Der Star der diesjährigen North American Auto Show (NAIAS) in Detroit? Sicher ein Elektrofahrzeug mit einer Reichweite von mehr als 500 Kilometern? Weit gefehlt. Die Besucher drängten sich um den neuen Chevrolet Silverado, einen gigantischen Full-Size-Truck, wie die großen Pick-ups hier heißen. Auch andere Pick-ups, wie der aufgefrischte Ram 1500 oder der Ford F-150 erstmals mit Dieselmotor standen in der Gunst des Publikums ganz weit oben. Der Jahresauftakt in Detroit ist ein guter Gradmesser, was in dem zweitgrößten Automarkt der Welt gefragt ist und womit die großen drei Chrysler, Ford und GM ihr Geld verdienen. Die Verkaufszahlen des Jahres 2017 lassen keine Zweifel: Die Pick-ups legen weiter zu (plus sechs Prozent), die Crossover und SUV verlieren leicht und die Limousinen werden weniger nachgefragt. Die vor Jahren bei Benzinpreisen von vier Dollar pro Gallone eilig eingeführten Kleinwagen wie Ford Fiesta, Mazda 2 oder Scion-Modelle aus dem Hause Toyota stehen sich die Reifen in den Verkaufsräumen platt oder wurden aus dem Programm geworfen. Size matters.

Das US-Verkaufsvolumen ist mit 17.208.748 Autos im Jahr 2017 immer noch riesig. Beim Business hört bei den Big Three aus Detroit der Spaß auf und zwar gehörig. Die meisten der US-Stars, die in den Messehallen im Scheinwerferlicht glänzen, schaffen nie den Sprung über den großen Teich nach Europa. Vor allem Pick-ups und monströse SUVs mit weit mehr als fünf Metern Länge sind für die US-Amerikaner gang und gäbe. In Detroit stehen die Modelle, die in der Gunst der Amerikaner ganz oben stehen. Wer es hier geschafft hat, kauft sich zumeist ein Premium- oder Luxusmodell aus europäischer Produktion.

Rollende elektrische Feigenblätter mögen zwar in Kalifornien hipp sein, der große Rest der USA bleibt den traditionellen Fahrzeugen treu, die schon seit Jahrzehnten Bestseller jenseits des Atlantiks sind. In erster Linie sind das Pick-ups und dann kommt lange gar nichts. Vor allen in ländlichen Gegenden außerhalb der großen Metropolen sind die robusten Arbeitstiere beliebt. Ford entschied sich jetzt sogar dazu, dem Bestseller F-150 einen 184 kW / 250 PS starken V6-Diesel zu verpassen, der einen Durchschnittsverbrauch von 7,8 l/100 km verspricht. Elektrifizierte Antriebsstränge spielen in dem Kernland der USA so gut wie keine Rolle. Erst im Jahr 2020 will Ford den Bestseller F-150 als Hybrid anbieten. Dann soll das aber einen echten Verbrauchsvorteil bringen. "Wir haben 150 Patente für dieses System", erklärt der Leiter von Fords Elektrodivison "Team Edison" Sherif Marakby. Insgesamt will der amerikanische Autobauer in Zukunft elf Milliarden Dollar in die Elektromobilität investieren.

SUV und Limousinen

Die örtliche Konkurrenz will da nicht zurückstehen und sich vom Platzhirschen mit der Pflaume auf dem Kühlergrill einfach die Butter vom Brot nehmen lassen. Chevrolet hat den komplett neu entwickelten Silverado 1500 im Gepäck. Dank Leichtbau speckt er laut Hersteller deutlich ab - bis zu 200 Kilo sind je nach Version drin. Das senkt beim Verbrauch und ein neuer Diesel hilft dabei. Eine komplett neue Front hat der Ram 1500, der bei weitem nicht mehr so barock daherkommt. Größer sind beide Modelle ohnehin noch einmal geworden. US-Medien und Autofans sind gleichermaßen begeistert und prognostizieren neue Verkaufsrekorde.

An zweiter Stelle in der Gunst der Amerikaner rangieren die SUVs. Da ist es nur verständlich, dass Ford dem Edge einen neuen Aufguss gönnt und sogar eine ST-Version auflegt, die allerdings nicht nach Deutschland kommen wird. Crossover sind im Detroiter Cobo Center allgegenwärtig: Ford-Konkurrent Jeep spendiert dem Kompakt-SUV Cherokee ein Facelift im wahrsten Sinne des Wortes. Die Front polarisiert deutlich weniger als bisher. Wie wichtig die USA als Crossovermarkt ist, erkennt man daran, dass Hondas Edelmarke Acura mit der seriennahen Studie RDX und Konkurrent Lexus mit dem Prototypen "LF-1 Limitless Concept" herausfinden wollen, welche Optik den amerikanischen Käufern zusagt. Acura ist in Europa als Nobelableger von Honda ebenso wenig auf dem Markt wie Lincoln, die Luxusmarke des Ford Konzerns oder GMC als schicke Tochtermarke von General Motors. Einige der Marken, die einst nur für die USA ersonnen waren, machen sich jedoch zur Weltreise auf. Infiniti krönt mit seinem weltweiten Angebot die Produktpalette von Nissan und Genesis will aus Aushängeschild von Hyundai / Kia insbesondere die deutsche Premiumkonkurrenz in den Fokus rücken.

Auf der Nummer drei der Beliebtheitsskala rangieren die Limousinen und die waren auf der NAIAS ebenfalls reichhaltig vertreten. Die meistverkauften Modelle machen ebenfalls einen Bogen um Europa. Auf den Plätzen eins bis drei der US-Zulassungsstatistik lagen mit Honda Civic (US-Version), Toyota Camry und Toyota Corolla nicht nur drei japanische Autos, sondern auch solche, die in den meisten europäischen Staaten gar nicht angeboten und in den USA produziert werden. Auch Honda Accord, Nissan Altima und Nissan Sentra auf den folgenden Plätzen werden jenseits des Atlantiks nicht angeboten. Es folgen Ford Fusion (in Europa als Mondeo auf dem Markt), Chevrolet Cruze, Hyundai Elantra und Chevrolet Malibu - alles in allem zumeist eher langweilig daherkommende Limousinen, die preisgünstig viel Auto für wenig Geld bieten. So überrascht es nicht, dass auf Kia auf der NAIAS die Kompaktklasselimousine Forte enthüllt, der den Europäern ebenfalls vorenthalten bleibt. Toyota hatte Avalon als Modell der Oberklasse im Gepäck. Der große Bruder des Erfolgsmodells Camry ist optisch deutlich sportlicher als bisher und auch Honda springt auf den dynamisch-optischen Design-Zug auf und verpasst seiner Limousine Accord das Gesicht des Sportwagen NSX und eine coupéhafte Dachlinie. Das Erfolgskonzept der Asiaten will Volkswagen, in den USA wieder im Aufwind, kopieren. Der neue VW Jetta, produziert in Mexiko und angetrieben von einem 150 PS starken Turbobenziner, soll in den USA jüngere Kunden locken; nach Europa kommt er nicht mehr.

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