Nissan und Tesla – beide Hersteller haben sich in den letzten Jahren durch Elektroautos einen Namen gemacht. Und beide Hersteller fehlen auf der 67. Frankfurter IAA. Es gibt bessere Wege, die neuesten Elektroautos ins grelle Scheinwerferlicht rollen zu lassen. Tesla präsentierte seinen Hoffnungsträger Model 3 bereits vor Wochen bei einem eigenen Event in Kalifornien; Nissan kurz vor der IAA mit einer Großveranstaltung nahe Tokio. Doch während auf der IAA 2017 viele nur von Elektroautos reden, haben Nissan und Tesla ihre Neulinge schon bald auf dem Markt. Beide bieten Reichweiten zwischen 380 und rund 500 Kilometern sowie Platz für bis zu fünf Personen plus Gepäck. Doch das war es auch schon mit den Gemeinsamkeiten, denn bei Positionierung, Design und Kundenansprache gehen beide höchst unterschiedliche Wege.

Nissan Leaf II: Besseres Design als der Vorgänger

Zugegeben, der erste Leaf war kein Hingucker. Nissan versuchte das Elektromobil so normal wie möglich aussehen zu lassen – und dann doch irgendwie anders. Der neue Nissan Leaf II sieht besser aus – deutlich besser. Zum Szenemobil mit Coolness-Faktor hat es jedoch dann doch nicht gereicht. „Das bisherige Modell sollte sich aus der Masse abheben und auffallen. Er war nicht unbedingt eine Schönheit“, räumt Chefdesigner Satori Tai ein, „das ist beim neuen Modell anders. Er sieht einfach viel besser aus – dynamischer, sportlicher.“ Die Proportionen stimmen, auch wenn der 17-Zoll-Radsatz mindestens eine Nummer zu klein wirkt und der lange vordere Überhang den Nissan Leaf II zum Nasenbär werden lässt.

Innen geht es höchst zurückhaltend zu. Der neue Purismus wie bei Teslas Model 3 mit einem großen Touchscreen und das war’s? Von wegen!Der Nissan Leaf präsentiert sich innen wie ein ganz normales Auto. Mit dem Cockpit aus analoger Runduhr für den Tacho und einer digitalen Multifunktionsanzeige wohl etwas zu normal für ein Auto, das die Massen elektrisieren soll. Immerhin übernimmt der zentrale Touchscreen in der Mitte des Cockpits alle wichtigsten Funktionen. Im Kartenmodus zeigt er nicht nur Straßen und Gebäude an, sondern hat auch alle Informationen zu Ladestationen, deren Öffnungszeiten und Bezahlmodi. Das Platzangebot liegt auf dem Niveau des Vorgängers, auch wenn der Leaf II 3,5 Zentimeter länger und zwei Zentimeter breiter wurde. Unverändert sitzt es sich etwas zu hoch, da das Akkupaket im Fahrzeugboden verbaut ist.

„Wichtig war für uns natürlich in erster Linie eine Verlängerung der Reichweite“, sagt Chefentwickler Hiroki Isobe, „der Nissan Leaf II leistet 110 kW / 150 PS und kann bis zu 380 Kilometer weit fahren.“ Bisher war bei 280 Kilometern Schluss. Und noch besser: bei 380 Kilometern wird es nicht bleiben. Denn neben der Basisvariante wird Nissan einen Leaf E-Plus anbieten, der 160 kW / 220 PS und eine Reichweite von 500 Kilometern bietet. So viel haben selbst der Opel Ampera E und der blass überarbeitete BMW i3S nicht zu bieten. Die Höchstgeschwindigkeit soll bei 150 bzw. 160 km/h liegen. An einem Hochleistungsladegerät kommt der Nissan Leaf deutlich schneller als bisher wieder zu Kräften. In 40 Minuten erholt sich das Elektromobil wieder auf 80 Prozent seiner maximalen Kapazität. „Die neuen Akkus sind leistungsfähiger denn je“, legt Isobe schnell nach, „nach 500 Aufladungen haben wir noch mehr als 90 Prozent der Akkukapazität. Die Verbesserungen im Bereich der Akkutechnik sind vergleichbar mit denen zwischen einem iPhone 4 und 7.“ Damit der Kunde entspannt ist, gibt es eine Garantie über acht Jahre oder 160.000 km Reichweite.

Mit Gefühl aufs Gaspedal

Ein Druck auf den Starter und typisch für ein Elektromobil passiert abgesehen von einem Entflammen einer Leuchtenarmee nichts. Ein Tritt aufs Gas und der 1,5 Tonnen schwere Nissan Lead zischt los; hat sogar Probleme, seine Kraft über die durchdrehenden Fronträder auf den Boden zu bekommen. Er fährt sich angenehm entspannt, zurückhaltend und bei höheren Tempi leiser aus bisher. Die Karosserie wirkt steifer, die Lenkung weniger künstlich.

Die Nissan-Entwickler verweisen darauf, dass sich der neue Leaf mit seinem E-Pedal beinahe komplett fahren lässt. An das E-Pedal gewöhnt man sich schnell und der Unterschied zum Gaspedal von BMW i3, Opel Ampera E oder Chevrolet Bolt ist überschaubar. Aber mit etwas Zeit und Gefühl lässt sich der Nissan Leaf II beinahe komplett mit dem Gaspedal bewegen. Die Bremse wird nur dann gebraucht, wenn vor einer Kurve oder einer Gefahrensituation abrupt gebremst werden muss. Sonst verzögert das Elektromobil bereits stark, wenn man den Fuß vom Gaspedal nimmt. „Man benutzt das Bremspedal 90 Prozent weniger“, erläutert Hiroki Isobe, „das entspannt beim Fahren.“

Das Akkupaket im Fahrzeugboden sorgt für einen niedrigen Schwerpunkt ein entsprechendes Fahrverhalten. Eine etwas breitere Spur und größere Räder würden dem elektrischen Kompaktklassemodell guttun, wenn man es flotter angehen lässt. Die meisten Kunden werden ihn jedoch weniger ambitioniert fahren und dann gibt es nichts zu meckern. Viel wichtiger, dass er Bodenunebenheiten deutlich souveräner wegfedert als bisher. Auch bei den Fahrerassistenzsystemen legt Nissan beim Leaf II schrittweise nach. Das hauseigene System Pro-Pilot bietet erstmals einen Tempomat mit adaptiver Spurführung, das für die höheren Geschwindigkeiten in Europa ergänzend zur Kamera ein Radarsystem bekommt. Die Parkautomatik bleibt so langsam wie sie war; jedoch reicht ein Knopfdruck und der Nissan Leaf rollt geräuschlos in die Parklücke und wieder heraus. Das Gaspedal bleibt berührungslos. Bleibt die Frage nach dem Preis. Aktuell geht es mit dem kleinen 24 kWh-Akku bei knapp über 23.000 Euro los; mit dem größeren 30-kWh-Akkupaket knackt der Nissan derzeit die 31.000-Euro-Marke. Um gegen die aufkommende Konkurrenz zu punkten, dürfte der Preis unter 30.000 Euro beginnen.

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