So also sieht die Zukunft aus. Auf den ersten Blick auch nicht viel anders als ein Audi Q5. Mit 4,90 Meter ein paar Zentimeter länger, nicht ganz so hoch, dafür ein bisschen breiter. Innen wie ein Facelift des Q5: Bequeme Sitze, ausreichend Platz im Heck, üppige 600 Liter Laderaum mit automatisch öffnender und schließender Heckklappe (+60 Liter vorne), breite Mittelkonsole mit etwas, das nach einem Automatik-Schaltknauf aussieht. Digitales Cockpit, Sitzheizung und -klimatisierung, elektrische Parkbremse, elektrische Fensterheber. Noch ein Premium-SUV also? Erst, wer genauer hinschaut, erkennt ein paar kleine Eigenheiten: den fehlenden Auspuff am Heck, die kleine Klappe zwischen vorderem Radkasten und Tür. Ja, so normal kann ein Elektroauto aussehen.

Der Audi E-Tron ist aber nicht nur ein profaner SUV: Er ist nach dem Selbstverständnis der Autobauer aus Ingolstadt der deutsche Herausforderer für Tesla. Genauer: für Teslas Model X. Der Audi E-Tron ist das erste reine Elektrofahrzeug von Audi und soll den Komfort und die Reichweite der alten Welt der Verbrenner in die neue Welt der ökologisch korrekten Stromer überführen. Kein solches Hybridwesen wie der i8 von BMW, kein Kleinwagen mit eingeschränkter Reichweite wie der i3. Ein vollwertiges Auto eben. Eines, das einen mit einer Akkuladung auch mal über die Landkreisgrenze hinaus führt - und wieder zurück.

Von den reinen Zahlen her haben die Ingenieure bei Audi gut vorgelegt. Die Reichweite liegt angesichts einer Akkukapazität von 95 kWh offiziell bei über 400 Kilometern, die Höchstgeschwindigkeit wird erst bei 200 km/h abgeregelt. Ein längerer Ausflug mit dem E-Tron in Abu Dhabi zeigt: Haut hin. Zu keiner Zeit bereitete der Blick auf die Anzeige der restlichen Reichweite auch nur Unbehagen. Der Elektro-Audi rollt so souverän dahin wie ein Verbrenner.

Nur deutlich leiser. Ein Druck auf den Startknopf sorgt erst einmal für Verwirrung: Läuft er, oder läuft er nicht? Er läuft, wie die beginnende Lightshow im Zentralinstrument anzeigt. Zu hören ist nichts. Nicht einmal ein leises Summen, wie bei den frühen Elektroautos wie dem Opel Ampera. Erst, wenn der E-Tron Fahrt aufnimmt, kommen die Geräusche: Wind, die abrollenden Reifen. Die Audi-Ingenieure erzählen, dass sie auf einmal Töne in der Karosserie wahrgenommen haben, von denen sie vorher nicht einmal etwas wussten und die ihnen halfen, auch andere Audi-Modelle zu optimieren.

Noch immer ist es ein besonderes Erlebnis, in einem Elektroauto wie dem Audi E-Tron zu fahren. Der Hebel auf der Mittelkonsole, der aussieht wie frisch aus der Enterprise eingebaut, wirkt zwar wie der Wahlhebel einer Automatik - dient aber nur dazu, die Richtung zu bestimmen, in die es gehen soll. Gänge sind nicht nötig - ein Druck aufs Gaspedal schiebt den fast 2,5 Tonnen schweren SUV nach vorne. Ohne Gangwechsel, ohne Unterbrechung - kein Doppelkupplungsgetriebe kommt da ran. Die zwei Elektromotoren an der Vorder- und der Hinterachse liefern zusammen 408 PS und bis zu 664 Nm an die Räder. Der E-Tron spurtet in gerade mal 5,7 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Und anders als andere Elektroautos kann er das mehrfach hintereinander, ohne dass er heiß läuft und Tempo verliert. Denn die Elektromotoren im E-Tron werden innen flüssig gekühlt. Das ermöglicht auch, die Höchstgeschwindigkeit 20 Minuten lang durchzuhalten, bevor die Motoren ihre Kraft langsam reduzieren müssen.

Die Straßenlage ist ausgezeichnet - dafür sorgt allein schon der tiefe Schwerpunkt durch die niedrig eingebauten Akkupacks mit ihren insgesamt 36 Zellmodulen. Aber die Ingenieure haben sich nicht alleine darauf verlassen: Die Aufhängung wurde aus dem Q5 übernommen,eine ausgewogene Lastverteilung und der elektrische Allradantrieb helfen mit. Der Fahrkomfort ist je nach eingestelltem Fahrprogramm bequem bis ruppig - sieben Programme gibt’s zur Auswahl. Darunter auch eine Offroadeinstellung, die zumindest für leichteres Gelände taugt. Beim Bremsen rekuperiert der E-Tron wie gewohnt. Aber keine der drei einstellbaren Rekuperationsstufen ist wirklich stark. So blieben bei kilometerlanger Abwärtsfahrt im Gebirge gerade mal ein halbes Dutzend Kilometer mehr Reichweite im Akku hängen. Und leider gibt es auch kein reines Fahren alleine mit dem Gaspedal: Wenn man vom Pedal geht, wirkt das bei anderen Elektroautos wie eine reguläre Bremse.

Wenn schon zukunftsweisend, dann richtig, hat man sich bei Audi wohl gedacht - und bietet den E-Tron auch mit Videokameras an, die die Außenspiegel ersetzen. Das soll dank der besseren Aerodynamik zwar die Reichweite um bis zu 35 Kilometer verlängern - ist aber zumindest gewöhnungsbedürftig. Wer mehr als ein paar Jahre Fahrpraxis hat, der blickt unwillkürlich immer Richtung Außenspiegel - und landet bei der Kamera. Das irritiert völlig. Die kleinen Monitore in den Türen, auf denen der Blick zurück eingespielt wird, sind nur schwer zu erkennen - vor allem bei hellem Sonnenlicht. Wer sich darauf einlassen will, sollte das erst ein paar Tage in der Praxis ausprobieren.

Elektrofahrzeuge sind teuer - da ist auch der in Brüssel gebaute Audi E-Tron keine Ausnahme. Mindestens 79.900 wollen die Ingolstädter für ihn haben - immerhin rund 15.000 Euro weniger, als Tesla für sein preiswertestes Model X verlangt.

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