Wenn schmutzige Wäsche gewaschen wird, ist das zumeist kein gutes Zeichen für die Zukunft eines Unternehmens. So geschehen bei Faraday Future: Nachdem Ex-BMW-Manager Stefan Krause seinen Job als Finanzchef hingeschmissen hatte, oder freundlich dazu aufgefordert wurde, zu gehen (so genau weiß man das bei dem chinesisch-amerikanischen Unternehmen nicht), belegte ihn Faraday-Future-CEO und Haupteigentümer Jia Yueting mit einer Schimpfkanonade, die so gar nicht zu der sprichwörtlichen chinesischen Höflichkeit passte. Von rechtswidrigen Verhalten und Pflichtverletzung war die Rede. Mittlerweile haben die Chinesen gegen Krause und dem ehemaligen BMW-Mann und Faraday-Technikchef Uli Kranz angeblich rechtliche Schritte eingeleitet. Die beiden sollen schon während ihrer Zeit beim chinesischen Start-up Mitarbeiter abgeworben haben und Betriebsgeheimnisse dafür nutzen, um ihr eigenes Unternehmen Ngin-Mobility nach vorne zu bringen.

Was an den Vorwürfen dran ist, wird die Zeit zeigen. Faraday Future hat genug mit eigenen Problemen zu kämpfen und stand zwischenzeitlich vor dem Aus, da ein chinesisches Gericht Jia Yuetings Finanzmittel eingefroren hatte. Der Bau der geplanten Fabrik im US-Bundesstaat Nevada ist geplatzt, stattdessen will Faraday Future nun eine Pirelli-Fertigungsstätte in Kalifornien nutzen. Mittlerweile will ein Investor aus Hongkong 1,5 Milliarden US-Dollar in das waidwunde Unternehmen pumpen. 550 Millionen sollen bereits geflossen sein, der Rest ist bei Erreichen diverser Etappen fällig. Jetzt will Faraday Zulieferer, wie Bosch oder LG wieder ins Boot holen, um das Ziel, das Elektro-SUV FF 91 noch in diesem Jahr auf die Straße zu bringen, zu erreichen. Ob dieser Gewaltakt gelingt, sie dahingestellt, denn noch hat die chinesische Justiz den Gründer Jia Yueting im Visier und noch haben die Chinesen die Produktion noch nicht gestemmt. Ein Auto der Öffentlichkeit zu präsentieren ist eine Sache, aber die Prozesse einer Groß-Fertigung zu stemmen, eine andere. An Visionen herrscht bei Faraday kein Mangel, denn ein zweites kleineres Elektro-SUV ist geplant und Jia Yueting gab zu, "fatale Fehler gemacht zu haben" und will sich jetzt selbst voll auf Faraday Future konzentrieren. Ob das gut oder schlecht ist, sei dahingestellt. Wie das Beispiel Jaguar-Land Rover zeigt, kann es durchaus von Vorteil sein, wenn sich ein Investor aus dem Tagesgeschäft zurückhält und den eigens dafür eingestellten Experten das Ruder überlässt.

Das Reservoir deutscher Automanager, die bei chinesischen Start-Ups anheuern, ist groß. Vor allem von BMW strömt der Techniker-Exodus gen Osten. Future Mobility hat die Elektromobilitätsmarke Byton mit Hilfe einiger BMW-Manager auf die Räder gestellt. Auch wenn die etwas hölzern mit Gewalt auf jugendlich leger getrimmte Präsentation des Konzepts des E-SUVs durch Dr. Carsten Breitfeld und Dr. Daniel Kirchert eher zu einer Apple-Kopie mutierte, steckt hinter dem Elektrofahrzeug, das 2019 in China debütiert, eine Menge Know-how und eine solide Geschäftsstruktur. Das unterscheidet Byton von Faraday Future. Zu den Investoren gehören Tencent, die hinter den in China sehr populären Messagingdienst WeChat steckt, der Apple-Zulieferer Foxconn und die chinesische Händlergruppe Harmony New Energy Auto.

