Der BMW i3 hat seinen ersten echten Gegner. Der Chevrolet Bolt polarisiert nicht nur weniger als der Elektro-Bayer. Er punkte mit 320 km Reichweite und einem fairen US-Preis. Wir gingen mit dem Elektro-Chevy auf eine erste Testtour.

Sieht so das kommende Elektroauto von Opel aus? Nachdem der Opel Ampera zum Flop wurde und auch als Chevrolet Volt in den USA nur ein Spartendasein fristet, geht General Motors nun in die Vollen. Der Chverolet Bolt soll nach seinen beiden Messepremieren in Las Vegas (CES) und Detroit (NAIAS) insbesondere Nissan Leaf und BMW i3 das Leben schwermachen. Zudem dürfte sich auch Tesla-Chef Elon Musk den Chevrolet Bolt (übersetzt: Blitz) genau anschauen. Schließlich will Musk bald ein Volumen-Elektroauto für rund 30.000 Euro auf den Markt bringen.

Kein Leichtbau

Ein paar Minuten hinter dem Steuer und ein paar Meilen Testfahrt zeigen: das dürfte gelingen. Zudem hat das vier Meter lange Elektromobil beste Chancen als Opel Blitz auch den Sprung nach Europa zu schaffen. Optische Ähnlichkeiten zum BMW i3 sind wohl nicht ganz zufällig. Doch der Bolt verzichtet auf optische Spielereien wie den Black Belt, trennscheibenartig dünne Räder und die gegenläufig öffnenden Türen. Ende des Jahres kommt der Chevrolet Bolt zunächst in den USA auf den Markt – zu Preisen von rund 30.000 Dollar inkl. entsprechend regionaler Vergünstigungen. Opel dürfte bereits mit den Hufen scharren, denn nach dem erfolglosen Hybridmodell Ampera fehlt ein Fahrzeug mit alternativen Antrieb im Portfolio. “Der Bolt ist mehr als ein Auto, es ist eine upgradefähige Plattform”, strahlt GM-Chefin Mary Barry.

Dabei ist der Bolt vor allem eines: ein ganz normales Auto. Fünf Türen, kompakte Abmessungen, jede Menge Platz im Innern und eine Serienausstattung, die die Konkurrenz ebenso in Wallung versetzen dürfte wie eine Reichweite von 320 Kilometern und ein Preis von unter 30.000 Euro. “Die Batterie befindet sich flach im Fahrzeugboden”, erklärt GM-Entwickler Patrick Foley, “sie besteht aus 96 Zellen mit je drei Zelle pro Einheit. So sorgt die Batterie nicht nur für die entsprechende Reichweite von 200 Meilen, sondern auch für die Steifheit der Karosserie.” Im Gegensatz zum Hauptkonkurrenten BMW i3 besteht die Struktur des Chevrolet Bolt aus handelsüblichen Materialien wie Stahl und Kunststoff. Trotzdem liegt bei Gewicht mit knapp über 1,6 Tonnen nicht allzu weit vom i3 entfernt, den BMW mit gigantischem Aufwand und entsprechenden Kosten aus Karbon und Aluminium fertigt. “Die Elektro-Plattform wird es uns zudem ermöglichen, verschiedene Aufbauten darzustellen. Der Bolt ist nur das erste Modell”, unterstreicht Foley, “Leichtbau hätte zwar weiteres Gewicht eingespart; wäre aber einfach zu teuer gewesen. Der Wagen soll bezahlbar bleiben.”

Kraftvoller Antritt

Der Innenraum wirkt ebenso volumentauglich und unspektakulär wie das Äußere des Chevrolet Bolt. Vorne und hinten gibt es Dank 2,60 Metern Radstand genügend Platz für vier Personen und der tiefe Ladeboden ermöglicht Dank 450 Litern Volumen ausreichend Möglichkeiten Gepäck zu transportieren. Angenehm sind im Fond die tiefen Türausschnitte, die ein einfaches Ein- und Aussteigen ermöglichen. Der fehlende Mitteltunnel sorgt für Bein- und Fußfreiheit. Das Cockpit wird dominiert von zwei animierten Displays. Die Instrumente vor dem Fahrer werden so ebenfalls virtuell dargestellt wie das zentrale Bedienmodul in der Mittelkonsole. Das könnte sich gemessen an den neusten Modellen etwas konturschärfer und hochwertiger präsentieren; aber wir sind eben in einem vergleichsweise günstigen US-Volumenmodell unterwegs. Das merkt man auch den Verkleidungen, Sitzen und Applikationen an. Premiumcharme gibt es hier nicht.

