Anfang dieses Jahres galoppierte der gigantische Automarkt Chinas einmal mehr mit deutlichem Abstand vor den USA und Europa hinweg. Fast 5,5 Millionen verkaufte Neufahrzeuge in den ersten drei Monaten lassen selbst die guten Verkäufe den USA und Europa (jeweils vier Millionen) blass aussehen. Lauscht man führenden Köpfe der Autoindustrie, führt an China allen Stagnationstendenzen zum Trotz kein Weg vorbei. "Wir hatten hier zuletzt Zuwachsraten von 30 Prozent", sagt Mercedes-Vertriebschef Ola Källenius, "2015 konnte China bei uns erstmals die USA als wichtigsten Markt überholen. Das wird sich mittelfristig nicht ändern." Aktuell kommen auf 1.000 Chinesen kaum mehr als 100 Autos. In den USA sind es in einem gesättigten Markt derzeit über 700 pro 1.000 Einwohner, in Deutschland 560 pro 1.000. Das zeigt die chinesischen Marktpotenziale für die nächsten Jahrzehnte eindrucksvoll. Kein Wunder, dass gerade Herstellerprimus Volkswagen in China nicht nur sein neues Volumenmodell Magotan vorstellt, sondern innerhalb der nächsten vier Jahre sieben neue Elektro- und Plug-In-Hybrid-Modelle auf den Markt bringen will. Jedes dieser Fahrzeuge soll auch in China produziert werden.

Die Peking Motorshow ist nichts für zart besaitete Gemüter. Die schwüle Hitze lässt Lebensgeister erlahmen, der Sauerstoffgehalt ist minimal und aus den alles andere als reinlichen acht Ausstellungshallen dröhnen ohrenbetäubend laut Musikeinspielungen und Bühnenshows gegeneinander an. Zurückhaltung ist die Sache der Chinesen nicht - das wird auf der Auto China auch in diesem Jahr wieder deutlicher denn je. Auf der 14. Beijing Autoshow dreht sich im New China International Exhibition Centre im Shunyi Ditrict ähnlich wie auf anderen Märkten fast alles um das Thema SUV. China-spezifisch ist hingegen die bedingungslose Liebe zu Modellen mit langem Radstand. Wer einen guten Job hat und sich ein Auto von einem internationalen Hersteller leisten kann, nimmt insbesondere wochentags hinten rechts im Fahrzeug Platz und lässt im Dauerstau einen Fahrer ans Steuer. Da ist jeder Zentimeter Beinfreiheit herzlich willkommen. Jalousien, separate Klimatisierung und Komfortsitze inklusive.

Die meisten Hersteller aus den USA und Europa haben zum chinesischen Markt ein zwiespältiges Verhältnis; doch Verkäufe und Erträge sind nach wie vor die besten auf der Welt. So machen alle von Audi über BMW, Jaguar Land Rover und Mercedes bis hin zu Porsche, Volkswagen, Ferrari oder Lamborghini gute Miene zum bisweilen schwierigen Spiel, dessen Regeln die nationalen Behörden vorgeben. "In diesem Jahr soll der chinesische Premiummarkt um acht Prozent wachsen. Davon wollen wir profitieren - gerade mit der Langversion der Mercedes E-Klasse", unterstreicht Daimler-Chef Dieter Zetsche, während er sein neuestes Schmuckstück bei klassischer Musik stilvoll enthüllen lässt. Ohne eine lokale Produktion lässt sich hier in China kaum etwas verkaufen. Dafür sind die Zölle und lokale Beschränkungen einfach zu hoch. Kein Wunder also, dass Mercedes die Langversion (14 Zentimeter länger) seiner neuen E-Klasse ebenso hier in China produzieren lässt, wie Jaguar seinen verlängerten XFL, Citroen seinen C6 oder BMW seinen an sich kompakten X1 XL, der um 12 Zentimeter verlängert schon am großen Bruder X3 kratzt. Ebenfalls für China verlängert: der noch junge Audi A4 L mit einer Länge von 4,81 Metern. Noch länger: der Bentley Mulsanne EWB. Auch hier sitzt man im Alltagsverkehr zwischen den stets überfüllten Ringstraßen bevorzugt hinten rechts, liest, schlummert oder arbeitet.

