel, sieht LNG lediglich als Brückentreibstoff, weil es immer noch 85 Prozent der CO2-Emissionen verursacht und Methan produziert.

Ähnlich sieht es auch Daniel Gent, Energie- und Nachhaltigkeitsexperte bei der RoRo-Schifffahrtsgesellschaft UECC. LNG sei nur eine Brückentechnologie, die zusammen mit Biokraftstoffen vielleicht in 20 oder 30 Jahren kilmaneutralen Transport ermöglichen wird. Kühne + Nagel-Manager Maass schreibt angesichts der schleppenden Entwicklung der Batterietechnologie in der Schifffahrt zudem synthetischen Kraftstoffen wie Wasserstoffammoniak oder Ethanol eine wichtige Rolle zu.

Doch auch sperrige Batterien scheinen keine echte Lösung zu sein. „Wir sind noch ein Stück weit davon entfernt, elektrische Antriebe auf unseren Schiffen zu haben. Eines der Probleme ist, dass unsere Autotransporter wirklich das Maximum an Platz ausnutzen müssen, der zur Verfügung steht. Wir sind nicht wirklich gewichtslimitiert, uns geht eher der Platz aus, bevor wir zu schwer werden“, berichtet Daniel Gent.

Während sich die Automobilindustrie mehr oder weniger auf Elektrifizierung und Batteriebetrieb geeinigt hat, um ihre Emissionsprobleme zu lösen, wartet die Schifffahrtsindustrie, die diese Autos und Teile transportiert, immer noch auf eine praktikable Lösung oder sucht nach einer solchen. „Ich denke, die Schwierigkeit ist im Moment das Zusammenspiel zwischen den langfristigen und den kurzfristigen Zielen“, erklärt Experte Hudson.

Es braucht Anreize für Investitionen

Eine Emissionsreduzierung von 25 Prozent bis 2030 bei neu gebauten Schiffen mit heutigen Technologien sei durchaus erreichbar, so Hudson. Das Ziel der IMO für 2050, die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 2008 um 70 Prozent zu reduzieren, werde jedoch wesentlich mehr Investitionen erfordern. Damit müsse jetzt begonnen werden, unterstreicht der Wissenschaftler. Doch die Schiffseigner schöben dies vor sich her, da es derzeit an Anreizen mangele, stark in nachhaltige Technologien zu investieren.

Die großen Reedereien müssten die Führung bei Innovation und Dekarbonisierung übernehmen, da Forschung und Entwicklung für kleinere Schifffahrtsgesellschaften bei dem Thema nicht wirtschaftlich abzubilden seien, so Hudson. Zudem läge es auch an den Automobilherstellern, Druck auf sie auszuüben.

„Was einen Wandel erzwingen würde, wäre natürlich eine Art Kohlenstoffsteuer. Das würde Wissen bündeln und einen größeren Anreiz bieten, auf sauberere Kraftstoffe umzusteigen.“ – Stephen Turnock, Uni Southampton

Eine endgültige Lösung könnten Wasserstoff-Brennstoffzellen sein. Da diese aber große strukturelle Veränderungen sowohl auf den Schiffen als auch in den Häfen ebenso erfordern wie eine Umstellung auf die groß angelegte Produktion von grünem Wasserstoff, wird der Wandel nicht von heute auf morgen kommen. „Ich denke, das Problem mit vielen Reedereien im Moment ist, dass sie einen Kraftstoff wollen, den sie in einem Verbrennungsmotor verheizen können. Das ist es, was sie kennen, das ist es, was sie verstehen, und das erfordert die kleinstmögliche Veränderung der Technologie“, erklärt Hudson.

Autotransporter im Hafen
VW arbeitet mit Siem Car Carriers zusammen, um mehr LNG-Schiffe für den Transport von Autos nach Nordamerika einzusetzen. (Bild: Siem Car Carriers)

Verbrennung von Biokraftstoffen ist voraussetzungsvoll

Die RoRo-Frachtgesellschaft UECC hat die eigene Flotte seit 2016 um sogenannte Dual-Fuel-Schiffe erweitert. Diese Schiffe können mit konventionellem Öl oder LNG betrieben werden und erreichen eine 20-prozentige CO2-Reduzierung im Vergleich zu konventionellen Pendants. Noch in diesem Jahr wird das Unternehmen das erste von drei neuen Dual-Fuel-Hybridschiffen in Empfang nehmen, die mit Hilfe von elektrischer Energie die im Hafen benötigten Hochleistungsmanöver durchführen können, was die Emissionen senkt und die lokale Umweltverschmutzung minimiert.

