Dem muss man nicht allzu tief in die Augen blicken, um ihm seine amerikanischen Gene anzusehen. Proportionen, Design, Komfort- und Sicherheitsausstattung - der Ford Edge macht keinen Hehl daraus, dass er in erster Linie amerikanische Kunden beglücken will. Doch was mit der Mischung aus Design, Antrieb und Historientransfer beim Mustang so prächtig funktioniert, geht beim Edge eher in die europäische Hose. Er will in der ertragreichen Oberklasse oder zumindest der oberen Mittelklasse Kunden abgreifen, die Reisekomfort und Luxus schätzen. Hier herrscht jedoch das harte Gesetz der Straße und da haben insbesondere die deutschen Premiumhersteller Audi, Porsche, BMW und Mercedes stramm die Hosen an. Was darüber hinaus abfällt, geht an Alfa Romeo, Volvo, Jaguar, Land Rover und vielleicht noch Volkswagen - das war's. Der Ford Edge parkt weder in der sportlichen ST-Ausstattungsvariante noch als Luxusedition Vignale in den ersten beiden Reihen.

Keine Überraschung, dass der alles andere als enttäuschende Ford Edge mit dem amerikanischen Kundenfokus in unseren Breiten auf verlorenem Posten steht. Design- oder Ausstattungsmerkmale kann man nicht übertünchen und so kann auch der zwei Liter große Commonrail-Diesel nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Ford Edge ein echter US-Boy ist. Im Land der unbegrenzten automobilen Möglichkeiten gibt es den US-Edge wahlweise als Turbobenziner mit 2,0, 2,7 und 3,5 Liter Hubraum; beide letzten als imageträchtige Sechszylinder mit einem Leistungsspektrum zwischen 245 und 315 PS. Davon können Europas Kunden nur träumen - das gilt auch für den Preis, der jenseits des Atlantiks unter 30.000 Dollar startet.

Wer sich in unseren Breiten für das Topmodell entscheidet, bekommt einen Selbstzünder mit 154 kW / 210 PS und einem maximalen Drehmoment von 450 Nm. Das garantiert solide Fahrleistungen, doch wirklich beeindruckend ist der Vierzylinder nicht. Das liegt an den zwei Tonnen Leergewicht des Amerikaners, die den 4,81 Meter langen Allradler träge machen, der mäßigen Geräuschdämmung des Triebwerks und einer Fahrwerksabstimmung, die auch leicht europäisiert hinter der Konkurrenz zurücksteht. Die Lenkung ist zu leichtgängig um wirklich zu gefallen, die Nick- und Wankbewegungen des Aufbaus nerven bei flotten Tempi und gerade im schneidigen Galopp fehlt es dem Edge an Dampf. Einen Benziner gibt es nicht für Geld und gute Worte. So sehr sich das Doppelkupplungsgetriebe auch müht, so sehr sich der solide Vierzylinder-Diesel auf streckt - es fehlen zwei Brennkammern und mindestens ein halber Liter Brennraum, um in dieser Liga ernsthaft mitfahren zu können. 9,4 Sekunden dauert der Spurt 0 auf Tempo 100 - im Alltagsgebrauch wenig relevant, aber durchaus belegend, was man am Steuer fühlt. Auch bei höheren Geschwindigkeiten bleibt der Amerikaner blass, denn die avisierten 211 km/h Höchstgeschwindigkeit lassen sich oberhalb von 170 km/h nur müde erreichen. Immerhin kann der Normverbrauch mit knapp sechs Litern überzeugen.

Plastikwüste im Innern

Klassenüblich bietet der Ford Edge in beiden Leistungsvarianten mit 180 und 210 PS serienmäßig einen Allradantrieb. Dieser verteilt die Motorleistung nach Bedarf variabel auf die beiden Antriebsachsen. Im normalen Fahrbetrieb ist der Edge als reiner Fronttriebler unterwegs. Der Kraftfluss an die hintere Achse erfolgt nur, wenn die Vorderräder an Haftung verlieren. In Intervallen von weniger als 20 Millisekunden messen Sensoren, ob zwischen den Rädern und der Fahrbahn Schlupf entsteht. Ebenso schnell verteilt die Steuerung bis zu 50 Prozent des Drehmoments an Vorder- oder Hinterräder.

Der Innenraum ist die schwächste Seite des Ford Edge und ein eindrucksvolles Zeugnis seines US-Stammbaums. Auch wenn das Platzangebot vorne wie hinten überzeugt und die Sitze viele Verstellmöglichkeiten bieten, ist der Edge von der Premiumliga weiter als jeder andere entfernt. Anzeigen, Bedienelemente, Schalter und Oberflächen wirken selbst für ein Volumenmodell lieblos zusammengefügt und lassen die Insassen auf eine graue Plastikwüste mäßiger Qualität blicken. Die elektrischen Sitze sind zwar vielfältig verstellbar. Trotz Heizung und Kühlung sollten gerade sie im Vergleich zur starken Konkurrenz deutlich mehr Langstreckenkomfort bieten. Über diese Schwächen täuscht auch der große Laderaum nicht hinweg, der sich durch Umlegen der Rückbank von 602 auf bis zu 1.847 Litern vergrößern lässt. Immerhin elektrisch: die Heckklappe.

Geht es beim 180 PS starken Einstiegsmodell Ford Edge 2.0 TDCi bei rund 41.000 Euro los, kostet der neu kreierte Edge ST mit dem empfehlenswerten 210-PS-Diesel mindestens 48.800 Euro. Sinnvoll erweitern lässt sich die gute Serienausstattung mit dem 1.550 Euro teuren Businesspaket, das unter anderem das mäßige Navigationssystem, adaptive LED-Scheinwerfer und digitalen Radioempfang umfasst. Für zusätzliche Sicherheit sorgen - entliehen vom Ford Mondeo - Totwinkelassistent, Frontkamera, Abstandstempomat und Seitenairbags für die hinteren Sitze, die zusammen weitere 1.535 Euro kosten.

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