Rotormontage Hybridgetriebe

ZF bereitet sich in der Fertigung auf die Anforderungen eines elektrifizierten Antriebsstrangs vor. (Bild: ZF)

ZF ist seit jeher bekannt für seine automatischen Getriebe. Diese sind zwar weit davon entfernt, veraltet zu sein, da Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor und ihre Hybrid-Weiterentwicklungen weiterhin auf den Straßen vorherrschen, aber das Unternehmen wartet nicht darauf, Geschichte zu werden. Der traditionsreiche Zulieferer vom Bodensee baut derzeit seine Fähigkeiten und ein Produktsortiment an elektrifizierten Antrieben auf und will auch auf den Technologiemarkt fürs autonome Fahren. Letztes Jahr kündigte ZF sogar an, dass sie nicht mehr in Getriebe investieren würde, die ausschließlich für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor entwickelt wurden.

Diese strategische Verlagerung erfordert eine Investition in neue Fähigkeiten, Einrichtungen und Nachhaltigkeit, wobei sich die Beziehungen zu OEMs und vorgeschalteten Lieferanten verändern. Hinzu kommen die Herausforderungen durch eine globale Pandemie.

Neue Beziehungen

„Man sieht zweifellos ein sich änderndes Verhalten“, sagt Arno Güllering, SVP Operations Division Car Powertrain bei ZF. „Die OEMs streben viel mehr nach kompletten Systemen. Das bringt uns in die Lage, Entwicklungsfähigkeiten und Anstrengungen im Gleichgewicht zu halten, dazu liegt die Industrialisierung kompletter Systeme nicht mehr beim Hersteller.“

Insgesamt kommt diese Tendenz ZF entgegen, da sie zu strategischen Partnerschaften führt und letztlich ein besseres Produkt hervorbringt, da Effizienz und Qualität zum Hauptantrieb statt eines bloßen Preiskriegs werden.

Automobilhersteller, die komplette „schlüsselfertigen“ Antriebsstranganlagen wollen, schieben die Systemverantwortung zum Lieferanten. Güllering sieht das als Win-Win-Situation bei Produktentwicklung und Fertigung: „Es bedeutet auch eine Kostenersparnis für die OEMs, da sie im Fertigungsbereich nicht investieren müssen. Das verschafft uns mehr Entwicklungsfreiheiten in Produktion und Produkt-Engineering.“

Ein ZF-Mitarbeiter in Schweinfurt montiert Komponenten für einen Stator, der später in einem Hybridgetriebe verbaut wird.
Festtehende Statoren in Hybridgetrieben sind wesentliche Bestandteile eines Elektromotors.

Derselbe Wandel spiegelt sich auch im Zusammenspiel mit ZFs Lieferanten wider. Wie beim Systemwissen werden auch klare Nachhaltigkeitsziele über die gesamte Lieferkette hinweg immer wichtiger. ZF zielt darauf ab, bis zum Jahr 2040 klimaneutral zu werden, sowohl in Bezug auf seine eigene Produktion als auch hinsichtlich der Lieferanten.

„Wir glauben fest daran, dass Nachhaltigkeit – und das hören wir von unseren wichtigsten Kunden – wirklich ein Alleinstellungsmerkmal für die Zukunft ist“, betont Arno Güllering. Neben der Qualität und dem Innovationsgrad eines Produktes werde dies ein entscheidender Punkt bei der Auswahl von Lieferanten sein. Es gelte, nach Partnern zu suchen, die dieselben Werte und Ziele teilen – nicht nur in Bezug auf Nachhaltigkeit sondern auch auf Menschenrechte, so der ZF-Manager.

