Während die beiden alternatierenden Europa-Großveranstaltungen in Frankfurt und Paris wegen gigantischer Hallen, endloser Wege und ihrer nicht enden wollender Unpersönlichkeit nervige Pflichtübungen sind, sieht das am Südufer des Genfer Sees ganz anders aus. Auch wenn die großen Events in Detroit, Peking, Shanghai oder eben Frankfurt mehr zu bieten haben.

Das wird jedoch schon wegen des weithin gesättigten Marktes immer unwichtiger. Die Automusik spielt längst in China, den USA und irgendwann wohl auch einmal in Indien. Doch die imagestärksten Autohersteller kommen aus Europa, allen voran Deutschland, und da heißt es lautstark auf die Pauke hauen. Doch die Reglementierungen des Messeveranstalters Palexpo sind groß, unangenehm und nicht selten baulich bedingt. Mega-Hallen wie der BMW-Auftritt in Frankfurt, die von Daimler jedes Mal millionenschwer umgebaute Frankfurter Festhalle oder der Audi-Tempel auf der dortigen Agora zeigen, was die Firmen sonst bereit sind zu kreieren, um eine perfekte Markenwelt in Szene zu setzen.

Das ist auf dem Genfer Salon nicht zu machen. Genau genommen findet die Messe in einer großen Halle statt, die mit einer zweiten abgestuften Etage nach oben erweitert wird. Wer schnell ist, hat alles Wichtige in einer Stunde gesehen und kann auf dem benachbarten Flughafen Cointrin gleich wieder von dannen düsen oder nach Hause fahren. Beim Rundgang des diesjährigen Events fällt mehr denn je auf, dass von den meisten Autoneuheiten bereits in den vergangenen Wochen das Tuch gezogen wurde. Spektakuläre Ereignisse wie der urwüchsige Mercedes G 500 4×42, die Staatslimousine Mercedes-Maybach Pullman, der BMW 2er Grand Tourer, Skoda Superb oder ein VW Touran waren bereits in den vergangenen Wochen zu bestaunen. Auch Spaßmacher wie Opel Corsa OPC, Ford Focus RS oder Honda Civic Type R sind keine echten Neuheiten. Kaum eine andere Automesse der Welt nimmt sich ihre Neuheuten derart konsequent selbst vorher weg, wie der Genfer Salon. Nicht, dass der Messeveranstalter dies zu verantworten hätte. Den Autoherstellern ist das Risiko schlicht zu groß, die feierliche Enthüllung erst in den Messehallen selbst zu zelebrieren.

Die Konkurrenz ist allgegenwärtig und das eigene Prunkstück soll in der öffentlichen Wahrnehmung schließlich nicht in der zweiten oder gar dritten Reihe stehen. Selbst Supersportler wie Audi R8, Aston Martin Vulcan oder Ferrari 488 wurden daher in den vergangenen Wochen bereits initiativ kommuniziert. Das war einmal ganz anders. Als die Vorzeigemesse Motorama in den 50er Jahren durch das Land der unbegrenzten Möglichkeiten zog, waren die amerikanischen Straßen wie leer gefegt. General Motors hatte die Veranstaltung Motorama im Jahre 1949 ins Leben gerufen und so die Idee von Alfred P. Sloan weiterentwickelt, der technische Innovationen seit den 30er im Hotel Waldorf Astoria der Öffentlichkeit nahebrachte. Die amerikanische Bevölkerung sollte nach dem Zweiten Weltkrieg wieder Lust auf Autos bekommen. So wurden nicht nur Neuheiten, sondern insbesondere auch Studien, Prototypen oder spektakuläre Einzelstücke in Szene gesetzt.

Bei der Erstauflage nach dem Zweiten Weltkrieg kamen bereits mehr als 600.000 Besucher. Nach dem lokalen Erfolg ging Motorama ab 1953 auf Tour durch die Vereinigten Staaten. US-Klassiker wie die Corvette, Cadillac Le Mans oder die Fiberglas-Modelle wurden so zu Legenden. Das Publikum strömte und kaufte in den Wochen danach bei lokalen Händlern die Neuheiten.

Heute sind Autoshows wie der Genfer Salon 2015 nur noch ein Schatten ihrer selbst. Ihre Bedeutung für die Autoindustrie wird künstlich am Leben erhalten, um das Markenbild selbstbewusster denn je nach außen zu tragen. Als General Motors auf seiner Motorama-Show des Jahres 1954 erstmals ein Modell wie den Chevrolet Corvette Nomad Concept Station Wagon auf dem Präsentierteller drehen ließ, jubelte das Publikum auf. In Serie ging die Konzeptstudie wie viele andere nie. Doch als Imageträger und Stimmungsmacher kennen das Einzelstück noch heute viele. Die zeitgemäße Weiterentwicklung der Motorama-Show bietet seit einigen Jahren der Volkswagen-Konzern.

Nachdem es mit der Messegesellschaft in Genf vor Jahren Probleme um die Zeiten für die eigenen Pressekonferenzen gab, zog Volkswagen mit seinem Mehrmarkenkonglomerat eine eigene kleine Show auf. Der Erfolg war so gigantisch, dass die wichtigsten Automessen der Welt am Vorabend mittlerweile eine kleine Vorab-VW-Messe für geladene Gäste haben, in der sich Markenableger wie Volkswagen, Audi, Porsche, Lamborghini, Seat, Skoda, Bentley oder Bugatti bereits vorab stilecht präsentieren können. Gerade für Mehrmarkenkonzerne könnte das die Messezukunft sein. Langfristig vielleicht sogar nur virtuell.

Stefan Grundhoff; press-inform

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