Auf der Straße zeigt sich der Prototyp des Bolt überaus ausgeschlafen. Mit einer Leistung von 150 kW / 204 PS und einem maximalen Drehmoment von 360 Nm geht es vom Start weg flott zur Sache. Über den Getriebewählhebel den Vorwärtsgang eingelegt – und los. 0 auf Tempo 100 schafft der Fronttriebler in gerade einmal sieben Sekunden. Seine Höchstgeschwindigkeit wird bei schmalen 145 km/h abgeriegelt.

Lange Ladezeit ohne Hochdruck

Das 435 Kilogramm schwere Akkupaket mit 288 Zellen und einer Kapazität von 60 kWh – produziert vom koreanischen Batteriespezialisten LG in Incheon – macht sich durch einen besonders niedrigen Schwerpunkt bemerkbar. Der 1,6 Tonnen schwere Bolt zischt mit leichtem Untersteuern durch die Pylonengasse, ehe GM-Entwickler Foley mit einer beschwichtigenden Geste darauf aufmerksam macht, es auf dem Testparcours nicht zu übertreiben: “Gerade in den Kehren macht sich auch die ausgeglichene Gewichtsverteilung von 50:50 bemerkbar.” Hier haben die Amerikaner einen großen Fortschritt zum Vorgänger Chevrolet Spark EV gemacht, der nur eingeschränkt überzeugen konnte. Anteil am soliden Fahrverhalten haben auch die 215er-Energiespar-Reifen, die den Tatendrang des Piloten adäquat auf die Straße bringen und den Bolt nicht so verloren und hochbeinig dastehen lassen wie BMW seinen i3.

Über den 10,3 Zoll großen Touchscreen lassen sich neben der Vernetzung mit der Außenwelt, der Bedienung von Klimaautomatik, Navigation auch Apple Car Play, Android Auto oder die verschiedenen Fahrzustände und Energieflüsse modifizieren. Per Smartphone-App erfährt der Fahrer, wann das Auto zu einer Inspektion muss und kann seine Navigationsdaten laden. Dabei bietet das Navigationssystem auf Wunsch staufreie oder batterieschonende Routen an und weist bei Bedarf den Weg zu nahegelegenen Ladestationen. Über einen separaten Taster lässt sich der Sportmodus ansteuern. Dann gibt es zwar nicht mehr Leistung, aber eine geänderte Gaspedalkennlinie und der Bolt zischt noch etwas flotter über die lange Gerade der Teststrecke. Über das Lenkradpedal lässt sich zudem die Bremsenergie-Rückgewinnung beeinflussen. Bei entsprechender Stromversorgung an einer Ladesäule soll sich die Batterie des Bolt in einer Stunde zu rund 80 Prozent wieder aufladen. An der normalen Haushaltssteckdose erstarkt der Chevy Bolt in zwei Stunden zu einer Reichweite von 80 Kilometern.

Zum Marktstart im vierten Quartal 2016 muss der Bolt noch mit einem Funkschlüssel geöffnet werden. In der ersten Jahreshälfte 2017 wird die Bolt-App dann mit einer Zusatzfunktion versehen, dass sich der Elektro-Chevrolet per Near Field Communication (NFC) auch mit dem eigenen Smartphone öffnen und verschließen lässt. “Das wird nicht nur für die Kunden, sondern insbesondere für das Carsharing besonders wichtig,” erklärt Entwickler Foley ein. Der Innovationsdrang der Amerikaner zeigt sich auch bei einem Blick in den Rückspiegel. Dort wo gewöhnlich ein analoges Spiegelbild den Bereich hinter dem Fahrzeug widergibt, erstrahlt beim Chevrolet Bolt zumindest optional ein Kamerabild, das den Blick einer Weitwinkelkamera nach hinten zeigt. Abwarten, ob hier bald der der BMW i3 oder der Nissan Leaf auftaucht.

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