Die "grüne Insel" ist in diesen Tagen eher eine graue Insel. Dunkle Wolken von Horizont zu Horizont, dicke, kalte Regentropfen wehen übers Land. Das ideale Mistwetter für automobile Prototypen, die durch ihre auffällig unauffällige Tarnbeklebung optisch mit der Umgebung verschmelzen sollen. Und für die Batterien von Elektroautos ein zusätzlicher Reichweitentest. Hier, knapp hundert Kilometer südwestlich von Dublin, sind die Skoda-Ingenieure unterwegs, um den Prototypen ihres kommenden Elektro-SUV den vorletzten Schliff zu geben.

Enyaq heißt der Hoffnungsträger der Tschechen. Wer sich damit an den Namen einer irischen New-Age-Sängerin erinnert fühlt, der liegt nicht so ganz falsch. Denn der Name leitet sich in der Tat von dem irischen Wort "enya" ab, das so viel wie "Quelle des Lebens" bedeutet. Das, so Skodas Marketing-Lyriker, "versinnbildlicht unseren Start in das neue Zeitalter der Elektromobilität."

Wenn sich die Controller bei Skoda nicht doch noch anders entscheiden, geht dieser Start mit durchaus spektakulären Designideen einher. Auf den ersten Blick ein ziemlich normaler SUV mit für Skoda eher ungewöhnlichen Heckleuchten, coupéhaftem Dach und einer skulpturierten Front, kommt der Aha-Effekt dann, wenn sich der Fahrer nähert: Der üppige Kühler beginnt zu leuchten, startet eine kleine Lightshow zur Begrüßung. Die "Kühlrippen", die beim Elektroauto ohnehin nichts mehr zu kühlen haben, sind zu Leuchtstäben geworden. Links und rechts an den Türen finden sich große Rückspiegel - über Kameras wie bei den Mitbewerbern haben die Ingenieure gar nicht erst nachgedacht.

Fünf Leistungsversionen und drei Batteriegrößen

Mit einer Länge von 4.648 mm, 1.877 mm Breite und 1.618 mm Höhe positioniert sich der Enyaq knapp unter dem Skoda Kodiaq, dem SUV-Flaggschiff der Tschechen. Und damit liegt er bei den Dimensionen in etwa auf einer Stufe mit dem Audi Q5, dem Alfa Romeo Stelvio, dem Hyundai Nexo, dem Jaguar I-Pace oder dem Jeep Cherokee. Der Radstand von 2.765 mm sorgt vor allem im Innenraum für ein ordentliches Platzangebot, der Kofferraum fasst 585 Liter - das ist mehr als bei den meisten Konkurrenten mit Verbrennungsmotor. Basis für den im Stammwerk Mladá Boleslav auf gleicher Fertigungslinie wie der Octavia montierten Enyaq ist der "Modulare Elektrifizierungsbaukasten" (MEB) des VW-Konzerns, auf dem auch schon der Audi E-Tron aufbaut.

Die Inneneinrichtung des Kodiaq lässt sich in den Prototypen zumindest schon mal erahnen, wenn auch noch nicht alles freigeschaltet ist. Platz ist reichlich - vorne und hinten. Für die nötigen Informationen des Fahrers ist ein 13 Zoll großes, freistehendes zentrales Display da - und auf Wunsch auch ein Head-up-Display mit Augmented Reality. Das Fahrzeug ist durchgehend online, was für immer aktuelle Software sorgt. Und wie es sich für ein ökologisch korrektes Elektroauto gehört, verbaut Skoda viele nachhaltige Materialien - mit Olivenblättern pflanzlich gegerbtes Leder zum Beispiel.

Einstiegspreis unter 30.000 Euro

Auch bei den Antriebsoptionen geht Skoda neue Wege. Fünf verschiedene Leistungsvarianten und drei Batteriegrößen stehen zur Auswahl. In der Einstiegsversion treibt ein Heckmotor die beiden Hinterräder an. Der E-Motor wird aus einem Lithium-Ionen-Akku mit 55 kWh gespeist, von denen sich 52 kWh nutzen lassen. Das Aggregat leistet 109 kW (148 PS) und die maximale Reichweite gibt Skoda mit bis zu 340 Kilometer an. Die stärkeren Versionen haben vorne einen zweiten Elektromotor. Bei der 132 kW (179 PS) starken Maschine reicht der Strom aus einem 62-kWh-Akku (58 kWh netto) für bis zu 390 Kilometer. Am weitesten kommt man bei der heckgetriebenen Version mit 150 kW-Motor (204 PS) und einem Akku, der 82 kWh fasst (77 kWh netto) - das soll für bis zu 500 Kilometer reichen. Fehlen noch die beiden Versionen mit zwei Motoren und Allradantrieb, die 195 bzw. 225 kW leisten (265 bzw. 306 PS). Das Topmodell kommt auf 460 Kilometer Reichweite, schafft eine Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h und braucht für den Spurt von 0 auf 100 km/h gerade mal 6,2 Sekunden - eine halbe Sekunde weniger als ein Porsche Macan 2.0. Selbst auf nasser Fahrbahn sorgt die Elektronik für verzögerungsfreie Traktion. Als Zugfahrzeug - nicht gerade eine Domäne der Elektroautos - schafft der stärkste Enyaq bis zu 1.200 Kilogramm Last auf dem Haken. Die Ladezeiten liegen je nach Stromanschluss und Akkugröße zwischen acht Stunden an der Haushaltssteckdose und 40 Minuten an der Schnellladesäule mit 125 kW Ladeleistung.

Noch braucht es ein wenig Feinschliff an den Prototypen, bevor der Enyaq zu den Händlern kann. Der Vortrieb ist wie bei den meisten Elektrofahrzeugen ein einziges Vergnügen. Von der ersten Umdrehung an ist das maximale Drehmoment da und schiebt den SUV voran - leise, ohne Gangschaltung, unaufhaltsam. Die Lenkung ist schon jetzt direkt und präzise, vielleicht noch ein wenig zu empfindlich bei Rückmeldungen von der Straße. Auch die Federung ist bereits ganz komfortabel - lediglich die Hinterachse rumpelt noch gelegentlich, wenn die Straße gar zu schlecht wird.

Neue Maßstäbe setzen will Skoda auch beim Preis. "Teuer kann jeder," sagt Björn Kröll, bei Skoda Chef des Produktmanagements: "Zum Marktstart werden wir beim Verhältnis von Preis und Leistung die Besten sein." Produziert werden soll der Elektro-SUV Ende 2020, die Markteinführung ist für Anfang 2021 geplant. Rein von der Größe ordnet sich der Enyaq unter dem Kodiaq ein. Kröll: "Entsprechend muss er zu einem ähnlichen Preis verkauft werden." Das wäre dann ein Einstiegspreis von unter 30.000 Euro für einen Elektro-SUV. Bislang waren in diesem Fahrzeugsegment rund 70.000 bis 80.000 Euro für den Mercedes EQC, den Hyundai Nexo, den Audi E-Tron oder für den Jaguar I-Pace fällig. Die meisten davon deutlich edler - aber ohne preiswerte Alternative. Zieht man gar noch die staatliche Kaufprämie ab, könnte man schon ab 25.000 Euro mit einem üppigen Elektro-SUV unterwegs sein. Lightshow inklusive.

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