Stefan Sommer, CEO ZF Friedrichshafen AG

“Es gibt Lieferanten, bei denen wir Volumen bündeln können und nun nachhaken”, sagt Stefan Sommer, CEO ZF Friedrichshafen AG. (Bild: ZF)

AUTOMOBIL PRODUKTION: Herr Dr. Sommer, ZF steigerte seinen Umsatz um neun Prozent auf 18,4 Milliarden Euro. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) stieg um 36 Prozent auf 1,1 Milliarden Euro. Die Umsatzprognose Ihres Kollegen Elmar Degenhart für 2020 beläuft sich auf 50 Milliarden Euro. Wie lautet die Prognose für ZF im Jahre 2020?
Wir sind gerade dabei das Zahlenwerk zu sortieren. Leider ist das wegen der Umstellung von TRW auf IFRS-Kennzahlen nicht ganz so einfach, die beiden Zahlenwerke zusammenzubringen. ZF und TRW ergeben zusammen 2020 einen Umsatz von etwa 40 Milliarden Euro. Was Umsatzziele angeht, hatten wir uns für ZF ohne TRW das Ziel der 40 Milliarden Euro bis 2025 gesetzt.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wo stehen ZF und TRW zusammen in 2025?
Bis Mitte nächsten Jahres integrieren und harmonisieren wir und beziehen TRW in die strategischen Prozesse mit ein. Das heißt, wir werden die TRW-Kollegen auffordern für ihre Märkte und ihre Produkte Umsatzziele für das Jahr 2025 zu entwickeln. Danach werden wir die 40 Milliarden überprüfen. Das wird dann etwas jenseits der Grenze sein, was sich Continental für 2020 vornimmt.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Ist das konservativ gedacht?
Ja, das ist konservativ gedacht. Die 40 Milliarden klingen zunächst nach viel. Wir hatten uns das Ziel ja erst vor zwei Jahren gesetzt – da waren wir noch bei 17 Milliarden Euro Umsatz. Danach haben wir das Geschäftsfeld Gummi und Kunststoff und die Lenksysteme rausgenommen. Deswegen sind wir jetzt “nur” bei 18,4 Milliarden. Da klangen 40 Milliarden exorbitant viel. Wenn man die aber über die Jahre verteilt – ist ein geringeres durchschnittlicheres Wachstum herausgekommen als wir in den Jahren zuvor hatten.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Hat der Zukauf von TRW Ihre Strategie 2025 verändert?
Noch nicht. Die lassen wir bewusst stehen bis zu dem Zeitpunkt, zu dem wir TRW komplett mit im Boot haben.

AUTOMOBIL PRODUKTION: An der grundsätzlichen Ausrichtung für 2025 ändert sich nichts?
Nein. Wir wollen im Jahr 2025 ein erfolgreiches Unternehmen in der Automobilindustrie sein. Unser Erfolg orientiert sich an drei Megatrends. Der eine ist Effizienz und ökologische Verträglichkeit von individueller Mobilität. Das andere ist das Thema Assistenzsysteme, automatisiertes Fahren oder digitalisierter Autofahrer. Und der dritte Trend ist die Fahrzeugsicherheit. Auf deren drei Säulen basiert unsere Strategie. Das wird für TRW nicht anders sein, denn die gesellschaftlichen Analysen sind ja die gleichen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Jeder kennt den Namen des japanischen Zulieferers Takata im Zusammenhang mit Rückrufen. Wäre der Kauf von Takata nicht eine Überlegung wert?
Nein. Im Augenblick werden deren Aufträge substituiert. Auch wir sprechen mit allen Kunden darüber, die Takata-Airbags durch TRW-Airbags zu ersetzen. Und wir versuchen damit fair umzugehen. Die Kapazitäten von Takata als Unternehmen oder deren Marktanteile brauchen wir nicht. Takata ist ein trauriges Beispiel für eine falsche technologische Entscheidung, die sich erst nach sehr langer Zeit auswirkt, nach der schon sehr viele Produkte im Markt sind.. Das Unternehmen hat jetzt mangels Aufträgen schwer zu kämpfen

