Innen- und Rückspiegel werden schon bald der Automobilgeschichte angehören. Erste Fahrzeuge, wie beispielsweise der BMW i8, blicken mit modernster Kameratechnik nach hinten.

Der außenspiegellose i8 war einer der automobilen Stars auf der Consumer Electronic Show (CES) in Las Vegas Anfang Januar. Statt der analogen Außenspiegel ist der hybride Entwicklungsträger rund um die Vergnügungsmeile des Las Vegas Strip mit kleinen Kameras unterwegs, die scharf nach hinten blicken. Die beiden Bilder der Außenspiegel werden auf ein zentrales Display projiziert, das dort hängt, wo sonst der Innenspiegel thront. Der Bildschirm ist mit 30 cm Breite und 7,5 cm Höhe etwas größer als das Gehäuse eines üblichen Innenspiegels. Er ist seitlich abgerundet und gaukelt so eine natürliche, panoramaartige Wahrnehmung des rückwärtigen Verkehrsgeschehens vor. Die Kamerabilder werden elektronisch ausgewertet und mit potenziellen Gefahren verquickt. Signalisiert der Fahrer zum Beispiel durch Blinken einen bevorstehenden Überholvorgang, obwohl sich ein Fahrzeug von hinten mit großer Geschwindigkeit nähert, erscheint im Display ein gelbes Warnsymbol, das mit zunehmender Gefahr größer wird. Erkennt das System durch Blinken oder starken Lenkradeinschlag einen Abbiegevorgang, schwenkt das Bild im Display automatisch nach rechts und weitet den dargestellten Bereich aus.

BMW will Spiegel ersetzen

Kameras, einst nur in den USA und Asien für Luxuslimousinen und große SUV ein Thema, haben längst auf breiter Ebene die Autowelt erobert. Zunächst waren es nur einfache Rückfahrkameras, die dem Einparken den Schrecken nahmen. Doch längst sind moderne Autos mit Kameras ausgestattet, die nach vorne, hinten und zur Seite blicken. Sie sorgen für Notbremsungen, das Einhalten von Spuren oder das automatische Aus- oder Einparken. Doch es geht noch weiter. Kameras werden in den nächsten Jahren die Außen- und Innenspiegel aus dem Fahrzeug verbannen.

Kamerasysteme können auch in Verbindung mit herkömmlichen Außenspiegeln die Sicht nach hinten verbessern. Das zeigt unter anderem der Prototyp eines BMW i3. Dem Innenspiegel kommt in diesem Fahrzeug eine erweiterte Bedeutung zu denn er überlagert die gewöhnliche Spiegelsicht mit den Aufnahmen einer Kamera im Antennenfuß auf dem Dach. Durch diese Mischung der Spiegel- und Kamerasicht erweitert sich das Blickfeld des Fahrers nach hinten erheblich; gleichzeitig bleibt der Bezug zur Umgebung erhalten und es lässt sich einfacher abschätzen, wie weit andere Fahrzeuge noch entfernt sind oder wie schnell sie sich nähern.

VW XL1 ohne Außenspiegel

“Bis zur Serieneinführung der Kamerasysteme wird es noch etwas dauern”, räumt BMW-Entwicklungs-Chef Elmar Frickenstein ein, “Spiegel sind verdammt gut und haben eine unendliche Brennweite, weshalb es keinerlei Verzerrungen gibt.” So ist damit zu rechnen, dass die ersten spiegellosen Systeme im Hause BMW in rund drei Jahren Einzug ins Modellportfolio halten. Vielleicht kein Zufall, dass 2019 die Modellpflege für den gerade erst vorgestellten BMW 7er ansteht. “Zunächst dürfte eine Entwicklung wie ein Kameraspiegel wohl von oben nach unten in die Modellfamilie kommen”, räumt Frickenstein ein. Erprobungsträger mit Kameraspiegeln gibt es bei den internationalen Autoherstellern schon viele Jahre. “Das Problem ist, dass das Ganze viel Rechenpower und viel Geld kostet”, räumt Elmar Frickenstein ein, “es bringt aus meiner Sicht nur etwas, wenn man die Kamerasysteme mit Fahrerassistenzsystemen vernetzt und dann einen Mehrwert für den Kunden generiert. Der tote Winkel ist dann Vergangenheit.” Haben Kameras erst einmal die Aufgabe der Spiegel übernommen, wünschen sich die meisten Fahrer Zusatzinformationen, Anzeigen und Perspektiven, wie durch die Rundum-Kamerasysteme, die zuletzt Einzug in Autos aller Klasse hielten.

General Motors ist mit dem Einsatz von Kamerasystemen schon weiter. Während BMW die spiegellosen Systemen gerade erst in den Bereich der hauseigenen Serienentwicklung überführt hat, ist das neue Elektroauto Chevrolet Bolt ab Ende des Jahres bereits mit einem Display statt des üblichen Innenspiegels ausgestattet. Optional verschwindet der der übliche Innenspiegel und wird von einem Display ersetzt, das das Bild einer Weitwinkelkamera ins Cockpit überträgt.

Doch General Motors bringt den Hightech-Rückspiegel nicht nur bei seinem Elektromobil. Der Kameramonitor ist ab diesem Frühjahr zudem in der Luxuslimousine Cadillac CT6 und dem Crossover XT5 verfügbar. Das Kamerabild ist rund viermal so groß wie das des normalen Rückspiegels; die Sicht nach hinten vergrößert sich nach Angaben von Cadillac rund um das Dreifache. Erst einmal im Auto Platz genommen, haben Fondkopfstützen und undurchsichtige C-Säulen ihren Schrecken verloren. Wenn man sich an das Kamerabild mit seiner Auflösung von 1280 x 240 Pixel gewöhnt hat, spürt man schnell die deutlich bessere Sicht nach hinten. So ganz neu sind Kameras, die die Aufgabe von Außenspiegeln erledigen, übrigens auch bei Volkswagen nicht. Die Öko-Zigarre des VW XL1 ist seit seiner Vorstellung im Frühjahr 2013 ebenfalls mit kleinen Kameras unterwegs, die statt Außenspiegeln nach hinten blicken. Bei diesem Kleinserienmodell wird es nicht bleiben.

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