Im Jahr 2017 markierte der Genesis G70 den Startschuss auf dem Heimatmarkt Südkorea. Rund vier Jahre später bringt Hyundai die überarbeitete Limousine seiner Nobelmarke auch nach Europa. Und setzt dabei auf eine Melange aus Bekanntem sowie neuen Akzenten. Mit der sportlichen Eleganz eines Jaguars, der Erhabenheit eines Bentleys und der markanten Bulligkeit eines Ford Mustangs vereint der G70 die Größen westlicher Automobilproduktion und bleibt dennoch ein Unikat.

So wecken der tiefliegende, nach unten spitz zulaufende Kühlergrill sowie die Lüftungseinlässe und Linienführung zwar Assoziationen, in Verbund mit den LED-Quad-Leuchten im stringenten Zwei-Linien-Design, dem Farbakzent des Brembo-Bremssystems sowie der verschlankenden Parabollinie überwiegt letztlich jedoch das Gefühl der Neugier.

Bislang keine E-Variante des Genesis G70

Inwieweit der Genesis G70 ein Wandler zwischen den Welten ist, verdeutlicht nicht nur die Zusammenarbeit von Ingenieuren und Designstudios aus Südkorea, Deutschland sowie den USA. Auch die preisliche Verortung in der Mittelklasse – zwischen 40.000 und 50.000 Euro ­– vereint den Oberklasseanspruch mit erschwinglicheren Preisen. Ob sich der Newcomer damit im kompetitiven Marktumfeld durchsetzen kann?

Denn auf den Markt der Elektroautos oder Plug-in-Hybride wagt sich Genesis mit der Limousine noch nicht vor. Der G70 ist bisher lediglich mit einem 2,2-Liter Dieselmotor und einem 2,0-Liter Turbo-Benzinmotor verfügbar. Merklich spritziger als der Schwester-SUV GV70 ist der Reihen-Vierzylinder im Hinblick auf die Beschleunigung und das maximale Drehmoment allerdings nicht. Er fährt sich eher galant.

Der Genesis G70 punktet im Interieur

Während die Bewertung des Exterieurs zu einem guten Teil von der Lackierung abhängt, da etwa das sportliche „Mallorca Blue“ und das elegante Silber beim G70 wie zwei Seiten einer Medaille wirken, schafft das Interieur die Symbiose aus beiden Elementen. Besonderes Augenmerk gilt dabei den tiefliegenden Sitzen mit ihren gesteppten Bezügen, denn beim Sitzkomfort setzt die Hyundai-Tochter in der vollen Ausstattung ein Ausrufezeichen.

Die Anpassungsmöglichkeiten, etwaige ergonomischen Aspekte sowie die Sitzklimatisierung hinterlassen einen guten Eindruck. Das Dreispeichen-Lenkrad schlägt in die gleiche Kerbe: Das Design ist selbstverständlich Geschmackssache. An der Bedienbarkeit der Tasten, dem automatischen Hochfahren zum erleichterten Einsteigen sowie der Lenkradheizung gibt es jedoch nichts zu bemängeln.

Genesis geht beim Infotainment neue Wege

Interessant sind vor allem die Eigenheiten beim Infotainment, die im Vergleich zum GV80 und G80 auffallen. Allen voran hat sich Genesis bei der Mittelklasse-Limousine für eine Abkehr vom kreisförmigen Controller auf der Mittelkonsole entschieden. Zwar ist die Bedienung des 10,25-Zoll-Bildschirms damit größtenteils auf die Touchfunktion beschränkt, da die Varianz der Lenkradtasten noch immer beschränkt ist, Abhilfe schafft Genesis dennoch.

Die schier unüberschaubare Komplexität der Menüs wurde reduziert und die Praktikabilität – mittels unter dem Bildschirm befindlicher Tasten für Karte, Navigation, Radio, Medien, Favoriten und Einstellungen – erhöht. Ein individualisierbarer Splitscreen sorgt zusätzlich dafür, dass wichtige Funktionen ohne Hinzutun dauerhaft oder temporär angezeigt werden.