AUTOMOBIL PRODUKTION: In welche Bereiche fließen die meisten Forschungsgelder?
Sicherlich in das Thema Elektrifizierung des Antriebsstrangs und Effizienzgewinn im Antriebsstrang, sprich neue Getriebegenerationen. Wir wollen 2- und 3-Zylindermotoren salonfähig machen, die entweder sehr laut sind oder Vibrationen übertragen. Da kommen dann Produkte wie ein Wandler oder auch Zweimassen-Schwungräder in erweiterter Form zum Tragen. Wir arbeiten auch daran, unsere Getriebe teilelektrisch zu machen. Da fließen die meisten F+E-Gelder rein, weil der Marktdruck hier auch am höchsten ist. Das Thema automatisiertes Fahren ist das zweitwichtigste Thema – vor allen Dingen die sichere Erfassung des Umfeldes.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Ziehen Sie jetzt auf Augenhöhe mit Bosch und Continental?
Ja, das wollen wir auf jeden Fall und dies ist auch unsere Strategie: Wir wollen einer der führenden Anbieter für alle Produkte sein, um die Megatrends zu bedienen. Und in Bereichen des automatisierten Fahrens und der Fahrerassistenzsysteme wollen wir natürlich auch Innovationsführer sein. Deshalb investieren wir auch kräftig.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Zusätzlich verkaufen Sie auch Getriebe und Achsen, was die beiden anderen ja nicht können….
Genau. Das wollen wir auch kombinieren. Das heißt, wenn wir Konzepte eines Zukunftsfahrzeuges andenken, dann parken die nicht nur automatisch ein – sondern die parken auch elektrisch automatisch ein – also absolut emissionsfrei. Das verfolgt die Vorstellung einer emissionsfreien Innenstadt, die nicht genug Platz für alle Fahrzeuge hat und intelligente Verkehrskonzepte benötigt. Wir wollen Produkte kreieren über unsere drei Technologiesäulen hinweg.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie weit sind Sie mit angedachten Radnabenmotor?
Wir werden auf der IAA ein Fahrzeug vorstellen – unsere ZF-Vision. Mit diesem Fahrzeug kann man relativ schnell einparken – automatisiert und platzsparender als bisher. Gleichzeitig ist es ein rein elektrisches Fahrzeug mit einer Verbundlenker-Achse, bei dem zwei Elektromotoren auf der Nabe sitzen. Wir bringen sie auf dem Längslenker in der Mitte an – so dass die Fahreigenschaften aus dem Fahrwerk und die Tatsache, dass elektrisch radnah angetrieben wird, den besten Kompromiss darstellen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Besteht dafür Interesse von Seiten Ihrer Kunden?
Ja, das ist da. Von deutschen Kunden.

Zur Person
Dr. Stefan Sommer, gebürtiger Münsteraner, studierte Maschinenbau in Bochum und begann 1994 seine berufliche Laufbahn bei der ITT Automotive Group Europe GmbH in Frankfurt am Main als Entwicklungsingenieur. 1997 wechselte er zu Continental Automotive Systems nach Hannover. 2008 ging Sommer zur ZF Sachs AG in Schweinfurt als Mitglied des Vorstands. Der Aufsichtsrat des Mutterkonzerns berief Sommer 2010 in den Konzernvorstand. Im Januar 2012 wurde er stellvertretender Vorsitzender des Vorstands. Seit. Mai 2012 ist Sommer Vorsitzender des Vorstands der ZF Friedrichshafen AG.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Denken Sie an weitere Akquisitionen?
Kleinere Akquisitionen werden wir nach wie vor vornehmen. Derzeit arbeiten wir gerade auf das Closing von Boschs Großgetriebe-Sparte hin. Wir werden die Industrietechnik nicht vernachlässigen und wollen unsere Position dort ausweiten. Ich will auch im Nutzfahrzeugbereich nicht ausschließen, dass wir Akquisitionen oder Kooperationen eingehen, die uns in eine ähnliche Position bringen, wie wir sie im Pkw-Bereich haben. Und selbst im Bereich der Pkw-Technik möchte ich nicht ausschließen, dass wir im Kompetenzfeld Kamera, Algorithmik, Software noch weitere Schritte gehen. Nicht so einen großen wie Continental gerade mit der Übernahme von Elektrobit gegangen ist – den ich für einen sehr klugen Schritt halte.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Bosch sagt, es wird schwierig im Automotive-Bereich zuzukaufen, weil man meist an kartellrechtliche Grenzen stößt….
Das sehe ich nicht so. Die Kartellämter schauen eigentlich nur auf bestimmte Märkte. Ich darf in einem Markt – es kann ABS, ESP oder ein komplettes System für automatisiertes Fahren sein – keine beherrschende Stellung haben. Das beginnt bei etwa 30 bis 40 Prozent Marktanteil. Ist man darunter, ist es in der Regel unkritisch. ZF kann aber jederzeit neue Technologien hinzukaufen. Das kann Bosch ebenfalls.