Wege zur neuen Fertigung

Güllering betont, dass die Investitionen von ZF in die Elektromobilität sich bezahlt gemacht hätten, da das Unternehmen mit Fertigungskapazitäten im vertrauten Bereich der Getriebe gut vorbereitet ist. Diese behalten ihre Wichtigkeit, da jedes vom Getriebe erzeugte Geräusch- und Vibrationsaufkommen besonders bei einem sonst geräuschlosen Elektrofahrzeug bemerkbar ist, aber auch bei Stromaggregaten und der entsprechenden Elektronik, wie etwa oberflächenmontierten Bauelementen.

Der Zulieferer aus Friedrichshafen hat bereits damit begonnen, Elektronikarchitekturen mit 400 Volt in Serie zu produzieren, 800-Volt-Systeme stehen schon in den Startlöchern. Letztere sind heute noch selten; nur der Porsche Taycan nutzt derzeit entsprechende Architekturen, jedoch könnte dies zum Standard für Premium-Elektrofahrzeuge wie dem kommenden Audi-Sportlimousine E-Tron GT werden. Auch Hyundai kündigte an, dass sie an einer 800-Volt-Plattform arbeiten.

ZF-Mitarbeiter bei der End-of-Line-Prüfung
Die End-of-Line-Prüfung ist bei elektrifizierten Antrieben deutlich komplexer.

Trotz einiger Überschneidungen zwischen der Fertigung traditioneller Mehrganggetriebe und Antriebssträngen für Elektrofahrzeuge hält ZF sie weitgehend auseinander, wobei die Erfahrung der Mitarbeiter natürlich eine Stärke ist, wenn Antriebsstränge für Elektrofahrzeuge vorherrschend werden und Werke nur noch Elektrokomponenten fertigen.

Der Automatisierungsgrad in den Antriebsstrangwerken ist vergleichbar mit dem Zusammenbau von Getrieben für Hybridfahrzeuge und Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, aber es besteht eine zusätzliche Komplexität, da die End-of-Line-Kontrolle mehr Tests elektrischer Komponenten und von Software beinhaltet als bei herkömmlichen Getrieben.

Beim Zusammenbau oberflächenmontierter Bauelemente ist eine Weiterentwicklung nötig, um denselben Automatisierungsgrad zu erreichen, während Innovationen im Bereich hochleistungsfähiger Permanentmagnet-Synchronmotoren und der sogenannten Hairpin-Technologie für Motoren auch eine Weiterentwicklung von Fertigungstechniken erfordern.

Aus den schweren Zeiten lernen

ZFs Enthusiasmus auf dem Weg ins Elektro-Zeitalter erfuhr durch die Corona-Pandemie einen jähen Dämpfer. Wie die gesamte Industrie hat das Unternehmen im April und Juni sehr gelitten, als die Werke komplett stillgelegt waren. Das dritte und das vierte Quartal 2020 seien ein Hochdrucktest für die Fertigung und für die Lieferkette gewesen, da der Betrieb schnell wieder hochgefahren werden musste, als die Nachfrage sich schneller erholte als erwartet, so Arno Güllering.

Nach seiner Einschätzung ist der wesentliche Punkt die Hochtaktsteuerung mit regelmäßigen Überprüfungen der Lieferantenquoten sowie tägliche und wöchentliche Anpassungen in Bezug darauf, welches Material- und Komponentenvolumen hereinkommt und wie viel hinausgeht. Die aktuelle Knappheit an Halbleitern war nicht hilfreich, obwohl ZF bisher nicht sehr stark davon betroffen war.

Zudem musste der Schutz des Beschäftigten durch Angleichung der Schichten, Installation von Trennwänden, Bereitstellung von Desinfektionsmittel, Einführung von Kantinenplänen und einer wirklichen Durchsetzung von Homeoffice für Büroangestellte ausgebaut werden. Güllering: „Persönlich hoffe ich, dass wir nach Corona nicht mehr so viel reisen werden. Ich freue mich darauf, dass wir im Blick auf die Nachhaltigkeit vieles von dem, was wir in diesen schweren Zeiten gelernt haben, fortschreiben können.“

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