Opel und Kompaktwagen - das ist eine lange Geschichte. Bereits im Jahr 1936 brachte der Rüsselsheimer Autobauer den ersten Kadett auf den Markt, viele weitere folgten. Warum aber 1991 aus dem traditionsreichen Namen Kadett der Opel Astra werden musste, ist uns bis heute ein Rätsel. Rund 30 Jahre nach dieser Marketing-Scribbelei schickt sich Opel an, die sechste Generation des VW-Golf-Konkurrenten zu den Händlern zu rollen. Mehr als ein halbes Jahr, bevor die sechste Generation in der Kompaktklasse um die Gunst der Käufer buhlt, geht die Testphase der Prototypen in die heiße Phase.

Erste Bilder, wie der neue Hoffnungsträger aussehen wird, hat Opel bereits veröffentlicht. Sie zeigen das neue Opel-Gesicht namens Vizor mit 84 LED-Elementen pro Scheinwerfer. Manche jubeln schon über den nächsten Manta, schön wäre es. Um einer Ikone einen würdigen Nachfolger zu bescheren, braucht es aber mehr als einen Namen. Spannend wird es im Innenraum, wo sich ein komplett neues Ambiente ankündigt. Opel spricht von einem "Pure Glas Panel". Die ersten Eindrücke sind vielversprechend, zumal das dazugehörige Lenkrad offenbar gut dazu passen wird. "Wir wollen mit diesem Auto alte Zöpfe abschneiden", verkündet Chassis-Experte Andreas Holl stolz, der schon an einigen Opel-Baureihen mitgewirkt hat.

Bei unserem Prototypen ist das Armaturenbrett weitgehend verdeckt. Wir sitzen in dem schwächeren der beiden Plug-in-Hybridvarianten, bei dem ein Vierzylinder 1,6-Liter-Turbo-Benziner mit einem 81 kW / 110 PS-Elektromotor gekoppelt wird und die Energie aus einer 12,4-Kilowattstundenbatterie stammt. Dieses Modul ist schon beim Grandland X im Einsatz und auch im Astra wird es die 165 kW / 225 PS-Variante geben. Außerdem spendieren die Rüsselsheimer dem Astra zunächst zwei 1,2-Liter-Benziner mit 81 kW / 110 PS und 96 kW / 130 PS, dazu gesellt sich ein 1,5-Liter-Diesel mit ebenfalls 96 kW / 130 PS. Geschalten wird mit einer Sechsgang-Handschaltung oder einer Achtgang-Automatik.

50 Prozent der Teile sind beim Astra neu

Jetzt geht es ans Fahren. Der Hybrid setzt sich lautlos in Bewegung. Aber auch wenn sich der Verbrennungsmotor am Vortriebsgeschäft beteiligt, bleibt die Geräuschkulisse niedrig. Opel verwendet eine laminierte Windschutzscheibe und dickere Seitenscheiben. Trotz des Zusatzgewichtes des Elektromoduls macht das Fahrwerk des Opels einen guten und deutlich harmonischeren Eindruck als beim Vorgänger. Auch der Abrollkomfort der Leichtlaufreifen, die 1 g CO2 / km einsparen, ist in Ordnung. "Das haben wir durch höhere Quersteifigkeit der Fahrwerkskomponenten ausgeglichen", erklärt Andreas Holl. Die breitere Spur als bisher hilft ebenfalls.

Der neue Astra steht auf der dritten Generation (V3) der PSA-EMP2-Architektur, bei der die Hälfte der Teile gegenüber der Version 2 neu sind. "Beim Astra konnten wir komplett das umsetzen, was wir wollten", sagt Holl. Der Einfluss der deutschen Ingenieure wird bei den PSA-Projekten offenbar immer größer. Vermutlich ein Grund, warum Carlos Tavares den deutschen Autobauer in den Konzern geholt hat. Der neue Astra profitiert von dieser Detailarbeit. Auf der Autobahn gibt es kein nerviges Nachwippen und auch das Kontrastprogramm, also kurz aufeinanderfolgende Bodenunebenheiten, steckt das Fahrwerk weg. Dass noch Optimierungsbedarf besteht, zeigt die Wankneigung des Autos in Kurven und die wenig mitteilsamen Lenkung, die auch aus der Mittellage etwas verzögert anspricht. Angenehm ist, dass nicht mit hohen Rückstellkräften eine nicht vorhandene Sportlichkeit vorgegaukelt wird.

Veränderte Proportionen

Apropos Dynamik: Beim Zusammenspiel des 1,2-Liter-Motors mit der Sechsgang-Handschaltung sollten die Techniker noch einmal Hand anlegen, um die versprochene intuitive Fahrbarkeit zu gewährleisten. Denn diese Antriebsvariante macht noch keinen ausgereiften Eindruck, da es sich anfühlt, als sei man mit gebremstem Schaum unterwegs. Noch ist Zeit dazu. Genau an diesem Element wird noch getüftelt, zumal der Astra zu etwa 80 Prozent fertiggestellt ist und im Januar 2022 bei den Händlern stehen wird: Wir sitzen in einem Prototypen der Phase zwei von vier.

Woran sich nichts mehr ändern wird, sind die Proportionen. Zwar ist die Länge des neuen Astra mit 4,374 Metern (plus vier Millimetern) fast identisch geblieben, aber die Spurweite erhöht sich um 51 Millimeter auf 1,86 Meter und die Höhe verringert sich um 15 Millimeter auf 1,47 Meter. Dazu kommt ein um 54 Millimeter kürzerer vorderer Überhang (minus 54 Millimeter) und ein um 13 Millimeter verlängerter Radstand, der auf 2,675 Meter wächst. Klingt vielversprechend, weil sportlich. Zumal auch der Fahrer um gut einen Zentimeter näher am Asphalt sitzt. Besonders stolz ist Opel auf die Tatsache, dass der unverändert 422 Liter große Kofferraum eine ebene Ladefläche aufgrund eines variablen Ladebodens hat.

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