Was bewegt Menschen dazu, sich mit ihren schweineteuren, fast hundert Jahre alten Automobilen drei Tage lang über enge Bergstrecken zu quälen? Staub zu fressen, sich die Seele aus dem Leib schwitzen oder vom Regen durchnässt zu werden, eine nicht unwesentliche Startgebühr zu zahlen, nur um sich von Streckenposten rumkommandieren zu lassen und zu versuchen, auf die Hundertstelsekunde genau durch eine Lichtschranke zu rollen? Eine rationale Antwort ist schwer, eine emotionale, die zudem noch auf der Hand liegt, umso einfacher: "Weil es einen Höllen-Spaß macht!" "Wir treffen seit 17 Jahren Freunde, genießen die tolle Landschaft und haben natürlich auch bei den Wertungsprüfungen einen sportlichen Ehrgeiz", sagt Curt Bloss, der in einem "Bentley 4 ½ Litre" aus dem Jahr 1929 sitzt.

Die Vorkriegs-Preziosen gehören zu den Highlights der "Silvretta Classic", die auch 2016 wieder durch Montafon, Appenzeller Land, Liechtenstein und Tirol führt. Wer einmal die 34 Kehren der Silvretta Hochalpenstraße mit dem beeindruckenden Alpenpanorama im Hintergrund bezwungen hat, weiß um das Phänomen dieser Oldtimer-Rallye. Dieses Jahr war die legendäre Gebirgsstraße gleich dreimal Teil der Rundfahrt. Die 22,4 Kilometer lange Asphalt-Schlange kann man nicht oft genug überwinden. Selbst als es am dritten Tag regnet und die Tropfen wie fiese Nadelstiche das Gesicht malträtieren, verliert die Kurbelei nichts von ihrem Reiz. Zumal man diesen Preis zahlt, wenn man in einem unvergleichlichen Einzelstück, wie dem Mercedes 190 SL R (R für Rennversion) sitzt, bei dem der einzige Schutz vor der Unbill der Natur zwei winzig kleine Plexiglasscheibchen sind.

Das schmälert den Spaß während der drei Tage und knapp 600 Kilometern keineswegs. Hier wird das Auto noch gefahren und nicht in den engen Rahmen bewegt, den die Fahrassistenzsysteme gewähren. Der harte Kern des Oldtimer-Rallye-Trosses kennt sich schon seit vielen Jahren und muss sicher nicht am Hungertuch nagen. An den Armen der Damen baumeln Louis-Vuitton-Taschen, an den Handgelenken der Herren Schweizer Luxus-Uhren. Die Mode ist oft dem Fahrzeug und dessen Alter angemessen: Renn-Overalls, Motorradbrillen und Sturmhauben sind in der Startaufstellung und im Ziel zu sehen, aber auch das Exemplar weibliche Oligarchen-Gespielin mit langen sorgfältig getönten Haaren, dafür zu kurzen Hotpants, aus denen Beine, die in Netzstrümpfen stecken, herausragen, stöckelt durch die Landschaft.

Grandioser Zusammenhalt

Die Truppe ist kunterbunt. Neben den Herrenfahrern mit ihren elchledernen Handschuhen, sorgen auch zwei Jungs, die mit Strohhütten in einem Ford Mustang aus dem Jahr 1967 sitzen für Aufsehen. Dem Verdikt der Zuschauer fallen auch unschuldige Veranstaltungs-Utensilien zum Opfer. Das Ziel der letzten Tagesetappe befindet sich auf einer kleinen Rampe, wie bei einer WRC-Rallye. Als am zweiten Tag eine Shelby Cobra auf das Podest rollt, fordert das Publikum lautstark einen Soundcheck des mächtigen V8-Motors. Als der Pilot dem Verlangen nachgibt und dabei die Kupplung kommen lässt, reißen die mächtigen, durchdrehenden Hinterreifen die Unterlage, auf der der Wagen steht in Fetzen. Untermalt vom freudigen Gejohle der Zuschauer. "Drehmoment frisst Teppich", fasst Mit-Organisator Jürgen Illig lachend zusammen.

Der Zusammenhalt unter den Oldtimer Veteranen ist grandios. Als ein Teilnehmer an einer Tankstelle rund zehn Liter Wasser in den monströsen Kühler seines Bentleys schüttet, stoppt ein Rolls-Royce-Konkurrent und fragt, was los sei. Als der Bentley-Mann sein Malheur mit einem undichten Kühler erklärt, erfolgt die Antwort, wie aus der Pistole geschossen: "Wenn das nicht mehr zu reparieren ist, mache ich die Persenning weg und Deine Frau und Du fahren bei mir mit." Der Enthusiasmus der Teilnehmer mündet nicht selten in brutalen Nachtschichten. "Gestern Abend hat mich einer gebeten, ihn als Letzten starten zu lassen, weil der Fuhrmann-Motor seines Porsche 356 repariert werden musste. Die haben bis zwei Uhr nachts geschraubt", erzählt der zweite Mann der Rennleitung Harald Koepke. Die Teams müssen solche Probleme nicht im Alleingang lösen. Teil einer solchen Luxus-Rallye sind auch Oldtimer-Spezialisten, die Liegengebliebenen aus der Patsche helfen und selbst heikle Fälle wieder flottbekommen.

Die Zwischenstopps auf Kirchplätzen gleichen wahren Volksfesten. Bier wird ausgeschenkt, Autogrammjäger mischen sich unter das Fahrerfeld, um sich den Namenszug einer Berühmtheit zu ergattern. Vor allem Motorsportler greifen bei den Oldtimer-Rallyes gerne ins Lenkrad. "Mir gefallen die Strecken und die Landschaft. Das macht mehr Spaß, als einen Tag lang auf dem Hockenheimring den Fahr-Instruktor zu geben", strahlt der ehemalige österreichische Formel-1-Pilot Karl Wendlinger. Da ist es gut zu wissen, dass es nächstes Jahr die 20. Ausgabe der Rallye im Montafon geben wird.

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