Marc Lichte, bereits seit mehr als drei Jahren Chefdesigner bei Audi, ist stolz auf sein neues Baby und muss endlich keine gute Miene mehr zum bösen Spiel machen. Der A8 ist das erste Auto, das er zusammen mit seinem Team in die Tat umsetzte. Der Druck, ein neues Topmodell zu kreieren war groß; noch mächtiger jedoch die Aufgabe, das im Laufe der Jahre zahnlos gewordene Audidesign vergessen zu machen. Kein Wunder also, dass der gebürtige Arnsberger immer wieder um das neue Prachtstück von Audi herumgeht, Formen erklärt und zufrieden auf Designdetails hinweist.

„Wir sind einen Zentimeter höher geworden, um im Fond mehr Kopfraum zu haben“, erklärt Lichte knapp, „doch durch die leichte Coupéform denkt man, der A8 sei flacher als bisher. Das macht keiner in der Klasse.“ Recht hat er, doch der neue A8 wurde wegen Mischbauweise und Mehrausstattungen auch rund 50 Kilogramm schwerer. Nicht einfach zu kommunizieren in heutigen Weight-Watchers-Zeiten. Dabei kann sich das Doppelpack aus der 5,17 Meter langen Normalversion und dem deutlich wichtigeren Langmodell mit stattlichen 5,30 Metern sehen lassen. Kein Nachbau des betont dynamischen 7er BMW und auch kein Versuch, die mächtige Mercedes S-Klasse im Luxussegment zu kopieren. Der neue A8, der beim Audi-Zukunftskongress im nordspanischen Barcelona feierlich enthüllt wird und im November zu Preisen ab 90.600 Euro zu den Kunden rollt, macht vieles neu, einiges anders und sieht dabei allemal aus, wie aus einem Guss.

Der mächtige Kühlergrill, im marketinggeneigten Audi-Jargon unverändert Single-Frame genannt, ist nochmals breiter geworden. Mutiger, sportlicher und selbstbewusster als beim bisherigen A8, der trotz unbestrittener Qualitäten immer an einen aufgeblasenen A4 erinnerte. Die Front des Nachfolgers ist flach, die Motorhaube lang und die Dachlinie geht schick in die Heckpartie über. Hier hat Marc Lichte die Rückleuchten mehr denn je inszeniert. Wie einst bei einem Cadillac STS werden die OLED-Rücklichter von dem roten LED-Band umrahmt. Wer auf den Schlüssel drückt ober am Türgriff zieht, tritt ein LED-Band los, das nicht nur im Dunkeln für Aufsehen sorgen soll. Die Radhäuser wurden leicht aus der Karosserie herausgezogen. „Den neuen Audi A8 wird es nur noch als Allradversion geben“, sagt Marc Lichte, „das soll man auch sehen. Quattro ist wichtig für uns.“

Neuansatz im Innenraum

Die größte Neuerung hält das Vorzeigemodell mit den vier Ringen jedoch zunächst noch im Innenraum verborgen – bis man auf den Starterknopf drückt. Es gibt einen kompletten Neuansatz – ähnlich revolutionär wie BMW Anfang der 2000er Jahre mit seinem 7er der Baureihe E65 inkl. spektakulärem iDrive-Konzept. Einst belächelt, ist das Bediensystem mit dem Dreh-Drücksteller bis heute das Maß der internationalen Dinge. Das könnte sich jedoch mit dem neuen Audi A8 ändern. Denn Schalter und Taster sieht man im Achter nur noch eine Handvoll. Drei Taster auf der Mittelkonsole, ebenso viele links über dem Knie um das Licht zu bedienen und ein Lenkrad, „das irgendwie an Porsche und Modelle wie den 964er erinnert“, legt der bekennende Porsche-Fan Marc Lichte nach. Stört nur der überflüssige Lenkstockhebel links für den Tempomaten, der nicht ins Konzert und Großbildschirmen und berührungsempfindlichen Bedienflächen passen will.

Schick und praktisch: Die Lüftungsdüsen werden elektrisch nur dann geöffnet, wenn die Insassen auch frischer Luft frönen wollen. Sonst verstecken sich diese hinter Klavierlack oder offenporigen Hölzern. Die Mittelkonsole ist mit den zwei großen Touchbildschirmen (10,1 und 8,6 Zoll) eine echte Schau – es muss eben nicht immer eine hochkantige 17-Zoll-Bedienfläche im iPad-Stil sein, die das Interieur dominiert. Touchfeld oder den so begehrten Dreh-Drücksteller hat Audi schlicht gestrichen. Gegenüber dem Konzert der dunklen Bedienmodule und stufigen Flächen fällt das Cockpitdisplay etwas ab. Das sieht zwar vorbildlich aus, kennt man jedoch bereits von zahlreichen anderen Modellen des VW-Konzerns. Einfallslos für ein Topmodell.

