Mächtig steht er da, der neue Actros. Genau 463 kW / 630 PS stark und mit einem maximalen Drehmoment von 3.000 Newtonmetern, ein echter Fürst der Landstraße. Doch am Führerhaus des Flaggschiffs der Mercedes Nutzfahrzeugsparte fallen links und rechts zwei schmale Fortsätze auf, die wie Insektenfühler waagrecht in die Luft ragen. Klassische Außenspiegel sucht man dagegen vergebens. Die Lösung des Rätsels: Die Stäbe sind Kameras, die die Außenspiegel ersetzen. Zwei 15 Zoll Displays, die innen an der A-Säule angebracht sind, geben das Bild in einer Auflösung von 720 x 1920 Pixel wieder.

Durch diesen Technik-Kniff schlagen die Schwaben zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen verbessert sich die Rundumsicht und damit die Sicherheit - immerhin ist so ein Sattelzug bis zu 18,75 Meter lang. Gerade bei Kurvenfahrten, also auch beim Abbiegen, schaffen es die Kameras den gesamten Lkw im Blick zu behalten. Wird es dunkel, wechselt das System in den Nachtsichtmodus und beim Rangieren helfen Distanzlinien beim Manövrieren. Damit wird der Abbiege-Assistent, der beim Rechtsabbiegen unter anderem Fußgänger und Radfahrer erkennt, sinnvoll ergänzt. Gönnt sich der Fahrer in der Schlafkabine eine Pause, überwachen die Kameras das Umfeld des Actros und lassen so Langfingern keine Chance.

 

Zum anderen reduziert sich aufgrund des geringeren Luftwiderstands auch der Kraftstoffverbrauch. Drei Prozent auf Autobahnen und bis zu fünf Prozent im Überlandverkehr sollen es sein. Bei einem Kilometerfresser, wie dem Actros, spürt man diesen Unterschied gleich in der Kasse. Geht man von einer Laufleistung von 150.000 Kilometern im Jahr aus, werden laut Mercedes rund 1.350 Liter Benzin weniger benötigt. Allerdings sind es nicht nur die strömungsgünstigen Kameras, die für die Ersparnis sorgen: Dazu tragen noch eine veränderte Hinterachsübersetzung sowie aerodynamische Verbesserungen und Software-Updates für Getriebe und Tempomat. Der sogenannte "Predictive Powertrain Control" (PPC kann jetzt dank neuem präzisem Kartenmaterials und satellitengestützten Ortungssystems auch bei Überlandfahrten eingesetzt werden.

Pkw-ähnliches Cockpit


Außerdem kann der neue Actros jetzt auch autonomes Fahren des Level 2 - also eingeschränkt automatisch Gas geben, lenken und bremsen - und das über den gesamten Geschwindigkeitsbereich. Allerdings bleibt der Fahrer in der Verantwortung, Das System orientiert sich bei der Spurführung mithilfe einer Kamera an den Fahrbahnmarkierungen auf beiden Straßenseiten. Ermöglicht wird diese Technik durch die vom Pkw bekannte Sensorfusion - vor allem des Radars und der Kamera. Damit wird der Fahrer bei geraden Straßen, leichten Kurven, dichtem Verkehr (Stop-and-go auf der Autobahn) entlastet und die Unfallgefahr deutlich minimiert. Droht eine Kollision, wird selbsttätig eine Vollbremsung initialisiert, auch Menschen werden erkannt.

Diese ganzen neuen Systeme rücken den schweren Lkw näher an den Pkw. Deswegen ist nur konsequent, dass sich auch der Innenraum diesem Trend anpasst. Zwei Monitore -zehn und zwölf Zoll groß- informieren den Fahrer über alles Wesentliche. Per Apple CarPlay oder Android Auto können Smartphones eingebunden werden und das Truck Data Center verbindet den Lkw permanent mit der Cloud und ist Basis für alle Konnektivitätslösungen, die die logistischen Abläufe geschmeidiger zu gestalten helfen. Außerdem wird der Lenker des Actros durch spezielle Apps unterstützt. "Das Cockpit neue Actros ist deutlich aufgeräumter. Für uns ist dieses Cockpit ein Quantensprung, absolut zukunftsweisend", erklärt Stefan Buchner, Leiter Mercedes-Benz Lkw.

Kein Wunder, dass dem Chef der Stolz aus jedem Knopfloch platzt. "Wir präsentierten hier und heute einen Lkw, der mit seinen inneren Werten besticht. Den modernsten Lkw der Welt", strahlt Buchner. Mehr als 60 Innovationen, die im Actros verbaut sind, sollen Fahrer und Arbeitgeber das Leben leichter machen. Neben den Dieselmotoren bietet Mercedes auch eine Erdgas-Variante mit 222 kW / 302 PS an, die bis zu ein Viertel weniger CO2 ausstößt. Wird Biogas verwendet, sollen sich die Emissionen noch mehr verringern und sogar einem beinahe CO2-neutralen Einsatz ermöglichen. Eine Hybridversion ist allerdings noch in weiter Ferne. "Das Preis-Leistungsverhältnis stimmt nicht", befindet Buchner knapp. Allerdings ist ein rein elektrischer E-Actros in der Entwicklung und soll bald bei und mit Kunden getestet werden. Und auf die Frage, warum die Optik nicht mehr aufpoliert wurde, haben die Mercedes-Manager auch eine klare Antwort: "Wir haben uns auf die Technik konzentriert!"

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