Die Verhältnisse zwischen Zuffenhausen und Ingolstadt sind wieder geradegerückt. Nachdem der Audi e-tron GT mit einer Kombination aus ansehnlicher Optik und ausgewogenen-sportlichen Fahrverhalten dem schwäbischen Technikspender den Rang abgelaufen hat, folgt jetzt der Zuffenhausener Konter. Und der sitzt. Der Cross Turismo ist der Taycan, den Porsche von Haus aus als erstes Modell herausbringen hätte sollen. Auch wenn die Scheinwerfer mit den Tränen, die aus dem Augenwinkel laufen, nicht jedermanns Sache sind, genauso wenig wie die um drei Zentimeter erhöhte Bodenfreiheit - nicht Fisch und nicht Fleisch. Wenn, dann gleich ein richtiges SUV, sagen die einen. Wir sagen: Der Cross Turismo trifft den Nerv der Zeit und dürfte bald der meistverkaufte Taycan sein. Zumal der Kombi nur knapp 1.500 Euro teurer ist als die Limousine.

Das ist gut angelegtes Geld, vor allem, wenn man zu viert unterwegs ist. Die 47 Millimeter mehr Kopffreiheit im Fond aufgrund der Bauweise des Cross Turismo zahlen sich aus, im Gegensatz zur Taycan-Limousine fällt Menschen jenseits der 1,85 Meter Körpergröße nicht der Himmel auf den Kopf. Die Beinfreiheit ist dagegen nach wie vor gering und lange Fahrten sind nichts für Erwachsene, die hinten sitzen müssen. Hier hätten die Porsche-Techniker etwas vom Kofferraumvolumen abknapsen können, um den Passagieren mehr Komfort zu gönnen. So beträgt das Fassungsvermögen des Gepäckabteils 405 Liter und erhöht sich auf 1.171 Liter, wenn die Lehnen der Rückbank umgelegt sind. Zudem findet man unter der ehemaligen Motorhaube ein extra 84 Liter großes Staufach, in dem man die Ladekabel verstauen kann. Wenn das nicht reicht, bietet Porsche noch eine Dachbox und einen Fahrradträger am Heck an.

Natürlich denken die Zuffenhausener auch an den Piloten. Die Sitzposition ist zwar etwas hoch, aber die Sportsitze sind wirklich bequem und geben Seitenhalt. Das ist gut so, da fahrdynamisch kaum ein Unterschied zur Limousine festzustellen ist. Damit auch der höherbeinige Stromer freudig um die Ecken pfeift, haben sie an der Hinterachse extra einen sogenannten Torsionsring eingezogen, der vom Kofferraumboden über die Federdome bis durch das Dach reicht. Wie der Name schon vermuten lässt, ist damit eine höhere Verwindungssteifigkeit gewährleistet. "Durch das Zwei-Box-Design fehlt dem Cross Turismo im Vergleich zur Limousine die Steifigkeit, wir haben da viel Energie reingesteckt", erklärt Fahrwerksexperte Christian Wolfsried. Auch wenn der Cross Turismo bis zu B-Säule identisch mit der Taycan Limousine ist, sind damit die Anpassungen am Fahrwerk nicht erledigt. Da der Cross Turismo stämmiger dasteht als die Limousine und einen um zehn Millimeter längeren Federweg hat, änderten die Techniker sowohl den Radträger als auch die Achskinematik.

Wer Offroad will, bekommt Offroad

Die Arbeit hat sich gelohnt. Der Taycan Cross Turismo Turbo S erweist sich auch auf kurvigen Landstraßen als Meister seines Fachs. Kein Wunder bei 460 kW / 625 PS Dauerleistung und einem Drehmoment von 1.050 Newtonmetern, im Overboost sind es sogar 560 kW / 761 PS. Die Dynamik-Unterschiede aufgrund des höheren Schwerpunkts fallen ohnehin nur Dynamikfetischisten mit extrem feinen Nervenbahnen im verlängerten Rücken auf. Wir hatten mit dem 4,97 Meter langen Kombi eine Menge Spaß und haben nur in verwinkelten Serpentinen das Gewicht von immerhin 2.320 Kilogramm bemerkt. Die Lenkung ist porschetypisch präzise und gibt stets zuverlässig Rückmeldung. Lediglich in den Attacke-Fahrmodi Sport und Sport plus könnten die Rückstellkräfte geringer sein. Um sich die besten Parameter aus den einzelnen Fahrprogrammskomponenten zusammenzustellen, kann man im 10,9 Zoll großen Zentraldisplay den Individual-Modus konfigurieren.

Ein Bonus ist das Gravel-Fahrprogramm. Damit man es auf Schotter und abseits asphaltierter Straßen krachen lassen kann, werden die Systeme entsprechend konditioniert. Wir bezweifeln allerdings, dass jemand seinen teuren Elektro-Kombi mal eben so aus Spaß über Kieselsteine jagt, zumal der Allradantrieb bei der Traktion keine Nachteile hat. Für die Porsche-Techniker war es eine Frage der Ehre, dieses Fahrprogramm zu installieren. "Wenn wir ein Auto machen, das off-roadig daherkommt, dann muss es das auch können", macht Christopher Sachs, Projektleiter für den Taycan Cross Turismo, klar. Wir waren dagegen oft mit dem Range-Fahrprogramm unterwegs und damit immer noch als Alphatier unterwegs. Zwar wird nominell die Höchstgeschwindigkeit auf 150 km/h reduziert, aber man kann alles aus dem Taycan herausholen, indem man das Gaspedal durchdrückt. Dann ballert der Cross Turismo in 2,9 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h und schafft maximal 250 km/h. Bei der Bremse wünschen wir uns eine etwas feinere Dosierbarkeit, aber das ist vor allem der Erhöhung der Rekuperationsleistung auf 290 kW geschuldet.

Porsche gibt beim Taycan Cross Turismo Turbo S einen Durchschnittsverbrauch von 26,4 kWh/100 km an, wir benötigten im Schnitt 0,5 kWh/100 km mehr. Die Reichweite beträgt maximal 419 Kilometer nach dem WLTP-Zyklus. Die Effizienz des Fahrzeugs wurde bereits durch Updates bereits verbessert und das soll auch in Zukunft geschehen. Dennoch ist die Norm-Reichweite für eine 93,4-Kilowattstundenbatterie (83,7 kWh netto) überschaubar. Verbesserte Akkuzellen darf man wohl frühestens zur Modellpflege erwarten. Der Taycan Cross Turismo Turbo S rollt im Frühsommer zum Händler und kostet mindestens 187.764 Euro. Auch die von der Limousine bekannten Antriebsalternativen stehen parat. Bis auf den Hecktriebler, da es den Cross Turismo nur mit Allrad geben wird. Das vielsagende Motto beim Porsche Taycan Cross Turismo lautet: Vier gewinnt.

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