AUTOMOBIL PRODUKTION: In Ihrer Strategie fühlen Sie sich da nicht behindert?
Nein. Wir könnten beispielsweise auch einen anderen Getriebehersteller kaufen, obwohl wir sicherlich einer der größten sind. Solange dieser keine Automatikgetriebe herstellt oder solange er nicht genau die gleichen Getriebe macht wie wir.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sie könnten sich also einen Getrag einverleiben – als Beispiel…?
Ja, denn der macht Handschalt- und Doppelkupplungsgetriebe. Und wir machen im Wesentlichen Automatikgetriebe. Nur für Porsche liefern wir Doppelkupplungsgetriebe.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Das Kartellrecht guckt also auf einzelne Produkte…
Ja. Es geht nicht nur einfach um Getriebe. Wir würden unsere Stellung im Markt nicht verbessern und hätten nicht mehr Macht. Kartell bedeutet ja nur, eine marktverzerrende Macht zu haben. Die hätten wir nicht.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Daimler stellt derzeit alle Powertrain-Werke auf den Prüfstand und guckt, ob es nicht sinnvoll ist, bestimmte Umfänge an Zulieferer zu geben. Traditionell kommen Sie mit Daimler nicht so richtig ins Geschäft. Ändert sich das durch den TRW-Kauf gerade?
Wir sind immer wieder mit Daimler im Gespräch und teilweise sind wir auch im Geschäft: in Südamerika mit dem Nutzfahrzeug-Getriebe, dann haben wir die Handschalt-Getriebe gewonnen – was sinnvoll war, weil die Stückzahlen abnehmen. Wir machen jetzt in unserem ZF-Werk in Brandenburg Handschaltgetriebe, die Daimler vorher selbst gefertigt hat.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Für welche Fahrzeuge?
Für die heckgetriebenen Fahrzeuge, also die C-Klasse und E-Klasse. Das ist auch ein Markt, der abfällt, weil Automaten immer beliebter werden. Bei Daimler ist es immer schwierig, weil die Stuttgarter eine eigene Entwicklung haben und die wiederum hat ihre Vorstellung, wie so ein Getriebe aussieht. Unsere Entwicklung hat eine ganz andere Vorstellung, wie so ein Getriebe aussieht. Und da treffen dann gelegentlich Welten aufeinander – oder besser gesagt Wettbewerber.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Ja klar – in diesem Falle schon.
Wenn wir in größerem Stil Getriebe übernehmen würden – also eher in China oder in Südamerika – betrifft das nicht heutige Strukturen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: In China sind Sie über ein Joint-Venture mit BAIC schon im BBAC-Komplex (Beijing Benz Automotive Co.) vertreten…
Dort machen wir hauptsächlich Achsmontagen, aber heute noch keine Getriebe. Aber wir sprechen über Lieferszenarien und Daimler ist dafür offen. Der Grund, warum wir heute noch nicht liefern, ist, dass wir noch nicht genau deren Technologie-Philosophie treffen. Und manchmal auch nicht das Kostenniveau, das Daimler inhouse realisieren kann.

Stefan Sommer, CEO ZF

“In der Technologie arbeiten wir sogar schon ganz heftig zusammen”, so Sommer über die Zusammenarbeit mit beziehungsweise die Integration von ZF. Bild: ZF

