Die Schwaben haben große Erwartungen an eine elektrischen V-Klasse, wird der variable Van doch gerne als Shuttefahrzeug eingesetzt und wäre damit als Elektroversion bestens für kurze bis mittlere Strecken geeignet. Seine offizielle Weltpremiere findet Ende August statt und bis Mitte 2020 soll die elektrische V-Klasse als Mercedes EQV auf den Markt kommen. „Wir waren gerade vergangene Woche noch mit den Testfahrzeugen in Nordspanien unterwegs“, erklärt Benjamin Kaehler, Leiter eDrive Vans, „es ging insbesondere um eine Heißerprobung der Lade- und Batterietechnik.“ Bei der heutigen Testfahrt im Nordosten von Stuttgart sieht es nicht anders aus. Man erwartet im sommerlichen Ländle Außentemperaturen von knapp 40 Grad Celsius. Auch hier können Akkutechnik und Ladeprozesse unter Extrembedingungen unter die Lupe genommen werden.

Optisch ist der Mercedes EQV außer seiner farbenfrohen Elektro-Beklebung kaum von einer normalen V-Klasse zu unterscheiden. Das gilt von Ausnahmen abgesehen auch im Innern. Endlich gibt es für den Familienvan auch das Bediensystem MBUX mit intelligenter Sprachbedienung und einem Touchscreen, der durchaus noch ein paar Zoll größer sein dürfte. Ansonsten bleibt alles wie man es kennt. Die 300 Kilogramm schweren Akkus sind flach im Fahrzeugboden zwischen den beiden Achsen verbaut und erhöhe das zulässige Gesamtgewicht auf 3,5 Tonnen. „Wir wollten für den Kunden die maximale Flexibilität mit den durchgehenden Sitzschienen erhalten“, erklärt Benjamin Kaehler bei einem Blick in die Reihen zwei und drei. Die Sitze lassen sich wie beim Serienmodell ebenso frei konfigurieren wie beim europäischen Dieselfahrzeug. Klimatisierte Einzelsitze, variable Sitzbank oder vollelektrische Liegesessel machen die elektrische V-Klasse zu einem Business-Jet auf Rädern, der auf Wunsch jede Menge Gepäck mitschleppen kann. Gut für den Innenraum, hat das nicht nur Vorteile, denn die sonst so beliebte Allradversion in der Mercedes V-Klasse bleibt beim Elektromodell zumindest zunächst einmal außen vor. Der Antrieb des EQV erfolgt allein über die Vorderachse. Benjamin Kaehler beschleunigt als es Richtung Affalterbach geht und der Elektrokoloss zieht ebenso lautlos wie kraftvoll an.

Angesichts eines Allradanteils von mittlerweile rund 40 Prozent bleibt die Frage, ob man langfristig auf eine Allradvariante verzichten kann, denn nicht nur in Alpenregionen erfreut sich der 4x4-Antrieb in der V-Klasse einer sehr großen Beliebtheit. Doch in erster Linie dürfte die elektrische Mercedes V-Klasse für Shuttledienste interessant sein und ist wohl erst nachrangig für Privatkunden gedacht, die auf die Kombination aus großer Transportvariabilität, geringem Verbrauch und Autobahntempo nicht verzichten wollen. Ursprünglich sollte die V-Klasse nicht nur als Diesel und Benziner (außerhalb Europas) kommen, sondern auch als Plug-in-Hybrid. Doch der mittlerweile ausgeschiedene Nutzfahrzeug-Chef Volker Morhinweg strich wegen hoher Aufwände und zu erwartender Überschneidungen bei den Kunden den Plug-In-Hybriden und setzte als Alternative zu den Verbrennern allein auf eine Elektroversions. Nach den beiden Modelle eVito und eSprinter wird der EQV somit das dritte rein elektrische Nutzfahrzeug von Mercedes.

Der Mercedes des EQV wird an die Leistungsdaten des neuen Topmodells V 300d mit seinen 240 PS nicht ganz herankommen, soll aber mit rund 150 kW / 204 PS und einem maximalen Drehmoment von 500 Nm gerade in Großräumen und auf Mittelstrecken für einen entsprechend dynamischen Vortrieb sorgen. Das Serienmodell dürfte bei 160 km/h abgeregelt werden. Nicht viel, aber nicht derart wenig wie die gerade einmal 180 km/h, die der Mercedes EQC fahren darf. Denn anders als man es von den aktuell verfügbaren Dieselmotoren mit zwei Litern Hubraum kennt, schiebt der knapp drei Tonnen schwere Koloss aus jedem Tempo ebenso lautlos wie kraftvoll an, sodass kaum etwas darauf hindeutet, dass man in einem Erprobungsträger sitzt, der jedoch bereits im Stammwerk nahe Barcelona gebaut wurde.

Das angenehme Geräuschniveau ist eines der großen Vorteile, den man hier bei der der Fahrt durch namenlose Ortschaften nördlich von Waiblingen auf jedem Kilometer spüren kann. Keine Spur von dem allzu präsente Vierzylinderdiesel, den man aus der normalen V-Klasse kennt. Ein Akkupaket mit einer Kapazität von 100 kWh soll dabei Reichweiten von rund 400 Kilometern ermöglichen. Nachgetankt wird über die Ladebuchse, die vorne links zwischen Scheinwerfer und Radlauf versteckt ist. Günstig wird der Mercedes EQV wohl nicht. Unter 70.000 Euro dürfte kaum etwas zu machen sein.

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