Das Infotainment des Genesis G70.
Beim Infotainment unterscheidet sich der G70 von seinen Vorgängern. (Bild: Genesis)

Das ist das Highlight der Genesis-Modelle

Am 12,3-Zoll-TFT-Kombiinstrument mit 3D-Effekt und dem Head-up-Display hat sich gegenüber dem GV80 und G80 hingegen merklich wenig verändert. Die Individualisierung lässt weiterhin zu wünschen übrig, dafür bleibt das Live-Kamerabild des Totwinkelassistenten in Geschwindigkeits- oder Drehzahlanzeige das positive Alleinstellungsmerkmal der Modelle.

Bei den Features und Connected Services gestaltet sich die Lage ähnlich: Kabelloses Laden von Smartphones, Sprachnotizen, Kalendersynchronisation des Google- oder Apple-Accounts, Live-Verkehrsinformationen, Wettervorhersagen, aktuelle Kraftstoffpreise, Öffnungszeiten, Informationen zu Points of Interest sowie Preis und Verfügbarkeit von Parkplätzen offenbaren die Möglichkeiten eines Connected Cars. Das Potenzial schöpft der G70 ebenso wie seine Vorgänger hier leider nicht aus.

Ist die Navigation abhängig von der Netzabdeckung?

Eine zumindest gefühlte Verbesserung lässt sich im Hinblick auf die Sprachbedienung vermelden. Zwar fungiert das System noch immer nicht als Assistenz und kann mit situativer Alltagssprache weiterhin nichts anfangen, doch das Verständnis klar formulierter Befehle funktioniert auffallend reibungslos.

Einziger Tiefpunkt: Wenn die Navigation einwandfrei erkannter Adressen ohne Netzverbindung nicht gestartet werden kann. Zumindest während der Testfahrt war das System bei Abfahrt in Gebieten mit schwacher Netzabdeckung nicht zu gebrauchen, obwohl die On-Board-Navigation normalerweise zum absoluten Standard gehört.

Die Assistenzsysteme des G70 im Überblick

Darüber hinaus bietet der OEM auch im G70 alles Erdenkliche an Fahrerassistenzsystemen. Spurhalte-, Abstands-, Totwinkel- und Kollisionsassistent sind ebenso vorhanden wie automatisierte Fahrfunktionen mittels Highway Driving Assist (HDA), Smart Cruise Control (SCC) und Verkehrszeichenerkennung. Doch während der Spurhalteassistent im Gegensatz zum ebenfalls getesteten GV80 tadellos seinen Dienst verrichtet, versagte der Kollisionsassistent bei der Testfahrt im entscheidenden Moment.

Zuvor wurden vorbeifahrende Fahrzeuge selbst auf weite Distanz noch mit vibrierendem Lenkrad und Warnton quittiert, bei einer darauffolgenden, gefährlichen Situation an der gleichen Verkehrsstelle blieb das System allerdings stumm. Bei HDA und SCC hat sich im Modellvergleich keine Veränderung bemerkbar gemacht. Die Systeme funktionieren als Insellösungen in bestimmten Verkehrssituationen, ein Anpassen der Geschwindigkeit an die Navigationsroute oder ein durchgängiges Übernehmen des Tempolimits werden nicht umgesetzt.

Doch was der Fahrer beim G70 – wie bei den Vorgängern – aufgrund dieses Umstands an Unbeschwertheit einbüßt, gewinnt er bei der äußerst hilfreichen und detaillierten 360-Grad-Kamera sowie weiteren Komfortfeatures wieder hinzu. So öffnet und verriegelt das Fahrzeug mittels Smart Key je nach Standpunkt nicht nur automatisch die Türen sowie den Kofferraum, auch die Seitenspiegel passen sich in ihrer Höhe an, wenn vom Vorwärts- in den Rückwärtsgang gewechselt wird. Es sind diese kleinen Faktoren, die den Unterschied und damit den Erfolg der Marke Genesis ausmachen könnten.

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