Die Mille Miglia 2015 ist Geschichte – aus und vorbei. Frank Meakin sitzt am Steuer des Bentley 4.5 Litre Supercharged und fährt den grünen Blower mit dem historischen Kennzeichen GH 6951 den Autoanhänger hinauf. Er vertäut ihn fast behutsam mit Seilen, Klemmen und Spanngurten. Morgen früh geht es wieder zurück auf die britische Insel. Frank ist zufrieden mit der diesjährigen Mille. Der 85 Jahre alte Rennwagen hat auf den 1.700 Kilometern quer durch Italien keine Mucken gemacht. “Das einzige was ich gewechselt habe, ist die linke Innenleuchte im Armaturenbrett”, grinst Meakin, “und einmal die Zündkerzen getauscht – bei Sirmione. Das sieht bei anderen Teams auf der Mille Miglia oft ganz anders aus. Da wird repariert, was das Zeug hält. Manche wechseln nach dem Renntag sogar alle Reifen. Naja, wird alles schon seinen Grund haben.”

Im Oktober in den Ruhestand

Szenenwechsel: Ein kalter Frühlingsmorgen im Norden von Wales. Frank Meakin, der Herr über die teuersten Oldtimer im Hause Bentley, ist wieder auf Testfahrt unterwegs. Es ist kalt, Meakin warm eingepackt und wieder lässt er größte Behutsamkeit walten. Nach dem morgendlichen Start fährt er im mäßigen Galopp über seicht geschwungene Landstraßen, bergauf, bergan wieder und wieder. Die Landschaft kann es bald mit der auf der Mille Miglia aufnehmen. Der Vierzylinder des Bentley Blower mit mächtigen 4,5 Litern Hubraum bollert wohl auch ob der frühen Uhrzeit noch etwas unwirsch vor sich hin. Frank Meakin fährt das Triebwerk, dem mit einem mächtigen Kompressor auf der Frontstoßstange über 170 PS entlockt werden, gefühlvoll ein; arbeitet dabei mit fester Hand und gefühlvollem Kupplungsfuß das knochige Vierganggetriebe durch, das sich unsynchronisiert meist nur mit Problemen zurückschalten lässt.

Der offene Viersitzer Bentley 4.5 Litre Supercharged – kurz Blower – aus dem Jahre 1930 hat als eines von damals 50 für die Straße produzierten Modellen mittlerweile einen Wert von über vier Millionen Euro. Damals sollte der dunkelgrüne Le-Mans-Rennwagen auch Italien aufmischen. Doch nach der technischen Abnahme zur Mille Miglia ging der Birkin-Blower Nummer 2 mit Sir Henry Tim Birkin und Bentley-Chairman Woolf Barnato letztlich nicht an den Start – der grüne Koloss wurde schlicht zum Start nicht fertig. 2015 gibt es derlei Probleme nicht. “Die Mille Miglia fährt man nicht einfach nur. Wir haben uns vorbereitet; diesmal besonders aufwendig, weil der Motor neu aufgesetzt wurde”, sagt Meakin. Über mehrere Wochen hinweg fährt der Blower-Experte über 1.300 Kilometer – rund um den Bentley-Standort Crewe und durch den feuchten Norden von Wales. Erst als alles passt, gibt er grünes Licht.

Wenig Arbeit auf der Mille

Der 64jährige Brite bereitet sich auf seine vielleicht letzte Mille Miglia vor. Im Oktober geht Frank Meakin in den Ruhestand. Mitte der 90er Jahre wechselte er von Bentleys LKW-Werkstatt in die neu geschaffene Oldtimerabteilung, damals bestehend aus gerade einmal zwei Klassikern. Ein Glücksfall für Meakin – und Bentley. Denn kurz danach lagerte Bentley sein Transportcenter aus – das hätte den grauhaarigen Meakin wohl seinen Job gekostet. Zudem anderen hatte Bentley, mittlerweile sicher behütet unter dem Volkswagen-Dach, niemanden,der sich um die teuren Klassiker sorgte. “Besonders der Blower ist mir ans Herz gewachsen”, strahlt der zukünftige Pensionär, “ein tolles Auto. Diese Kraft ist einfach beeindruckend. Wer würde sich dafür nicht begeistern?”

Auf der Mille Miglia 2015 gibt es für Meakin nicht viel zu tun. Mit einem grauen VW Transporter, Kennzeichen YT 63 OXZ, fährt er zusammen mit seinem Kollegen dem Mille-Miglia-Troß hinterher. Es könnte ja etwas sein und bei einer Panne will man vorbereitet und schnell vor Ort sein. Die rund 450 Fahrzeuge, die an der mittlerweile auf vier Tage ausgewalzten Klassikveranstaltung in Italien teilnehmen, werden von einem riesigen Tross begleitet. Die Karawane des exklusivsten Oldtimerrennens der Welt schwillt mit Fans, Begleitfahrzeugen und Oldtimerclubs locker auf das Vier- bis Fünffache an, die die historische Strecke Brescia – Rom – Brescia zurücklegt – zumeist im Höllentempo. Der Bentley Blower ist auf der diesjährigen Mille Miglia mit der Startnummer 68 unterwegs. Das bedeutet frühe Startzeiten und kurze Nächte – auch fürs Werkstattteam.

Die anderen Bentley-Fahrer im Feld der Mille Miglia kennen Frank Meakin. Dieses Jahr ist zum Beispiel Unternehmer Richard Bird mit seinem grünen Ungetüm auf der Startnummer 67 dabei. Morgens am Start wird gefachsimpelt und geflachst. “Richard hat immer noch allerhand Teile von mir”, spaßt Meakin, “die will ich irgendwann auch einmal zurück.” Wenn es Probleme gibt, klingelt der ein oder andere Oldtimerfan so auch einmal auf dem privaten Mobiltelefon von Frank durch. Technische Probleme – schnell und unkompliziert gelöst. So ganz aufhören will der 64jährige im Herbst übrigens nicht: “Ich will dem Unternehmen und meinen Klassikern gerne verbunden bleiben. Mal schauen, was da geht.” Frank Meakin will die Zeit für Freunde, seine Frau und Hobbies nutzen. Mehr als zwei Monate im Jahr war er die letzten 20 Jahre unterwegs; ständige Reisen zu Klassikveranstaltungen in Pebble Beach, Amelia Island, Peking oder eben der Mille Miglia sind dann Vergangenheit. Am Montag nach der Milla Miglia geht es erst einmal ins heimische Crewe – doch die nächsten Blower-Termine warten schon: erst Helsinki – dann Moskau.

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