Im Sommer 2016 soll der Honda NSX den Porsche 911 Turbo und den Audi R8 das Fürchten lehren. Wir sind die hybride Nippon-Flunder schon gefahren.

Lange mussten die Honda-Fans auf den neuen NSX warten. Drei Jahre lang praktizierten die Japaner eine automobile Salamitaktik, verschiedene Studien lüfteten langsam Schleier über die heißerwartete Nippon-Flunder. Schließlich genießt die erste Version, die von 1990 bis 2005 gebaut wurde, Legenden-Status. Der Ur-NSX hatte solche Leckereien wie ein Aluminium-Chassis, elektronisch gesteuerte Drosselklappen und Titan-Pleuel. Die V6-Drehorgel jodelte bis 8.000 U/min und machte den deutschen Autobahnhelden aus Zuffenhausen und München das Leben schwer.

Gute Sitzposition

Große Schuhe, in die der neue Honda-Samurai passen muss. Zu allem Überfluss steht NSX auch noch für “New Sport Experience”. “Der neue NSX soll ein Alltags-Super-Auto sein”, frohlockt NSX-Projektleiter Ted Klaus. Also die ganz anspruchsvolle Übung: Der Supersportler, der dem Audi R8 und dem Porsche 911 Turbo davonfahren und außerdem für den Weg in die Arbeit geeignet sein soll. Die technologische Rüstzeug hat das weißlackierte Kraftpaket auf alle Fälle: variable Dämpfer und ein steifes Chassis aus Aluminium und extrem festen Stählen.

Nach dem Hineinschlängeln in die bequemen Sportsitze ist ruckzuck eine ideale Sitzposition gefunden. Das farbenfrohe digitale Zentralinstrument erinnert an die Anzeigen aus einem Videospiel. Das passt aber irgendwie, schließlich kommt der NSX aus Japan, der Heimat der Playstation 4. Was aber nicht zusammenpasst, ist das sauber verarbeitete Leder im Interieur und die Plastik-Chrom-Imitat-Applikationen in den Türen und um die Mittelkonsole. Aber nach dem Druck auf den Start-Knopf ist das alles Makulatur, da gilt der Blick nur noch dem Asphalt, bestenfalls dem Drehzahlmesser und der Griff dem Lenkrad, das gut in der Hand liegt.

Stabiles Fahrverhalten

Geschmeidig und lautlos hechtet der weiß-schwarze Japan-Tiger los. Insgesamt drei Elektromotoren sorgen für Vortrieb: Zwei mit jeweils 27 kW / 36 PS an der Vorderachse und einer mit 35 kW / 47 PS, der mit dem Bi-Turbo-Verbrennungs-Motor verschmolzen ist, hinten. Insgesamt lässt das eilige Quartett eine Systemleistung von 422 kW / 573 PS auf den Asphalt los. Die Kraft der Batterie reicht maximal bis 90 km/h oder zwei Kilometer lang, dann schaltet sich fast unmerklich der V6-Aluminium-Twin-Turbo dazu. Nach deutlich weniger als vier Sekunden knackt der NSX die 100 km/h Marke. Erst bei 305 km/h ist Schluss.

Was sofort auffällt: Auch bei hohen Geschwindigkeiten liegt der Super-Honda extrem stabil und lässt sich entspannt bewegen. Das liegt auch an der ausgefeilten Aerodynamik des Sportwagens, die den Auftrieb reduziert. Wäre da nicht die warnende Vernunft, die einen zur vorschriftsmäßigen Beidienung des Power-Riegels ermahnt, würde der Ellenbogen unweigerlich auf das Fenstersims der Türverkleidung wandern. Die rasante Tempojagd geht weiter, schneller und immer schneller. Die Mischbereifung (vorne 245 – 19 Zoll, hinten 305 – 20 Zoll Räder) krallt sich in den Straßenbelag. Der wilde Drang lässt auch bei den Gangwechseln des hauseigenen-Neungang-Doppelkupplungsgetriebe nicht nach, da die beiden vorderen E-Maschinen die minimale Zugkraftunterbrechung beim Schalten ausgleichen. Untermalt wird diese Attacke auf die deutschen Premium-Boliden von dem metallisch sägenden Sechszylinder im Rücken des Fahrers. Wer es auf der Autobahn gemütlicher haben will, nutzt die Fahrstufe Nummer neun, die als Spargang ausgelegt ist.

Der NSX dürfte etwa 160.000 Euro kosten

Je nachdem, welchen der vier Fahrmodi – Quiet (rein elektrisch), Sport, Sport + oder Track – man wählt, steigert sich das Verbrennungs-Gebrüll, wird aber nie derart infernalisch laut wie bei einem italienischen Sportwagen. Das ist ein Tribut an das anvisierte Klientel in den USA, China und dem Nahen Osten. Allerdings verändert sich das Verhalten des Hondas. Wer es sportlich will, bekommt es knackig, dann straffen sich die Dämpfer und die Lenkung wird noch direkter. Selbst im Track-Modus verschwindet das ESP nicht ganz. Das muss der Fahrer schon selbst per Druck auf einen extra Knopf ausschalten. Durch diese spezielle Herangehensweise kann sich der Pilot mit dem Sportgerät anfreunden, oder “die Zitrone schälen”, wie es Ted Klaus ausdrückt. Falls es dennoch einmal eng wird, packen die Carbon-Keramik-Bremsen kräftig zu.

Die Frucht dürfte bald freigelegt sein. Denn der NSX vermittelt viel Vertrauen und lenkt in schnellen Kurven agil ein. Der Allradantrieb hilft, indem er die Kraft an einzelne Räder schickt, das hilft beim Slalom, aber auch auf der Geraden durch das erwähnte stabile Fahrverhalten. Zumindest in schnellen Passagen verhält sich der Honda NSX so behände, dass das durchaus stattliche Gewicht von 1.725 Kilogramm nicht auffällt. Wer diesen Faktor optimieren will, kann noch etwas abspecken, denn vor Sommer nächsten Jahres werden die ersten Autos nicht nach Europa kommen. Der Preis für die Attacke auf die deutsche Autobahnherrlichkeit wird bei etwa 160.000 Euro liegen.

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