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sind weitere Verkäufe von Geschäftsfeldern geplant?
Kurzfristig steht nichts auf unserer Agenda. Bei TRW gibt es noch zwei, die wir realisieren müssen: die Motorventile hat TRW noch als eigenständiges Unternehmen verkauft. Nur die Trennung ist noch nicht vollzogen. Und im Rahmen der Kartellfreigabe mussten wir das Fahrwerk-Komponenten-Geschäft – ein kleiner Geschäftszweig bei TRW – verkaufen. Dieser Vertrag mit THK aus Japan ist nun auch unterschrieben. Rein von der Portfolio-Betrachtung halten wir natürlich an allem fest, was auf automatisiertes Fahren einzahlt: Bremsen, Lenkung, Bremssteuergeräte für ABS und ESP. Genauso wie alle Sicherheitssysteme – also die Airbags und was damit assoziiert ist.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Welche Details können Sie zur Integration verraten?
Wir arbeiten kontinuierlich in 13 Workstreams, also Arbeitsgruppen, und konzentrieren uns zuerst auf das Thema Governance. Bedeutet: wir sprechen darüber, die Revision zu vereinheitlichen, ebenso die Konzernkommunikation. Wir brauchen einen gemeinschaftlichen Auftritt. Wir treten auf der IAA auch erstmals mit einem gemeinschaftlichen Messestand auf.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Arbeiten Sie auch schon an gemeinsamen Produkten?
In der Technologie arbeiten wir sogar schon ganz heftig zusammen. Das macht richtig viel Freude – wie viele Ideen da schon generiert wurden. Wir zeigen in Frankfurt ein Fahrzeug, in dem viel TRW- und ZF-Technik drin steckt und auch sehr gut zusammenpasst. Dann arbeiten wir im Einkauf zusammen – und haben uns natürlich auch entsprechende Ziele gesteckt. Wir arbeiten in Brasilien zusammen – wo uns der Markteinbruch und die Inflation zwingen, die beiden Strukturen anzupassen. Oberste Priorität hat das Zusammenbringen des Zahlenwerks. Wenn wir über Produktivität bei ZF sprechen, dann steht ein anderes Zahlenwerk dahinter, als ob ein TRW-Mann über Produktivität redet. Das ist ganz natürlich so.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sie sprechen wahrscheinlich von der jährlichen Produktivitätsverbesserung?
Zum Beispiel. Und wie passiert das? Das eine Werk rechnet seinen Werkleiter mit hinein – das andere rechnet ihn heraus. Ein Werk hat die Logistik an den Zulieferer gegeben, das andere hat sie inhouse. Und so kommen natürlich unterschiedliche Zahlen heraus. Wir tauchen jetzt überall tief ein – in Qualitätskennzahlen, Performance-Kennzahlen und andere Finanzkennzahlen. Hier wird der vielzitierte Kulturunterschied sichtbar – und dabei geht es nicht um Amerikaner und Deutsche, sondern vielmehr um ein börsennotiertes Unternehmen und ein Unternehmen mit Stiftungshintergrund. Ein börsennotiertes Unternehmen hat eine Zielvorgabe und muss sich jedes Vierteljahr vor die Finanzgemeinde stellen und eine gute Geschichte erzählen, sonst stürzt der Börsenkurs ab. Das müssen wir nicht. Dadurch tendieren die TRW-Kennzahlen eher dahin, alle 90 Tage eine gute Geschichte zu erzählen. Und unsere sind – ich sag es mal ganz vorsichtig – ein bisschen ehrlicher und konservativer. Wir wollen keine Wertung haben und sagen: der eine hat es richtig gemacht und der andere nicht. Es haben beide richtig gemacht in ihrem Umfeld. Das ist die Basis für die Integration.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Verraten Sie mir die Prozentzahl an Produktivitätsgewinn, die von den OEMs eingefordert wird?
Wir haben keine konkreten Zahlen im Sinne der Integration. Aber klar, jeder OEM hat seine Produktivitätszahlen, die er umsetzen möchte. Das ist teilweise über die Commodities verschieden und schwankt zwischen ein und fünf Prozent. Unter einem Prozent kommen wir eigentlich nie weg. Der Rest hängt mit dem Neuheitsgrad des Produktes zusammen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Rollt auf Ihre Lieferanten jetzt eine Kostensenkungs-Welle zu?
Wir analysieren das im Augenblick. Es gibt Lieferanten, bei denen wir Volumen bündeln können, und nun selbstverständlich nachhaken – so wie unsere Kunden das bei uns auch tun. Dort, wo große Lieferanten TRW und ZF beliefern – und die sogar die gleichen Produkte liefern – fragen wir natürlich an, ob es im Materialeinkauf einen Hebel gibt oder Vereinfachungen in der Logistikkette zu erschließen sind. Und die Kosten wollen wir auch von den Lieferanten haben.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sie gucken sich neben der Logistik die gesamte Wertschöpfung an und wollen Best Practise Lösungen etablieren. Was kommt auf Ihre Lieferanten zu?
Langfristig wollen wir uns harmonisieren. Das heißt, die Lieferanten werden die gleichen Qualitäts- und Liefervorschriften bekommen. Das machen wir aber im Dialog mit den Lieferanten in unserer Supplier Academy, in der wir versuchen, die Lieferanten möglichst gut zu informieren und zu schulen: Wie funktionieren sie in dem großen Gebilde ZF gut und effizient? Das werden wir auch auf unsere TRW-Lieferanten ausweiten.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sie haben automatisch mehr ein Auge auf Amerika wegen TRW – gerät da China aus dem Fokus?
