In der Factory 56 informieren sich Mitarbeiter auf großen Bildschirmen über den aktuellen Stand in der Produktion

Elektroautos, Self-Driving-Cars oder Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor – in der Factory 56 laufen verschiedenste Modelle auf der gleichen Montagelinie. (Bild: Daimler)

In den letzten Monaten hat die Daimler-IT gemeinsam mit den Produktionsverantwortlichen bei Mercedes-Benz Cars das digitale Ökosystem MO360 aufgebaut. Es besteht aus mehreren Softwareapplikationen, die durch gemeinsame Schnittstellen und einheitliche Benutzeroberflächen verbunden sind und mit Echtzeitdaten die weltweite Fahrzeugfertigung unterstützen. Weite Teile von MO360 sind in mehr als 30 Werken des globalen Produktionsnetzwerkes im Einsatz. „Das neue Ökosystem macht die Fertigung noch transparenter, verschlankt Abläufe und ermöglicht die nahtlose Vernetzung von bisher getrennten Prozessen“, sagt Jörg Burzer, Vorstandsmitglied der Mercedes-Benz AG und verantwortlich für Produktion und Supply Chain Management. „Mit MO360 wollen wir sämtliche Produktionsabläufe digitalisieren, um sie aus allen Winkeln betrachten und analysieren zu können“, erläuterte er in einem Round-Table-Gespräch gegenüber Journalisten. Dadurch soll bis 2022 die Effizienz um 15 Prozent steigen.

Daimler offen für weltweite Entwickler-Community

Zur Steuerung der Produktion werden Unmengen von Daten erhoben und in Echtzeit auf Monitoren aggregiert nach Nutzerkreisen dargestellt – für Gruppenverantwortliche wie für Centerleiter. Das Tool SFMdigital, die Abkürzung steht für digitales Shoopfloor Management, zeigt an, wo und wann es in der Produktion zu Abweichungen von wichtigen Qualitätsparametern kommt. Zu den KPIs zählen neben dem Personaleinsatz die „Geradeauslaufquote“, also alle Fahrzeuge ohne Nacharbeit, die Produktionsziele pro Schicht oder der Umlaufbestand, der anzeigt, wie viele Fahrzeuge sich im Soll-Ist-Vergleich in einem Bereich befinden, beispielsweise im Inneneinbau. Die Verantwortlichen kennen jederzeit den Live-Status der Produktion und können rasch und transparent auf das aktuelle Geschehen reagieren. Die Echtzeitdaten aus dem Livebetrieb aller Mercedes-Benz-Fabriken ermöglicht es, frühzeitig die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Technologisch setzt MO360 auf wieder verwendbare Schnittstellen, skalierbare Cloudlösungen und vor allem auf Free and Open Source Software. So macht sich Daimler zum einen die Vorteile einer weltweiten Entwickler-Community zunutze, zum anderen die Dynamik und Kosteneffizienz von Open-Source-Projekten. CIO Jan Brecht setzt auch intern auf eine agile und iterative Zusammenarbeit: „Organisationsgrenzen spielen keine Rolle mehr. Alle Teams setzen das permanente Feedback aus der Produktion konsequent zur Optimierung und Weiterentwicklung der digitalen Werkzeuge ein. Sie verbessern kontinuierlich die Software in kurzzyklischen Sprints, um den MO360-Anwendern fortwährend erlebbaren Mehrwert zu liefern. So schaffen wir regelmäßige Software-Release-Zyklen von nur zwei Wochen – für Software-Engineering im Produktionsbereich ist das ein absoluter Bestwert.“

Daimler-CIO Jan Brecht im Gespräch mit automotiveIT
Daimler-CIO Jan Brecht: MO360 stellt in Echtzeit jedem Mitarbeiter individuelle und bedarfsgerechte Informationen und Arbeitsanweisungen bereit. (Bild: Claus Dick)

Möglich macht das unter anderem eine sogenannte Microservice-Architektur. Sie erlaubt es, sukzessive weitere Anwendungen in MO360 zu integrieren, ohne an Komplexitätsgrenzen zu stoßen. Aktuell sind die Komponenten Quality Live und SFMdigital (digitales Shoopfloor Management) eingebunden, wie Jan Brecht auf Nachfrage von automotiveIT bestätigte. In einem nächsten Schritt werden die Daimler-internen Logistiksysteme folgen. Mit Hilfe der Anwendung „Auto SC“ sollen die Abläufe zwischen den Werken ebenso wie Prozesse innerhalb eines Werkes optimiert werden. Auch eine Erweiterung über die Unternehmensgrenzen hinaus ist prinzipiell denkbar. „Wir können uns gut vorstellen, interessierte Lieferanten in das System einzubinden. Erste Gespräche hierzu laufen bereits“, bestätigt Jörg Burzer.

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