Damit Biokraftstoff jedoch wirklich tragfähig wird – und sei es nur als Brückentechnologie –muss er einen nachhaltigen Ursprung haben. Daniel Gent von der UECC meint: „Ganz oben steht das Nachhaltigkeitskriterium: Der Treibstoff muss immer aus einem Abfall- oder Reststoffstrom stammen. Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass der Rohstoff dafür nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion steht.“ Experte Hudson stimmt zu: „Wenn man mit irgendeinem cleveren neuen System kommt, um Algen oder Plankton aus dem Meer zu nutzen, könnte das tatsächlich eine gute langfristige Lösung sein, aber wenn es um landbasierte Biokraftstoffe geht, dann ist die Landnutzung zu wichtig für andere Dinge.“

Welche Rolle spielen die Autobauer?

Nachhaltigkeit ist in der Regel nicht sehr preiswert, was die Sache trotz des Hypes, der sie umgibt, erschwert. Während der ALSC Nordamerika-Konferenz im Februar dieses Jahres sagte Susanne Lehmann, Produktionsleiterin für die Region Nordamerika bei Volkswagen de Mexico, dass der Autokonzern den Transport von der Straße und mit dem Flugzeug wo möglich auf die See und die Schiene verlagern will. Volkswagen hat auch mit der Reederei Siem Car Carriers zusammengearbeitet, um mehr LNG-Schiffe einzusetzen.

Doch zugleich schränkte Lehmann ein: „Ich muss alle davon überzeugen, dass auch die Preisgestaltung im Kontext dieser Maßnahmen richtig ist, da wir nicht einfach sagen können: ‚Okay, lasst uns die Welt retten und das ganze Geld ausgeben‘. Es muss ein Gleichgewicht geben zwischen den momentanen Preisen, und solchen, die mit den Nachhaltigkeitsmaßnahmen einhergehen.“

Wie Volkswagen hat auch Renault das Pariser Abkommen unterzeichnet und will bis 2050 klimaneutral werden. Der französische Automobilhersteller möchte den Energiemix für seine Transporter anpassen, indem er wo möglich auf den Schienen- und Seeverkehr umsteigt und die Gesamtstrecke, die für jeden Kubikmeter Ladung zurückgelegt wird, durch Flussoptimierung und Verbesserungen der Lkw- und Containerfüllrate reduziert.

Florence Ughetto, Expertin für nachhaltige Logistik bei Renault, erklärt, wie das Unternehmen mit seinen Logistikunternehmen auf See zusammenarbeitet: „Wir haben mit einigen unserer Lieferanten längerfristige Verträge abgeschlossen. Dies ermöglicht es der betreffenden Reederei, in Nachhaltigkeitsinitiativen und damit in die Dekarbonisierung der Schiffe zu investieren. Vor jeder Ausschreibung wird eine Nachhaltigkeitsbewertung der jeweiligen Reederei durchgeführt. Dieses Kriterium hat in der Endabrechnung das gleiche Gewicht wie andere Maßgaben wie Qualität, Kosten, Durchlaufzeit und Betriebseffizienz.“

Nach Angaben der Reedereien ist das aber nicht immer so. Craig Jasienski, der vor Kurzem als CEO von Wallenius Wilhelmsen zurückgetreten ist, sagte gegenüber Automotive Logistics, es gebe in der Automobilbranche zwar ein starkes Interesse an der Verbesserung der Nachhaltigkeit der Lieferkette. Trotzdem habe er das Gefühl, dass Wallenius Wilhelmsen dieses Thema mehr forciere als es von den Autoherstellern gefordert werde. Er unterstreicht, dass Nachhaltigkeit eine „vierte Dimension“ sei, die in der Lieferkette oft noch fehle, während Kosten, Qualität und Geschwindigkeit die Haupttreiber blieben.

