Die Sonne scheint und bereits morgens um kurz nach sieben Uhr ist es angenehm warm in der Eifel, die oftmals das ganze Jahr stimmungsvolle Wetterkapriolen für einen bereithält. Die sattgelbe Sonne ist bereits zu früher Stunde über die seichten Hügelketten geklettert und strahlt auf eine schwarze Karosserie, die man nicht zwangsläufig als schön bezeichnen möchte. Die zeitlos schlichte und überaus sehenswerte Linienführung des Mercedes E-Klasse Coupés der immerjungen W124er-Baureihe wurde mit einem Karosseriekit verbastelt, der so wenig in die grünen und gelben Linienführungen der Eifellandschaft passt, wie zwei grüne Chilis auf einer perfekt gegarten Dorade. Spoiler und Schürzen ziehen die Front viel tiefer als man es gewohnt ist auf den Asphalt herunter. Zwei kantige Zusatzleuchten lassen das Gesicht trotz steil im Wind stehendem Sternenkühlergrill massiger wirken. Die Kotflügel wurden mit Beplankungen nach außen gezogen, sodass größere Räder (vorne 235/45 ZR17 / hinten 265/40 ZR17) mit zwielichtigen Tiefbettfelgen Platz finden und der aufgeklebte Heckspoiler mit einer geänderten Abrisskante verschandelt die an sich grazilen 124er-Designelemente schmerzhaft. Irgendwie kommen einem wilde Rieger-Umbauten in den Sinn und die nachgebauten Testarossa-Versionen von wem auch immer; Hauptsache breit, fett und massig. So waren die 80er eben - auch in der Eifel. Darth Vader lässt grüßen.

Die drei eingestanzten Buchstaben AMG auf der linken Seite des Heckspoilers geben nur unzureichend Zeugnis von dem, was sich unter der Motorhaube abspielt und wer das schwarz getünchte Oberklassecoupé an sich ist. Er ist einer von weltweit gerade einmal zwölf Mercedes 300 CE 6.0 AMG. Der etwas aufdringlich in der Eifelsonne schimmernde Zweitürer ist eine faszinierende Boden-Boden-Rakete, die nicht nur damals seinerzeit ihresgleichen suchte. AMG rief für sein umfangreich modifiziertes E-Klasse Coupé seinerzeit unfassbare 335.000 D-Mark auf. Damit war der Schwabe fast 100.000 D-Mark teurer als ein Rolls-Royce Corniche II. Noch mehr Preisabstand gab es zu den Modellen wie Lamborghini Countach oder Ferrari Testarossa. Was man für den wahnwitzigen Preis bekam, war ein Auto, das es eigentlich nicht hätte geben dürfen. Ein Luzifer im weißen Röckchen, eine Martha Hari mit Latzhose oder einen Papst im Tigerstring. Nicht der polarisierende Karosserie-Kit machte die Musik, denn auf Wunsch gab es das Coupé, das in den USA alle nur "The Hammer" nannten, auch mit der schmalen Serienkarosse. Schwächere Versionen mit 360 PS gab es auch im Limousinenkleid. Es war sein Antrieb, der in der zweiten Hälfte der 80er Jahre nahezu konkurrenzlos war.

Auch wenn der kleine schwäbische Tuner AMG, der detailverliebt an Motoren und deren Drumherum herumbastelte, Mitte der 80er Jahre an die automobile Wahrnehmungsgrenze gespült worden war, wirkliche Bekanntheit hatte der Motorenveredler außerhalb der Sportwagengemeinde nicht. Das sollte sich ändern, nachdem Motorenpapst Erhard Melcher 1984 einen weitgehend eigenständigen Zylinderkopf ersonnen hatte. Er machte aus dem souveränen, aber betont betulichen Fünfliter-V8-Motor eine Bestie, die ihresgleichen suchte. Statt zwei Ventilen gab es pro Zylinder derer vier; dazu eine scharfe Nockenwelle und allerhand Beiwerk, um aus dem V8-Paket eine wahre Kraftmaschine zu machen. Es gab vom nachgeschärften Triebwerk auch zahmere Varianten mit 5,0 und 5,6 Litern Hubraum. Doch "The Hammer" saugte jedoch aus dem Vollen und könnte seine üppige Leistung von 283 kW / 385 PS aus sechs Litern Brennraum schöpfen. Das maximale Drehmoment: unvorstellbare 566 Nm.

