"Wir wollen ein ganzheitliches Fahrgefühl kreieren, nicht nur eines, das sich über das Gas und die Bremse definiert", erklärt Leo Roeks, oberster Fahrdynamiker von Ford Europa. Ganzheitlich? Das klingt nach Esoterik. Heißt das jetzt, dass man jetzt mit Gesundheitslatschen auf die Pedale tritt? "Mitnichten" beruhigt Roeks und erklärt gleich anhand der Sitze, dass man sich über jedes Detail am Auto Gedanken gemacht hat.

Das Gestühl stammt von Recaro und wurde zusammen mit den Ford-Ingenieuren entwickelt. Gut, das ist bei sportlichen Automobilen nichts Ungewöhnliches. Aber der Techniker beharrt darauf, dass das Zusammenspiel zwischen Rückenlehne, Wangen und Sitzfläche, das "Popometer 2.0" fördert, also das Gefühl im Hinterteil, das signalisiert was das Auto vorhat. Soviel sei hier schon verraten: im neuen Fiesta ST sitzt man wirklich gut. Doch der sportliche Fiesta würde nicht das Buchstaben-Kürzel im Namen tragen, wenn nicht jede Menge "echte" fahrdynamische Details zu finden wären.

Vor allem in das Fahrwerk legen die Tüftler von Ford Europa traditionell besonders viel Herzblut. Schließlich braucht schon eine Menge Hirnschmalz, um aus einen Frontriebler einen Kurventänzer zu machen und dabei nicht die ganze Chose so straff abzustimmen, dass bei jeder Bodenwelle die Zahn-Inlays knacken. Hinten sorgt eine Torsionslenkerachse und vorne ein optionales Sperrdifferential für Traktion. Dazu kommen noch eine um acht Prozent verwindungssteifere Karosserie, als beim Vorgänger und Bremseingriffe hinten sowie eine Spur, die an der Vorderachse um 48 Millimeter breiter ist, als beim Vorgänger-ST.

Das ist alles nichts Neues, aber die speziell gefertigte Federn nehmen die Seitenkräfte auf, damit wird das Einlenkverhalten verbessert und höhere Kurvengeschwindigkeiten sind drin. Außerdem konnten die Ingenieure weichere Buchsen verwenden und damit auch das Geräuschniveau zu minimieren. Dazu kommen Versteifungen am Fahrwerk und frequenzabhängige Dämpfer mit der "Ride Control" Technik, die sich hydraulisch der jeweiligen Situation, die sich aufgrund der Impulse, die über die Räder von der Fahrbahnoberfläche kommen, anpassen. Also straff, wenn nötig und komfortabel, wenn möglich.

Beim Fiesta ST geht diese fahrdynamische Quadratur des Kreises tatsächlich auf. Der kleine Ford-Sportler stürzt sich gierig auf jede Kurve. Das liegt auch an der Lenkung, die zuverlässig mitteilt, was sich zwischen Asphalt und Reifen abspielt und der neue Fiesta ST flitzt um die Ecken, wie man es noch vor einigen Jahren von einem Frontriebler mit Straßenzulassung nicht erwartet hätte. Auch ohne dem optionalen Sperrdifferential bewegt sich der Ford recht agil, allerdings schiebt der flinke Kölner dann früher über die Vorderräder in Richtung des Kurvenrands, sprich: Für Fahrdynamiker führt an der Sperre kein Weg vorbei. Egal, welchen Fahrmodus man wählt - "Normal" oder "Sport" - der Fiesta ST vermittelt sehr schnell Vertrauen und man fährt schnell, ohne nassgeschwitzt zu sein. Wenn man den Ford mit dem "Rennstrecke"-Programm von der Leine lässt, sind sogar veritable Drifts drin, echte Draufgänger deaktivieren den Rettungsanker ESP sogar ganz. Das Flat-Shift-Getriebe komplettiert das Ganze: Die Schaltwege sind genauso kurz, wie die Wege und beim Ein- und Auskuppeln bleibt man voll auf dem Gas stehen und reißt die Gänge gnadenlos durch.

Um das Fahrvergnügen vollends komplett zu machen, ist selbstredend ein möglichst potenter Motor nötig. 147 kW / 200 PS und ein maximales Drehmoment von 290 Newtonmetern klingen ja schon mal ganz vernünftig, aber ein 1-5 Liter-Dreizylinder? Und dann noch mit Zylinderabschaltung? Gott stehe uns bei! Die Stoßgebete sind überflüssig. Das Zu- und Abschalten des Zylinders funktioniert unmerklich und auch der Klang erinnert nicht an einem dröhnenden Sitzrasenmäher, ganz im Gegenteil. Das Triebwerk passt sich mit Hilfe des Klappenauspuffs akustisch an den jeweiligen Fahrmodus an. Zaubern können auch die Ford-Ingenieure nicht und haben mit der Elektronik ein bisschen nachgeholfen. Apropos Elektronik: Für Großstadt-Cowboys mit Ampelstart-Ambitionen ist auch eine Launch-Control an Bord, allerdings fehlt das Zwischengas beim Runterschalten. Das dürfte es wohl bei der RS-Version geben.

Keine Unterstützung braucht der 1.262 Kilogramm schwere Fiesta ST bei den Fahrleistungen: Nach 6,5 Sekunden ist Landstraßentempo erreicht und erst bei 232 km/h hört die Tachonadel auf, im Uhrzeigersinn zu wandern. Der Norm-Verbrauch von sechs Litern pro 100 Kilometern reißt bei allem Fahrspaß auch kein zu großes Loch in die Haushaltskasse. Vergleicht man den Basispreis des dreitürigen Fiesta ST von 22.100 Euro mit dem des fünftürigen VW Polo GTI (23.950 Euro) hat der fahrdynamische Ford, den es ebenfalls mit fünf Pforten gibt, auch da die nominell die Nase vorne. Immerhin sind beim Fiesta unter anderem eine manuelle Klimaanlage, die Recaro-Sportsitze und der Fahrspurhalte-Assistent serienmäßig.

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