„Wir hatten einige paradoxe Situationen, in denen OEMs uns baten, eine bestimmte Lieferung von Produkten an einen Bestimmungsort zu beschleunigen. Wir haben ihnen transparent erklärt, welche Auswirkungen diese Entscheidung auf den CO2-Ausstoß haben würde, und dennoch wurden wir aufgefordert, das Projekt durchzuführen“, erklärt er. „Das haben wir also getan und am nächsten Tag wird uns die Frage gestellt, was wir tun, um die Nachhaltigkeit in der Lieferkette zu verbessern.“

ein BMW i3 vor einem Autotransportschiff
Die Reederei UECC setzt bei ihren RoRo-Autotransportern auf Biotreibstoff auf Basis von Speiseöl. (Bild: UECC)

Regulatorische Eingriffe könnten helfen

Die Reederei UECC unterdessen würde regulatorische Anreize wie zum Beispiel ein Emissionshandelssystem unterstützen, ähnlich dem in der Energiebranche. Die Behörden müssten jedoch darauf achten, den Preis für Kohlenstoff nicht zu niedrig anzusetzen, da dies den „Verschmutzern“ erlauben würde, einfach zu bezahlen und weiterzumachen, meint Daniel Gent.

Während ein solches System innerhalb der EU realisierbar erscheint, wäre es auf globaler Ebene sehr viel komplizierter. „Was einen Wandel erzwingen würde, wäre natürlich eine Art Kohlenstoffsteuer“, sagt Experte Stephen Turnock von der Uni Southampton. „Das würde Wissen bündeln und einen größeren Anreiz bieten, auf sauberere Kraftstoffe umzusteigen.“

Die andere regulatorische Frage, die angesprochen werden muss, ist die Klassifizierung. Derzeit sind viele der vielversprechenden Brennstoffe wie Wasserstoff und Ammoniak als gefährlich eingestuft und daher verboten. Auch wenn Ausnahmen möglich sind, müsste unter anderem die IMO Maßnahmen ergreifen, um den Fortschritt nicht zu verlangsamen.

Die Suche nach dem Königsweg geht weiter

In Anbetracht der großen Vielfalt an Routen und der hohen Kosten einiger Lösungen sieht es so aus, als ob vorerst viele verschiedene Technologien miteinander konkurrieren werden – einige davon nur in Nischenmärkten. Wallenius Wilhelmsen gibt freimütig zu, dass es sich bei dem Autotransporter Orcelle Wind um ein Premium-Angebot handelt, das zunächst auf bestimmten Strecken mit günstigen Bedingungen erprobt werden soll. Renault unterstützt auch die Windenergie und ist seit 2018 ein Investor in das Neoline-Projekt, das ein windgetriebenes Transatlantikschiff entwickelt.

Der Hybridantrieb ist zwar ein guter Weg für die Automobilindustrie, den Schadstoffausstoß von Fahrzeugen zu reduzieren, eignet sich aber derzeit nur für den Betrieb im Hafen und für das sogenannten Peak Shaving – also die Unterstützung eines mit konstanter Last laufenden Verbrennungsmotors, wenn viel Energie benötigt wird. Renault setzt für den Transport von Autos zwischen Spanien und Italien ein Hybridschiff von Grimaldi ein, das nach eigenen Angaben die CO2-Emissionen im Vergleich zum vorherigen Modell um 39 Prozent reduziert.

Der beste Weg, Emissionen in der Logistik von Fahrzeugen und Komponenten quer über die Weltmeere zu reduzieren, bleibt weiter unklar. Die britischen Wissenschaftler Hudson und Turnock sind etwa der Meinung, dass die Autohersteller mehr tun könnten, als nur die Reedereien zu Verbesserungen zu drängen. Einerseits sei die Automobilindustrie in der Lage, komplexe Systeme kostengünstig zu produzieren und ihre Innovationen in die Schifffahrt einfließen zu lassen.

Zum anderen bestehe die Möglichkeit, die Lieferkette weiter zu vernetzen. Hudson schlägt vor, dass Häfen zu Drehscheiben werden könnten, um die Dekarbonisierung zu fördern, sowohl an Land als auch auf See. Wie auch immer die beste Lösung aussehen mag, die Zeit zum Handeln ist längst gekommen – Ankündigungen und Pilotstudien gab es schon zuhauf.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Automotive Logistics.

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