Ein Tag in der Eifel

Wer beim Starten des Hammer-Triebwerks eine Urgewalt von Getöse erwartet hätte, sieht sich getäuscht. Die vier Seitenscheiben sind angesichts wohligen Eifelwetters heruntergefahren und es ist nach dem Dreh am Zündschlüssel ein grimmiges Brummen zu vernehmen. Dies stammt unverkennbar von einem Achtender, mag aber vom Klangbild kaum zum gewohnten 500er-Triebwerk passen, das man bestens aus den Modellen der 126er-Baureihe kennt. Erst ein paar Jahre später wird der 500er-Motor in den 124er verpflanzt. Im Sommer 1988, Stefan Edberg hat Boris Becker gerade erfolgreich das Wimbledon-Finale verdorben, hört die Motorenpalette des 124er Coupés an sich bei 220 PS auf. Die 385 PS des 300 CE 6.0 AMG sind daher beinahe ebenso schamlos wie die Höchstgeschwindigkeit von 289 km/h.

Es geht noch im langsamen Galopp durch die Eifel. Die Nordschleife des Nürburgrings liegt nur ein paar Kilometer weiter nördlich und das über 20 Kilometer lange Eifelgeschlängel würde wohl auch dem Hammer gefallen. So langsam wird der Motor warm, das Klangbild satter und der Tatendrang des Piloten ambitionierter. Es fällt schnell die präzisere und insbesondere schwergängigere Lenkung des schwarzen Dämons auf. Das Fahrwerk ist mit seinen kürzeren Federn und strafferen Dämpfern an der feinen Grenze zwischen stramm und straff. Der Wagen taucht in den kleinen Eifelsenken immer wieder kurz ein, um sich direkt wieder seiner Sportlichkeit zu erinnern. Für viel Restkomfort sorgt die alles andere als verwindungssteife Karosserie des Daimler-Coupés, bei dem die Seitenscheiben mittlerweile nach oben geklettert sind, um den Fahrwind auszusperren. Die Ledersitze haben mit den weichen Seriensesseln aus dem Hause Mercedes nichts gemein. Es sind vollelektrische Sportstühle aus dem Hause Recaro. Seitenhalt und Verstellmöglichkeiten sind auch nach heutigen Maßgaben noch vorbildlich; die in die rechte Seitenwange eingearbeitete Schalterklaviatur würde jedoch nach einem Blick in die nicht vorhandene Bedienungsanleitung verlangen.

Doch es geht nicht um Sitze, sondern den längst leistungshungrig brabbelnden V8 unter der Haube. Dass der Melcher’sche Zylinderkopf ein wahres Kunstwerk deutscher Motorenbaukunst ist, spürt man auf jedem Kilometer. Der Klang, der Druck und diese Überlegenheit waren den Kunden in den verrückten 80ern die Wahnsinnssumme von 335.000 D-Mark wert. Wahrscheinlich war es der beste V8-Motor, der seinerzeit weltweit zu bekommen war. Der Zustand des Traumcoupés, der gerade einmal jungfräuliche 35.000 Kilometer gelaufen hat, ist spektakulär; die Technik eine Versuchung. Wenn das stärkste aller 124er-Coupés eine schmerzhafte Schwachstelle hat, ist es die Viergangautomatik, mit der die Motorleistung an die Hinterachse gebracht wird. Die neuen 265er-Pneus verbeißen sich bestens mit dem rauen Eifelasphalt und so setzt das über 1,6 Tonnen schwere Coupe seine Potenz eindrucksvoll in Vortrieb um. Doch die Gangwechsel geschehen ohne jegliche manuellen Einflussmöglichkeiten so träge, als sein man in einem elfenbeinfarbenen Taxi unterwegs. Der Wandler hat bei engagierter Fahrweise alle Mühe, die Sprünge von Tempo, Drehzahl und Drehmoment zu ordnen. Immerhin: im Sportmodus werden die Gänge deutlich höher ausgedreht - so recht passen mag das jedoch nicht. Ist der 300 CE 6.0 AMG erst einmal schnell genug, ist die automatisierte Gangschaltung ohnehin arbeitslos. Dann verrichtet der düstere Schwabe seinen Dienst ohnehin im höchsten, dem vierten, Gang. Genießen lässt sich so jeder Kilometer - gerade in der Eifel und bei diesem Wetter. Doch jetzt müssen die Seitenscheiben wieder herunter.

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