Erst einmal sieht der Porsche Mission R in der Nachmittagssonne aus wie ein ganz normaler Rennwagen. Flach, breit und mit üppigem Spoilerzierrat auf breite Öko-Walzen gestellt, zischt er über den Handlingkurs des Porsche Experience Centers. Die 1,5 Tonnen schwere Flunder klebt auf der Piste, während auf Fahrer und Copilot in den engen Kehren üppige Kräfte einwirken. Das Einzelstück soll einen Ausblick in die Zukunft des Motorsports geben – in der zweiten Hälfte des aktuellen Jahrzehnts soll es so weit sein, rein elektrisch versteht sich.

Die Beschleunigung ist brutal; kein Wunder bei imposanten 800 kW / 1.089 PS, von denen der Elektromotor an der Vorderachse 380 kW / 517 PS leistet und an der Hinterachse 420 kW / 571 PS für Schub sorgen. Dazu kommt eine Batterie mit einer Kapazität von 80 bis 85 Kilowattstunden, die geladen wird mit 900 Volt. Damit sind die Akkus in 15 Minuten zu 80 Prozent gefüllt. Momentan tüfteln die Techniker mit den Ziel an den Zellen, deren inneren Widerstand zu verringern. Damit soll ein Kräftemessen über 30 bis 40 Minuten möglich sein – so lange wie aktuell der Porsche Supercup.

Synthetische Kraftstoffe als Hoffnungsträger

Doch beim Porsche Mission R dreht sich nicht alles um den Motorsport, denn bei kaum einem Autohersteller sind Rundkurs und Kundenanspruch derart eng miteinander verwoben wie bei den Schwaben. Alle Modelle abseits der Ikone 911 sollen rein elektrisch angetrieben werden. Der 911 der aktuellen Baureihe 992 bekommt mit der Modellpflege 2023 erstmals eine Hybridvariante und somit eine nennenswerte Elektrifizierung. Doch der Fortbestand des Porsche 911 sollen nicht zuletzt synthetische Kraftstoffe sichern. Dieser künstliche Saft lässt sich – zumindest theoretisch – in unbegrenzten Mengen herstellen und gezielt auf Benzin- und Dieselmotoren anpassen. Motoren müssten jedoch für synthetischen Sprit ausgelegt werden. Sogar eine eigene Norm gibt es schon dafür: EN 15940. Hersteller wie Porsche preschen voran.

Zusammen mit Siemens, dem ortsansässigen Energiekonzern Andes Mining & Energy und Partnern wie dem chilenischen Mineralölunternehmen ENAP und dem italienischen Energieunternehmen Enel bauen die Schwaben im Süden Chiles eine Pilotanlage zur Produktion synthetischer Kraftstoffe. 20 Millionen Euro kostet Porsche das Pilotprojekt am anderen Ende der Welt. Für die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen wird erst einmal viel Energie benötigt, vorzugsweise regenerativer Wind- oder Solarstrom. Im Süden Chiles weht ein beständiger Luftzug aus der Antarktis, was zu einem besonders hohen Wirkungsgrad von Windkraftanlagen führt - und damit zu ebenso sauberem wie preiswertem Strom im Überfluss.

Der Fokus liegt auf E-Mobilität

Doch die Fahrzeuge der Stuttgarter werden nach und nach elektrisch. So bekommen die nächsten Generationen von 718 Cayman und 718 Boxster ebenfalls einen Elektroantrieb. Nachdem der Porsche Taycan – mittlerweile in mehr als einem Dutzend Karosserie- und Antriebsvarianten auf dem Markt – das erste rein elektrische Modell der Zuffenhausener ist und zusammen mit dem Audi E-Tron GT auf der nur schwer skalierbaren J1-Plattform steht, blicken alle auf den kommenden Porsche Macan. Dessen Entwicklungen laufen auf Hochtouren, während die aktuelle Generation nochmals eine Verlängerung bis mindestens 2024, vielleicht sogar 2025 bekam.

„In Europa steigt die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen kontinuierlich. Das Entwicklungstempo in den Weltregionen in Bezug auf die Elektromobilität ist jedoch unterschiedlich“, erläutert Porsche-Entwicklungsvorstand Michael Steiner. Bis zur Markteinführung des ersten vollelektrischen Macan im Jahre 2023 sollen weltweit rund drei Millionen Testkilometer unter verschiedenen Bedingungen absolviert werden. Dabei steckt in den Prototypen bereits einige Erfahrung aus ungezählten Versuchskilometern – gefahren im virtuellen Raum. „Wir haben schon beim Projektstart vor rund vier Jahren mit einem Umströmungsmodell begonnen“, berichtet Thomas Wiegand, Leiter der Aerodynamikentwicklung. Wie bei allen Fahrzeugen mit Elektromotor kommt der Aerodynamik eine besondere Bedeutung zu, da selbst kleinste Verbesserungen in der Strömung große Auswirkungen haben können.

Eine Frage der Temperatur

Das elektrische Antriebssystem von der Batterie bis zum Motor erfordert ein ausgeklügeltes Konzept von Kühlung und Temperierung, das sich von dem eines Fahrzeugs mit konventionellem Antrieb unterscheidet. Während bei Verbrennungsmotoren ein Temperaturfenster von 90 bis 120 Grad angestrebt wird, verlangen Elektroantrieb, Leistungselektronik und die Hochvoltbatterie je nach Komponente einen Bereich zwischen 20 und 70 Grad. Das herausfordernde Testprogramm unter klimatischen und topografischen Grenzbedingungen umfasst unter anderem Disziplinen wie das Laden und die Konditionierung der Hochvoltbatterie. „Der vollelektrische Macan mit seiner 800-Volt-Architektur wird ebenso wie der Taycan eine Porsche-typische E-Performance bieten“, verspricht Steiner und nennt als Entwicklungsziele unter anderem eine langstreckentaugliche Reichweite. „Der vollelektrische Macan wird das sportlichste Modell in seinem Segment sein.“

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