Die neue chinesische Sportlichkeit

Während die Luxuslimousine Phaeton mittlerweile auch für den hiesigen Markt eingestellt wurde und selbst als Elektromodell keine Fortsetzung bekommen wird, bringt Volkswagen mit dem Phideon eine fünf Meter lange Luxuslimousine - allein für den chinesischen Markt. Zudem wollen die Wolfsburger mit seinem Ausblick auf den neuen Touareg von Dieselskandal und dem entsprechend schlechten Unternehmensergebnis ablenken. Das gelingt nicht nur deshalb, weil das T-Prime Concept optisch und technisch Lust auf eine Serienumsetzung macht, sondern Diesel in China sowieso kein Thema sind. Hier sind PKW obligatorisch mit einem Benzinmotor unterwegs, der allenfalls mit einem Elektromotor gekoppelt ist. Reine Elektromobile sind auf der 14. Auto China in erster Linie ein Thema bei den zahllosen nationalen Herstellern, die sich hiervon versprechen, den Wettbewerbsnachteil der internationalen Autokonzerne umkehren zu können.

Doch in Peking fährt es sich auf Wunsch auch sportlich. Audi krönt seine TT-Serie mit dem 400 PS starken RS-Modell, der unverändert gleichsam als Coupé oder Roadster zu bekommen ist. Mit seinem mächtigen Fünfzylinder stielt der Ingolstädter selbst dem überarbeiteten Porsche 718 Cayman die Show, der ebenso wie der Boxster zukünftig nur noch von aufgeladenen Vierzylindern (mit 300 und 350 PS) befeuert wird. Erstmals in China zu sehen: das brüllende Lamborghini-Trio aus Huracan 580-2, 610-4 Spyder und dem auf 250 Fahrzeuge limitierten 610-4 Avio. Der neue CEO von Lamborghini, Stefano Domenicali: "China ist für Lamborghini weltweit einer der größten Märkte. Wir freuen uns, dem chinesischen Publikum heute die Huracan Familie vorstellen zu können, die 2015 einen historischen Verkaufsrekord verzeichnen konnte." Ein paar Nummern kleiner legt Smart seine markigen Brabus-Versionen auf, die als Fortwo, Fortwo Roadster und Forfour mit 80 kW / 109 PS etwas weniger als erwartet leisten, jedoch optisch mächtig auf den Putz hauen. Kein Vergleich zum gemeinhin weitgehend ausverkauften BMW M2, der nun - ohne jegliche Verlängerung - auch in China seine Premiere feiert. Die Wartezeiten dürften sich daher nochmals nennenswert verlängern. Bei den erwarteten 800.000 Zuschauern dürfte der pausbäckige Bayer neben allen SUV und Langversionen einer der automobilen Höhepunkte sein.

Die meisten Neuvorstellungen bleiben jedoch trendige Crossover, denn die Nachfrage nach SUV ist in China ebenso ungebrochen, wie in anderen Regionen der Welt. Kein Wunder, dass die internationalen Hersteller neben neuen Serienmodellen wie dem BMW X1 XL, Peugeot 3008 oder einem Renault Koleos Lust auf Spartenfahrzeuge wie den Mazda CX-4 als Coupé-Crossover bekommen. Die Nissan-Tochter Infiniti zeigt mit dem QX Sport einen ebenso seriennahen Ausblick auf den QX 50 wie Skoda mit seinem Vision S auf den Kodiac. Keine Chinamesse ohne Plagiate: Zotye kupfert mit seinem SR7 schamlos den aktuellen Audi Q3 ab und bedient sich bei seinem Elektrozweisitzer E200 erkennbar bei verschiedenen Smart-Generationen. Dagegen lässt Dongfeng den amerikanischen Toyota FJ Cruiser wieder auferstehen. Der elektrische Lifan 330 EV sieht einem aktuellen Mini ähnlicher als gemeinhin erlaubt und die viertürige Coupéstudie des Roewe Vision R hat man in Modulen so ähnlich auch schon bei der europäischen Konkurrenz gesehen.

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