Vieles bei Volkswagen ist nicht mehr so, wie es einst war. Die Marken aus Wolfsburg charakterisierten sich über Jahrzehnte aus dem aufsteigenden Modelldreiklang aus Polo, Golf und Passat. Doch die Zeiten haben sich geändert und der geneigte Kunde möchte mehr denn je auf einem schicken Hochsitz mit Lifestyle-Image und Allradantrieb unterwegs sein. Als Konterpart zu seiner elektrischen I.D. Familie setzt Volkswagen dabei weltweit auf Crossover, die in den kommenden Jahren die Brötchen verdienen sollen. War man mit dem Touareg schon zeitlich nicht in der ersten Reihe, ließ man sich mit dem Tiguan allzu viel Zeit, um die Konkurrenz in vielen Ländern dann doch von hinten aufzurollen. Derzeit erweitert sich das SUV-Portfolio bei Volkswagen ständig. Erst wurde der sehenswerte T-Roc als Golf-SUV ins Programm gezogen und bald folgt der kleinere T-Cross als Polo-SUV, der viele klassische VW-Kunden aus dem Einstiegssegment zum Wechsel ins SUV-Becken bewegen dürfte. Der neue VW Touareg ist optisch vergleichsweise unspektakulär, kann in Sachen Technik aber vollends überzeugen und kratzt erstmals ernsthaft an der Premiumliga aus BMW X5, Mercedes GLE und Range Rover Sport.

Doch nur ein Teil des SUV-Feuerwerks spielt sich in Europa ab. In den USA hat im Werk Chattanooga längst der Atlas das Zepter übernommen. Der über fünf Meter lange SUV ist überaus erfolgreich unterwegs und bekommt im nächsten Jahr noch einen fünfsitzige Sportversion. In China wird der Atlasbaugleich als Teramont angeboten. Nach wie vor rechnen die VW-Verantwortlichen an einer Pick-Up-Ableitung herum, die als Studie des Tanoak Begehrlichkeiten weckte. Mittlerweile ebenfalls in den USA zu bekommen: die XL-Variante des VW Tiguan - rund 4,70 Meter lang. Doch so wichtig der US-Markt für Volkswagen auch ist; noch ertragreicher könnte Südamerika mit dem Kernmarkt Brasilien sein. Bis vor nicht allzu langer Zeit galt der brasilianische Automarkt und mit ihm ganz Südamerika als Sorgenkind. Doch im letzten Jahr hat die fußballverrückte Nation wieder die Lust am Autofahren entdeckt - 2.240 Millionen Einheiten wurden 2017 verkauft, 2018 sollen es nach Schätzungen des brasilianischen Automobilverbandes ANFAVEA rund 2.546 Millionen werden - das entspräche einer Steigerung von etwa 13,7 Prozent. Einer der Haupttreiber sind die SUVs, die in dem größten südamerikanischen Land immer mehr nachgefragt werden, zu Lasten der klassischen Stufenheck-Limousine.

VW hat diesen Trend beinahe verschlafen und brachte in diesem Jahr den Tiguan Allspace, der in Mexiko produziert wird, nach Brasilien. Doch die Niedersachsen müssen bei den Crossovern nachlegen, da sich schon andere Marken breitgemacht haben. Zum Beispiel werden der Chevrolet Equinox, der Honda CR-V, der Hyundai New Tucson, der Peugeot 5008 und vor allem der Jeep Compass bereits in Brasilien verkauft. Um von dieser Übermacht der Konkurrenten nicht erdrückt zu werden, lanciert VW eine SUV-Offensive und bringt bis 2020 fünf neue Crossover auf den Markt. Doch blinder Aktionismus alleine hilft nicht. Im ersten Halbjahr 2019 wird der T-Cross auf den Markt kommen, der auch in Brasilien produziert und in andere lateinamerikanische Länder exportiert wird. Der brasilianische T-Cross ist 8,6 Zentmeter länger, als die europäische Version und teil sich mit dem VW Virtus die Plattform. "Wir haben hier keinen T-Roc", erklärt der VWs Südamerikachef Pablo di Si den Größenunterschied. Während die europäischen Kunden mit der normalen T-Cross-Version (überraschenderweise ohne Allradantrieb) auskommen müssen, gibt es auch für Märkte wie in China eine Langversion mit den acht Zentimetern mehr Radstand. Der T-Cross wird dabei ein Weltmodell, dass auch Kunden in Südamerika, Indien und wohl auch den USA locken soll.

Wie geht es weiter? Um diese Frage zu beantworten, lohnt ein Blick nach China. Dort wird der Tharu mit einer Länge von 4,45 Meter und einem Radstand von 2,69 Metern das VW-Modellportfolio vervollständigen. Unter dem Namen Tarek ist dieser Crossover auch für Südamerika - und insbesondere Argentinien und Brasilien - geplant. Allerdings ist die volatile argentinische Wirtschaft die große Unbekannte bei diesem Plan. Der VW Tharu soll in jeden Märkten als günstiger Alternative punkten, wo der Tiguan derzeit allein als 4,70 Meter lange XL-Version angeboten wird. Hätte es nicht auch der normale Tiguan mit seiner Länge von knapp 4,50 Metern getan? Der Tiguan ist als Kurz- und Langversion trotz des unglücklichen Namens Tiguan Allspace bekanntlich ein Verkaufserfolg. Für mehr Emotionen und Konturschärfe gegenüber der Konkurrenz ist ein Tiguan Coupé nach Vorbild von BMW X4, Mazda CX-4 oder Mercedes GLC Coupé fest eingeplant. Vermutlich wird Volkswagen in Brasilien ebenfalls dem globalen Trend folgen wird und ein SUV-Coupé auf den Markt bringen wird. Angesichts des hiesigen Durchschnittseinkommens dürfte dieses Vehikel nicht zwingend die Ausmaße eines BMW X6 haben. Ganz im Gegenteil: Ein weiteres SUV, dass den Markt nach unten abrundet, ergibt mehr Sinn. Dass der VW Tarok kommen wird, gilt aus gesichert. Allerdings nicht vor 2020/21 und selbst wenn die seriennahe Pick-up Studie mit 4,91 Metern Länge in der Fahrgastkabine auf Kunden SUV-artige Ausmaße bietet, hat VW sicher noch mehr Pfeile im Köcher. Ein Name, den man rund um Sao Paulo immer wieder hört, ist "Atlas", also ein großes SUV, das eben bereits in den USA prächtig läuft.

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