Cadillac ist besessen von BMW. Zumindest wenn es um die neuste Variante der CTS-V-Limousine geht. “Wir haben den BMW M5 als Referenz genommen und wollten erreichen, dass BMW in allen relevanten Punkten einpacken kann”; sagt CTS-Chef-Entwickler Tony Roma. Wenn es um die schnelle Bayern-Limousine geht, verwendet der amerikanische Ingenieur gerne den Begriff aus dem Drag Racing, wo der Verlierer des Geradeaus-Bolzen-Duells seinen Boliden auf den Anhänger packen und abreisen muss – “to put on a trailer” eben.

Kraftpaket

Wenn es um die pure Kraft geht, ist gegen den CTS-V in der oberen Mittelklasse kein Kraut gewachsen. Mit 477 kW / 649 PS zeigt der eilige Ami der deutschen Konkurrenz im Geschwindigkeits-Vergleich tatsächlich die Heckrohre: Nach nur 3,7 Sekunden erreicht der stärkste Serien-Cadillac aller Zeiten aus dem Stand Landstraßen-Tempo und hört erst bei 320 km/h auf, nach vorne zu preschen. Da schauen sowohl der Audi RS6 Avant (3,9 Sekunden / maximal 305 km/h), als auch der BMW M5 (4,3 Sekunden / ca. 305 km/h) alt aus. Lediglich der Mercedes-AMG E 63 S nimmt dem Amerikaner dank seines permanenten Allradantriebs (der CTS-V setz auf Heckantrieb) beim Sprint eine Zehntelsekunde ab, schafft aber auch “nur” 300 km/h.

Das Zentrum der US-Kraft ist ein kompressor-zwangsbeatmetes 6,2-Liter-Ungetüm, das ein mörderisches Drehmoment von 855 Newtonmetern auf die Hinterachse feuert. Ja, es ist das Aggregat, dass die Amerikaner so euphemistisch “Small Block” nennen. Jenes klassische Triebwerk, das mit einer zentralen Nockenwelle und lediglich zwei Ventilen pro Zylinder ausgestattet ist. “Archaisch”, wird mancher technikverliebte Teutone jetzt murmeln. Doch der Achtzylinder-Motor überzeugt mit Leichtbau, einer Zylinderabschaltung beim langsameren Cruisen, die den Verbrauch laut Datenblatt auf 13 Liter pro 100 Kilometer drückt. Damit diese unbändige Kraft bei einer sportlichen Gangart auch auf die Straße kommt, backt Michelin einen speziellen Reifen, der an den Seiten härter ist, dessen traktionsbringende Laufflächen-Mitte von den französischen Rallye-Pneus, die für den Asphalt abgestimmt sind, stammt. Allerdings müssen auch diese Walzen erst einmal Betriebstemperatur erreichen, damit sie den bestmöglichen Kontakt zur Straße herstellen können, sonst tänzelt das Heck gerne nervös.

Agile Vorstellung

Der gestreckte Galopp ist eine Sache, aber auch mit einer brutal schnellen Fünfmeter-Limousine will man bisweilen zackig um die Ecken brettern. Da hilft das Gewicht von 1.850 Kilogramm und ein daraus resultierendes Leistungsgewicht von 2,8 Kilogramm pro PS. Nicht nur die rohe Kraft und der Leichtbau, sondern auch die Liebe zum Detail macht den CTS-V zum ernsthaften Konkurrenten für die deutschen Platzhirschen. Die Aerodynamik ist so ausgefeilt, dass der Wagen für Abtrieb sorgt. Das verleiht dem Ami auch bei hohen Geschwindigkeiten Stabilität. Sogar das Gitter des Kühlergrills hatten die Ingenieure im Blick: Das verjüngt sich nach hinten und lässt so mehr Kühlluft durch, die die kräftig zupackenden Brembo-Bremsen dringend benötigen.

Beim Einlenken verhält sich der CTS-V agil und das Heck wird durch elektronische Sperrdifferenzial mit souveräner Hand um die Ecken geführt. Die Steuerung ist direkt und spricht aus der Mittellage gut an, erreicht aber nicht die Mitteilungsfreude des BMW-Pendants. Die Spreizung der Fahrmodi ist dagegen gelungen. Bei “Tour” geben sich die adaptiven Dämpfer alle Mühe, die Fahrbahn-Unebenheiten zu schlucken, ohne die Sportlichkeit der Limousine zu negieren. Das Gegenstück ist “Track”, bei dieser Einstellung ist der Cadillac ultra-direkt und setzt die Wünsche des Fahrers sofort in Dynamik um. Aber auch dabei brüllt das V8-Triebwerk seine Kraft nicht komplett ungezügelt heraus. Die Gangwechsel der in GM-Eigenregie entwickelten Achtgang-Automatik gehen vor allem in der Track-Einstellung flott vonstatten, besser ist man natürlich mit den Schaltwippen dran.

Die Technik-Freaks können sich durch eine Vielzahl von Abstimmungs-Menüs wühlen und so den schnellen Cadillac nach Gusto scharfstellen. Je nach Einstellung verändern die digitalen Rundinstrumente ihr Aussehen. Da ist es nur gut, dass die Drehzahlen immer im Head-Up-Display zu sehen sind. Der Innenraum macht dank des Acht-Zoll-Touchscreens einen aufgeräumten Eindruck. Die Verarbeitungsqualität und die Anmutung der Materialien ist in Ordnung, erreicht aber nicht die Wertigkeit der deutschen Konkurrenz, wie man am Hartplastik- Fahrerlebnis-Schalter erkennt. Aber bei einem derart ausgefeilten Rennwagen rücken solche Mängel schnell in den Hintergrund. “Der CTS-V kann ohne Umrüsten sofort auf der Rennstrecke bewegt werden”, erklärt Tony Roma. Deswegen ist die Aufpreisliste des 98.500 Euro teuren Amerikaners erfreulich kurz, nur die Recaro-Sportsitze sollte man sich gönnen.

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