Der neue Mercedes SL, erstmals von AMG entwickelt, soll den Schatten vergangener Jahre und Generationen ablegen und wieder das werden, was er seit den frühen 50er Jahren war: edel, luxuriös und begehrenswert. Dabei ist er wieder einmal etwas spät dran. An sich sollte er bereits im vergangenen Jahr seine Publikumspremiere feiern, doch die Entwicklungskapazitäten im Hause Daimler und in Affalterbach, dem AMG-Stammsitz, ließen es nicht zu, dass der 2+0-Sitzer bereits auf den Straßen der Welt unterwegs ist. Immerhin sind es keine drei Jahre Verspätung wie bei seinem Vorgänger der Generation R 231, denn als die 2012 auf den Markt kam, hatte das offene Luxusmodell schon ein paar Jahre nahezu fertig auf dem internen Abstellgleis gestanden. Der neue SL, lange Jahrzehnte prestigeträchtiger Innovationsträger für die Marke Mercedes, hatte nicht viel wirklich Neues zu bieten. Er hatte je nach Modell um bis zu 170 Kilogramm abgespeckt, das Wischwasser kam direkt aus den Gummilippen der Scheibenwischer gespritzt und das Frontbasssystem sorgte für wohligen Klang aus dem Fußraum - echte technische Fortschritte Fehlanzeige. Bereits beim Vorgänger hatte man lange Zeit eine Hybridversion diskutiert und auch eine Allradvariante schien nur eine Frage der Zeit. Doch der R 231 war letztlich nicht viel mehr als ein leicht verbesserter R 230 im neuen Kleid.

Das soll sich in diesem Herbst ändern. Dabei können sich die Kunden erstmals wieder über ein elektrisches Stoffdach freuen dürfen. Das praktische, aber alles andere als schicke Klappdach gehört wieder der Vergangenheit an. Zudem kehrt der Mercedes SL zurück zu seinen Wurzeln, wird leichter, edler und einfach cooler. Doch mit einem neuen SL ist es nicht getan. Die Daimler-Verantwortlichen haben das hauseigene Portfolio der Oben-ohne-Modelle deutlich gestrafft. So sind mittlerweile nicht nur der SLK/SLC, sondern auch das S-Klasse Cabriolet ausgelaufen. Schlecht sieht es für eine offene C-Klasse aus und auch die kommenden Modelle der G-Klasse und der AMG dürften auf eine Oben-ohne-Version verzichten. Auch wenn die neue Generation von Smart-Modellen aus China auf uns zurollt, erscheint ein Cabriomodell mehr als unwahrscheinlich.

In den späten 50er Jahren wurde der 300 SL zum elegant-sportlichen Prachtmobil der Schönen und Reichen, die sich gern gleichermaßen in Sonne und Öffentlichkeit sonnten. Der offene Mercedes 300er SL, insbesondere mit Fokus auf die USA vom spektakulären Flügeltürer abgeleitet, leitete eine Erfolgsgeschichte ein, die in der Autobranche ihresgleichen sucht. Der betont sportliche W198 machte den Anfang; der deutlich weiblichere W 121 folgte und nach dem Pagodenroadster (W 113) wurde der Mercedes SL (Bedeutung für Sport-Leicht oder Super-Leicht) spätestens mit dem zwischen 1971 bis 1989 gebauten SL der Baureihe R 107 zur verchromtem Designikone. Bis heute einer der schönsten Roadster, der je produziert wurde; gekrönt mit dem US-geneigten Topmodell SL 560. Ebenso wie die viertürige Mercedes S-Klasse war der SL mehr denn je immer ein Zeichen seiner Zeit. So wie die kantige Baureihe R 129 mit dem unverwüstlichen Kunststoffcharme, der für die Ewigkeit kreiert wurde. Elegant und mit Hightech vollgestopft die Nachfolgegeneration des R 230, der insbesondere vor Einführung der Glasbaustein-Frontscheinwerfer seine Fans begeisterte.

Vier, sechs und acht Zylinder - kein V12

Der mittlerweile ausgelaufene Mercedes SL der Serie R 231 ist nicht nur durch die fehlenden Innovationen, sondern auch in Sachen Design und Dynamik alles andere als ein geliebtes Kind im Daimler-Portfolio. Die Verkaufszahlen dümpeln seit Jahren ohne große Amplituden vor sich hin und das Durchschnittsalter der Fahrer liegt deutlich über 60 Jahren. Die blasse Optik wurde zwar nach der Modellpflege besser; doch die offenen Versionen der Mercedes S-Klasse und AMG GT Roadster machten das Oben-ohne-Urgestein im breiten Daimler-Portfolio entbehrlicher denn je. Mit dem Nachfolger will Mercedes ab diesem Herbst an alte Erfolge des Sonnenanbeters anknüpfen. An sich hätte es sich vor Jahren angeboten, den damals neu erschaffenen Mercedes AMG GT / GT Roadster zum SL der Neuzeit zu machen - wie einst in den 50er / 60er Jahren - erst geschlossen und dann eben offen. Doch die Entscheidungen wurden immer wieder herausgezögert, AMG sollte gestärkt werden und so parkte der SL fortan ungeliebt zwischen den Stühlen.

Für Puristen begann der Abstieg bereits im Jahre 2002, als Mercedes seinen damals neuen SL (Baureihe R 230) erstmals mit einem Variodach vorstellte. Das Klappdach, großer Trend der späten 90er und frühen 2000er Jahre, wird von vielen Cabrio- und Roadsterfans bis heute belächelt. Das allzu opulente Hinterteil des Mercedes SL konnte in der Generation des R 230 noch vernünftig überspielt. Jedoch wurde der SL im Laufe der Jahre mehr als 1,8 Tonnen schwer. Der aktuelle SL, bei seiner Premiere Ende 2011 immerhin um rund 150 Kilogramm leichter geworden, hat mit den eleganten Augenweiden der vergangenen Jahrzehnte nur noch wenig gemein. Zu blass und unauffällig sind die Linienführungen im Stil des Vorgängers.

Das Motorenspektrum des R 231 bot sechs, acht und zwölf Zylinder mit Leistungen zwischen 367 und 630 PS. Dabei dürfte es mit leichten Nachschlägen auch beim Nachfolger bleiben. Alle Modelle sollen das 48-Volt-Bordnetz aus der überarbeiteten Mercedes S-Klasse sowie leistungsstarke Sechs- und Achtzylinder mit Neunstufenautomatiken und Leistung im Überfluss bekommen. Gestrichen wurde jedoch die imagereiche V12-Variante von SL 600 oder SL 65 AMG. Die Triebwerke stammen aus E- und S-Klasse und somit sind nicht nur an ein 48-Volt-Bordnetz gekoppelt. Auch ein optionaler Allradantrieb scheint nunmehr endlich gesetzt. Im Gespräch ist auch, den Antrieb des kommenden Mercedes AMG C63 in den SL zu packen. Das würde nicht nur einen echten Plug-in-Hybriden bedeuten, sondern auch einen zwei Liter großen Vierzylinder-Turbo als Basisvariante. Das dürfte jedoch noch mehr Imageprobleme als bei der C-Klasse bedeuten.

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