Neue Spieler

Das Know-how stammt aus Deutschland: Carsten Breitfeld war maßgeblich an der Entwicklung des BMW i8 beteiligt und hat einige Experten aus Deutschland und China um sich geschart und hält das Heft des Handelns in der Hand. Allerdings kann die teutonische Dominanz im Reich der Mitte auch zum Boomerang werden. "Nur Chinesen können agieren, wie Chinesen", heißt es zwischen Beijing und Hongkong. Zudem ist Byton in China selbst wohl noch nicht so bekannt, wie andere Hersteller, aber wenn das Elektro-SUV zu einem Basispreis von 45.000 Dollar auf den Markt kommt und mit dem Bedienkonzept inklusive 49 Zoll großen flachen Bildschirm und starker Personalisierung inklusive Gesichtserkennung, die technikaffinen Chinesen überzeugt, kann sich das sehr schnell ändern. Genug Autos, um den Erfolg anzuschieben, sind vorhanden: Die Produktion in der Fabrik in Nanjing soll bei 300.000 Fahrzeugen pro Jahr liegen.

Ähnlich ambitioniert will der chinesische Konkurrent Nio mit einem elektrischen SUV die Käufergunst erobern. Wie bei dem Rivalen Byton, sind außerchinesische Einflüsse unabdingbar: Beim Design spricht die Münchner Dependance ein gewichtiges Wort mit. Mitte nächsten Jahres soll der ES8 auf den Markt kommen und rund 448.000 Renminbi (57.781 Euro) kosten. Wenn man die Batterien für 1.280 RMB (165 Euro) pro Monat least, sind es 100.000 RMB (12.897 Euro) weniger. Der ES8 beherrscht dank des neuesten Mobileye EyeQ4-Chips und 23 Sensoren autonome Fahrfunktionen, wie den Stauassistenten und erreicht angeblich das EuroNCAP 5-Sterne Sicherheitsniveau. Produziert wird das SUV bei JAC in Hefei. Geplant sind 50.000 Stück pro Jahr, mit Doppelschichten sind es 100.000 und bei Bedarf kann auch diese Zahl noch gesteigert werden. Frühestens in drei Jahren soll der ES8 nach Europa kommen. "Wir haben die Finanzmittel für die nächsten fünf Jahre", stellt Nio-Gründer William Li klar. Der Nio-Mutterkonzern NextEV hat potente Geldgeber von dem Projekt überzeugen können: Die chinesischen Internet-Giganten Baidu und Tencent sind ebenso an Bord, wie Baillie Gifford & Co (britischer Investmentfond) und die Technikkonzerne Xiaomi und Lenovo. Zum Nio-Konzept gehören auch Wechsel-Akkus, an denen sich Shai Agassis "Better Place" vergeblich versucht hat. Bei Nio soll das System jedoch reibungslos funktionieren.

Einen Schritt weiter sind die chinesischen Autobauer Qoros und Borgward. Beide haben bereits Modelle auf den Markt gebracht, kämpfen aber auch laufend mit finanziellen Unwägbarkeiten. Nachdem Qoros in den letzten Jahren stets Verluste eingefahren hatte, haben die Hauptinvestoren Chery Automobile und Kenon Holdings den Glauben an den Erfolg verloren und ihre Anteile verkauft. Mit 51 Prozent der Anteile ist die Shenzhen Baoneng Investment Group Ltd der neue Herr im Haus. Für den neuen Inhaber ergibt die Acquisition durchaus Sinn, denn die Baoneng Investment Group will auch in der Elektromobilität Fuß fassen und hat mit den Städten Hangzhou, Kunming und Guangzhou einen Vertrag geschlossen und sich verpflichtet, Autofabriken zu bauen. Da hilft die Qoros Expertise. Für den kränkelnden Hersteller, der nur noch im homöopathischen Bereich Autos verkauft, könnte diese Auffrischung einen Anschub im richtigen Moment bedeuten. Ähnliches gilt für Borgward. Die wiederbelebte deutsche Automobilmarke befindet sich ebenfalls in einer finanziellen Schieflage, da die Ressourcen des Eigners Foton zuletzt arg geschrumpft sind. Der Bau der Produktionsanlagen Bremen verzögert sich, soll aber laut Borgward-Chef Ulrich Walker stattfinden. Die Hängepartie bleibt spannend - und nicht nur diese.

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