Überhaupt nicht. TRW hat genau den gleichen Fokus. Wenn ich in Amerika bei TRW reinschaue, sehe ich globale Strukturen und sehe sofort auch wieder China.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sie produzieren ab 2017 ein Neungang-Getriebe in China. Für wen?
Wir haben im Augenblick noch keine definitiven Pläne. Es wird ein chinesisches Unternehmen sein und ein europäisches, die ab 2017 produzieren. Aber darüber gibt es noch keine finalen Vereinbarungen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wissen Sie schon wo sie das Werk eröffnen?
Das ist noch nicht entschieden. Möglicherweise in der Nähe von Peking.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Für Ihren Kunden aus Stuttgart namens Daimler?
Nein. Das ist ein Gebäude, das wir jetzt über Bosch Rexroth bekommen haben. Es ist noch nicht entschieden, aber die Integration der Bosch Rexroth Großgetriebe schafft für uns die Möglichkeiten, bestehende Gebäude zu nutzen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: In Ihrer ZF-Stratege 2025 steht, dass Sie Fremdprodukte in die eigenen Produkte integrieren wollen. An was denken Sie bei dem Wort Fremdprodukte?
Wir wollen stärker in den Zukauf von Komponenten gehen. Zum Beispiel haben wir in der Vergangenheit unsere Zahnräder ausschließlich selbst gemacht. Mittlerweile kaufen wir auch in Nordamerika zu. Das fördert letztendlich unser Wachstum ohne dass wir selbst in die Investitionen und in die Vorleistung gehen müssen. Wir kaufen heute in Bereichen zu, die in der Vergangenheit ausgeschlossen waren: Zahnräder, Wellen, Teilgetriebe.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Was müssen Sie weiterhin unbedingt selber machen?
Wir wollen die Marktbedürfnisse möglichst schnell erfüllen. China braucht relativ schnell Neungang-Getriebe. Das gleiche gilt für Nordamerika. Wir können nicht alles gleichzeitig – dazu fehlen uns auch die finanziellen Mittel. So ein Getriebewerk ist sehr teuer. Damit eröffnen wir vielen Zulieferern die Möglichkeit, uns zu unterstützen, und wir teilen somit einen bestimmten Anteil unseres Wachstums mit unseren Lieferanten. Das gilt für Gießereien, das Schmieden, das gilt für Zahnräder und Zahnradsätze. Wir haben auch schon für das 9-Gang-Getriebe in Korea Drehmomentwandler eingekauft. Wir wollen uns aber nicht komplett von selbst produzierten Zahnrädern oder Wandlern trennen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Arbeiten die Integrationsgruppen auch an einer Umstrukturierung?
Im Augenblick machen wir keine Umstrukturierung. Wir sind gerade dabei die Techniker von TRW in unsere Landschaft zu integrieren. Also da, wo früher bei uns der Elektroniker, der Getriebemann und der Fahrwerksmann zusammengearbeitet haben um eine elektrisch angetriebene Verbundlenkachse voran zu treiben, sitzen jetzt mindestens zwei Leute von TRW dabei. Der eine vertritt Lenkung und Bremse und der andere vertritt Elektronik und Insassenschutz – also die Airbag-Themen. Und da wird dann besprochen, welche Lenkung wann zur Verfügung steht und welche Beiträge Kameras im Verbund mit Radarsensoren erbringen können.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sicherlich eines Ihrer schwierigsten Themen: Wie harmonisieren Sie das Gehaltsgefüge in der Vorstandsetage?
Auf der Vorstandsebene haben wir mit den verbleibenden Vorständen Vereinbarungen gefunden, die auch mit unseren Gehältern harmonisieren. Und in der Ebene darunter sind die Gehaltsstrukturen zwischen ZF und TRW nicht so unterschiedlich. Die größte Aufgabe ist, die Aktienoptionen der TRW-Führungskräfte in Longterm-Incentives umzuwandeln. Das sind oft auf drei Jahre angelegte Unternehmensziele, die aktuell bis Ende des Jahres 2017 gelten. Das führen wir auch bei unseren obersten Führungskreisen ein. Als Vorstände haben wir schon lange solche „Nachhaltigkeits-Ziele“. Wenn wir das eingeführt haben, unterscheiden wir uns auf dieser Ebene nicht so stark von der Vergangenheit. Dann reden wir über Zielerfüllungsgrade. Und da müssen wir sagen: die Aktien allgemein – das ist nicht nur die TRW-Aktie – haben sich in den letzten drei, vier Jahren überproportional gut entwickelt. Das hat zu sehr, sehr hohen Zielerfüllungsgraden auf der amerikanischen Seite geführt. Über den Aktienkurs sind die TRW Leute Zielerreichungsgrade jenseits der 200 Prozent gewöhnt – was bei uns per Definition ausgeschlossen ist.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie weit liegen die Gehälter noch auseinander?
Weniger als 10 Prozent.

Das Interview führte Bettina Mayer

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