Grandioser Sitzkomfort

Der Sitzkomfort ist schlicht grandios und selbst in der Kurzversion ist die Beinfreiheit üppig. „Der Zugewinn liegt im Vergleich zum Vorgänger bei sechs Zentimetern“, sagt Baureihenleiter Peter Fromm, „der Komfort im Fond hat eine neue Dimension.“ Wegen der großen Bedeutung des chinesischen Marktes werden die meisten Audi A8 in der 5,30-Meter-Langversion vom Band in Neckarsulm laufen. Dann sitzt es sich hinten geradezu herrschaftlich mit großen Bildschirmen oder einem Touchpad zur Steuerung von Jalousien und Sitzen. Die Sitze lassen sich klassenüblich nicht allein beheizen, kühlen oder mit einer Massagefunktion belegen. Auf Wunsch werden beim neuen Audi A8 sogar die Füße massiert.

So überraschend und spektakulär sich der Innenraum präsentiert, so erwartet geht es bei den Antrieben zu. Die Vierzylinder, die beim Vorgänger und der Konkurrenz als Einsteiger floppten, hat man außen vorgelassen und lässt den Luxus-Hoffnungsträger nur mit sechs, acht und zwölf Zylinder anrollen. Die größte Neuerung: alle Triebwerke bekommen die innovative 48-Volt-Technik; heißt, der A8 startet Dank Riemenstarter seidenweich, kann jederzeit elektrisch boosten, segeln und seine Fahrwerkssysteme sprechen schneller als bei allen anderen an. Das mag besonders im flotten Galopp besonders durch die Wankstabilisierung erlebenswert sein; eine echte Schau ist es jedoch, wenn ein Aufprall von der Seite droht. Dann kann sich der neue Audi A8 in Millisekunden acht Zentimeter in die Höhe schießen und bietet so einen einzigartigen Seitenaufprallschutz mit wichtigem Überlebensraum für die Insassen.

Ansonsten ist das Angebot an Fahrerassistenzsystemen schier unübersichtlich. Nach Aussagen von Audi-Technikvorstand Peter Mertens „ist der Audi A8 das erste Auto weltweit, das mit seinen redundanten Sicherheitssystemen beim autonomen Fahren über die Stufe drei verfügt“. Schade nur, dass der Kunde davon zunächst nichts merken wird. Da Audi seine unter dem Titel „AI – artifical intelligence“ zusammengefasste Fahrerassistenzsysteme mit Rücksicht auf Rechtslage und Kunden zum Marktstart wohl nur eingeschränkt freigibt, kann die deutsche Luxuslimousine eben auf längeren Strecken nicht ohne Zutun des Fahrers Kilometer fressen. Da wirken zusätzliche System wie der erstmals verbaute Mittenairbag oder Türen, die sich von innen nicht öffnen lassen, wenn es Auto oder Fahrrad kommt, schon fast wie real gewordene Träume von Daniel Düsentrieb.

Zum Serienstart Ende des Jahres gibt es zunächst einen Dreiliter-Diesel mit 286 PS und einen Dreiliter-V6-Benziner mit 340 PS. Im kommenden Jahr folgen leistungsstarke Achtzylinder für Diesel und Benziner (435 und 460 PS) sowie ein V6-Plug-In-Hybrid, der 330 kW / 449 PS und 700 Nm Gesamtleistung bietet und mehr als 50 Kilometer rein elektrisch zurücklegen kann. Danach wird das Portfolio von den beiden Topversionen A8 6.0 W12 (585 PS) und dem S8 mit über 600 PS abgerundet. Bei den Realverbräuchen soll die 48-Volt-Technik ganz nebenbei für eine Ersparnis von bis zu 0,7 Litern pro 100 Kilometern sorgen. Die technischen Rahmenbedingungen und das Design des neuen Audi A8 stimmen. Jetzt ist nur die Frage, ob er tatsächlich der Aufbruch in ein neues Audi-Zeitalter ohne Dieselskandal und Abberufungsforderungen des Vorstandschefs Rupert Stadler sein kann. Der Druck ist groß. Schließlich stehen mit den Modellen A7 und A6 zwei ebenso wichtige Modelle in den Startlöchern, von denen für die Ingolstädter und den gesamten VW-Konzern viel anhängt, um zurück in die Erfolgsspur zu kommen.

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