Noch ist der weltweit meistverkaufte Mercedes der Mittelklasse-Crossover GLC, der die C-Klasse jüngst vom Platz an der Sonne ablöste. Doch unter Umständen kann sich der GLC nur kurz über die Lorbeeren freuen, denn gegebenenfalls wird er schneller als es ihm lieb ist, von neuen Mercedes GLB überholt. Der stammt offiziell zwar aus einer Klasse darunter und somit dem ertragsschwächeren C-Segment; ist aufgrund seiner üppigen Dimensionen (4,63 Meter Länge) und mit bis zu sieben Sitzplätzen jedoch längst in der SUV-Mittelklasse angekommen. Und gerade hier dürfte er nicht nur der Konkurrenz wie einem Skoda Kodiaq oder einem Hyundai Santa Fe das Leben schwer machen, sondern eben auch den Konzernbruder Mercedes GLC mächtig ins Schwitzen bringen.

An diesem Vormittag geht es für den getarnten Mercedes GLB durch das tief verschneite Lappland. Das Ingenieursteam rund um Baureihenleiter Jochen Eck hat mit der noch jungen Frontantriebsplattform von Daimler bereits umfangreiche Erfahrungen und es ist für den GLB bereits der zweite Testwinter. Modelle wie die A- oder B-Klasse sind mit weitgehend identischer Technik ebenso auf die Straße gebracht wie A-Klasse Limousine oder der CLA. „Wir konnten daher auf den Erprobungen der anderen Modelle aufbauen“, erklärt Eck, „wir haben hier das größte Modell mit mehr Spurweite, mehr Radstand und entsprechend größeren Abmessungen. Deshalb muss natürlich alles neu abgesichert werden.“ Parallel zur Erprobung unweit des Polarkreises sind zeitgleich Fahrzeuge in der halben Welt unterwegs, denn es heißt die letzten wichtigen Testkilometer zusammenzubekommen. Dabei bedient sich das Entwicklerteam mehr denn je auch virtueller Erprobung. „Schwerpunkt ist hier die Erprobung auf der Straße und natürlich in Stuttgart auch auf Prüfständen“, erklärt Eck, „wie verhalten sich die bereits vorher erprobten Komponenten und Baugruppen, wenn sie in ein Fahrzeug integriert sind und wie sieht es mit der Dauerhaltbarkeit aus.“ Mittlerweile liegt das Verhältnis zwischen digitaler und realer Erprobung jedoch schon bei 35 zu 65 Prozent.

Im Rahmen der rund vierjährigen Erprobung hat der Mercedes GLB zusammen mit seinen Plattformbrüdern sieben Millionen Testkilometer in verschiedenen Regionen der Welt zurückgelegt. Unter anderem war der Mercedes GLB in halb Europa, Dubai, Südafrika, USA / Mexiko, China und Japan unterwegs. Der Reifegrad des Probanden ist entsprechend, denn bei dem Prototypen rattert und klappert nichts und es so machen die Entwickler keinen Hehl daraus, dass es allein um Feinabstimmungen geht, ehe das Modell Ende 2019 zum Kunden rollt.

Ehemals war der Mercedes GLB als kleine G-Klasse mit kantigen Formen und echtem Offroadcharme angekündigt worden. Doch viel ist von den optischen Genen der rustikalen Mercedes G-Klasse nicht geblieben. Vielmehr lehnt sich der 4,63 Meter lange Mercedes GLB, der im Herbst in den Handel kommen wird, am GLS, dem neuen Geländewagen-Topmodell im Hause Daimler an. Insbesondere mit seiner großen Praktikabilität und bis zu sieben Personen in drei Sitzreihen will der Mercedes GLB auf sich aufmerksam machen. Damit dürfte er jedoch nicht nur bei der internationalen Konkurrenz aus SUVs und MPVs wildern, sondern auch in den eigenen Reihen, denn der Mercedes GLB wirkt im Vergleich zum ähnlich dimensionierten Mercedes GLC als das modernere und deutlich variablere Fahrzeug. Der Innenraum orientiert sich weitgehend an Modellen wie der Mercedes A-, B- oder CLA-Klasse. So gibt es das Bediensystem MB-UX in einem speziell designten Armaturenbrett mit animierten Displays und Touchfunktion sowie ein Platzangebot, das über das der Mercedes B-Klasse noch hinausgeht.

Die Lehne der mittleren Sitzreihe ist im Verhältnis 40:20:40 geteilt und lässt sich umklappen, so dass eine ebene Ladefläche entsteht. Die Sitzflächen selbst sind 40:60 geteilt, wobei sich die zweite Sitzreihe in der Länge um 14 Zentimeter verschieben lässt. Neun Zentimeter nach vorn, um den Gepäckraum oder den Fußraum der ganz hinten Sitzenden zu erweitern, und um fünf Zentimeter nach hinten, wenn die Beinfreiheit in fünfsitziger Konfiguration größer sein soll. Zudem lassen sich die Lehnen in der zweiten Sitzreihe in der Neigung verstellen, jedoch fehlt in der zweiten und dritten Sitzreihe eine Sitzheizung. Um den Zustieg in die dritte Sitzreihe zu erleichtern, verfügen die Sitze der zweiten Reihe über eine Easy-Entry-Funktion. Betätigt man den seitlich oben am Lehnenkopf angeordneten Entriegelungsgriff, klappt die Lehne nach vorne und der gesamte Sitz kann nach vorne geschoben werden. In der zweiten und dritten Sitzreihe können insgesamt vier Kindersitze befestigt werden.

Aufgrund der Konstruktion mit einer versenkbaren dritten Sitzreihe wird es den Mercedes GLB im Gegensatz zum klassenhöheren GLC nicht als Plug-in-Hybriden geben, da schlicht der Platz für ein Batteriepaket fehlt. Die Motoren entsprechen daher weitgehend denen, mit denen auch Modelle wie der CLA, sowie die A- oder B-Klasse unterwegs ist. Gerade die B-Klasse, insbesondere bei älteren Kunden sehr beliebt, dürfte vom deutlich schickeren GLB ebenfalls stark unter Druck gesetzt werden, denn das technische Angebot ist weitgehend identisch und der Crossover ist deutlich zeitgemäßer als der kompakte Van. Topmodell wird der Mercedes GLB 250 mit 165 kW / 224 PS / 350 Nm sein, der obligatorisch an ein achtstufiges Doppelkupplungsgetriebe und – etwa überraschend – nur optional als Allradler verfügbar ist. Jedoch dürften sich beim GLB 250 ebenso wie beim Mercedes GLB 250d die meisten Kunden für die sinnvolle Kombination aus automatisiertem Getriebe und Allradantrieb 4matic entscheiden. Die Motorleistung wird im normalen Fahrbetrieb zu 80:20 auf die beiden Antriebsachsen aufgeteilt und verschiebt sich bei sportlicher Fahrweise oder einem entsprechend angelegten Fahrprogramm weiter nach hinten bis zu 50:50. Produziert wird der neue Crossover im Joint-Venture-Produktionswerk in Aguascalientes / Mexiko sowie lokal für den chinesischen Markt bei BBAC (Beijing-Benz Automotive Co. Ltd.) in Peking / China, wo die Daimler-Verantwortlichen neben den USA auch das größte Kundenvolumen sehen.

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