Auf den Straßen von Los Angeles gibt es aktuell nur zwei Themen. Zum einen geht es um die verheerenden Großbrände, die nördlich der Millionenagglomeration tausende von Menschen ihr Zuhause raubten und unzählige Leben kosteten. Zum anderen dreht sich gerade im Straßenverkehr von L.A. vieles um das Model 3 von Tesla. Wer auf den überfüllten Straßen von West Hollywood, Santa Monica, Inglewood oder Culver City unterwegs ist, sieht an allen Ecken die mächtigen Pick Ups und die dunklen Luxusgeländewagen aus zumeist europäischer Produktion. Doch geht es um die kleineren Modelle, begegnet einem das 4,69 Meter lange Model 3 von Tesla immer öfter. Dessen Farbspektrum ist überschaubar, die Innenräume sehen sich zum Verwechseln ähnlich und so fallen die nahezu lautlosen Fahrzeuge wohl noch etwas mehr ins Auge. War der wenig ansehnliche Toyota Prius lange Zeit das grüne Feigenblatt, das man im Straßenverkehr nur allzu gerne zur Schau stellte, so hat die Rolle längst Teslas Model 3 übernommen. In Sachen Innovationsgrad schlägt Elektro die Hybriden - nicht nur in den USA.

Hat Elon Musk nach verwirrenden Twitter-Botschaften, unglücklichen Interviews, seinem nicht enden wollenden Produktionsdesaster und unzufriedenen Mitarbeitern nun doch noch den Turn Around geschafft? Es scheint fast so, denn mittlerweile krabbeln immer mehr elektrische Mittelklassemodelle aus der Fabrik in Fremont nahe der kalifornischen Bay Area. Aktuell soll die Wochenproduktion bei rund 7.000 Fahrzeugen liegen. Mittelfristig soll das Volumen auf 10.000 Model 3 hochgefahren werden. Die Zielsetzung: pro Jahr sollen 500.000 bis 1.000.000 Model 3 produziert werden. Dabei werden aktuell insbesondere teure Varianten des Model 3 verkauft, die zumeist deutlich mehr als 50.000 Dollar kosten, eine Luxusausstattung, bis zu 500 Kilometern Reichweite oder gar einen Allradantrieb haben. Günstige Modelle mit weniger Leistung und einer geringeren Reichweite dürften zu Preisen von unter 40.000 Dollar nach zahlreichen Verzögerungen spätestens im ersten Quartal 2019 folgen. Das alles dürfte dazu beitragen, dass sich das Mittelklassemodell noch mehr von der allzu dünnen Konkurrenz absetzt. Elektrische Modelle wie der BMW i3, der Renault Zoe oder der Nissan Leaf wurden ohnehin längst vom Model 3 überholt.

Monatelang gab es aus dem Hause Tesla immer neue Schreckensbotschaften. Produktionsziele wurde im Dutzendpaket verfehlt, autonome Fahrfunktionen gestrichen, wichtige Mitarbeiter kündigten und die Stimmung schien auf dem Tiefpunkt. Doch als viele bereits mit der Ablösung des allmächtigen Tesla-Kopfes Elon Musk rechneten, scheint sich das Blatt doch noch zu wenden. Noch immer kündigen eine Reihe verantwortlicher Köpfe, doch das amerikanische Unternehmen schafft es besser als zuvor, sein Einstiegsmodell auf die Straßen zu bekommen. Nach Angaben verschiedener amerikanischer Medien liefen die vergangenen drei Monate in den USA für Tesla derart erfolgreich, dass das Model 3 die deutschen Wettbewerber Audi A4 und Mercedes C-Klasse überholen konnte, die sich zunehmend schwer tun, Kunden zu finden. Auch am Segmentführer BMW Dreier kratzt das rein elektrisch angetriebene Model 3 bereits kräftig. Die Gründe für den Erfolg der Amerikaner liegen jedoch nicht allein an Tesla selbst. Audi bringt erst im kommendem Jahr eine gründliche Modellpflege für den A4, der sich allzu wenig von seinem Vorgänger unterscheidet. Mercedes ließ es bei der jüngsten Modellpflege seiner C-Klasse optisch ebenfalls allzu sachte angehen und BMW bringt im ersten Quartal 2019 einen komplett neuen Dreier auf den Markt.

Wo bleibt die Konkurrenz?

Jedoch bietet keiner der deutschen Wettbewerber aktuell eine rein elektrische Variante an. Ähnlich sieht es bei Volvo, Lexus, Infiniti oder Jaguar aus. Die internationalen Konkurrenten haben entsprechende Elektroversionen kaum vor 2021 / 2022 im Angebot. Derweil ist Tesla dabei, seine zehntausenden von Vorbestellungen sukzessive abzuarbeiten. Tesla-Chef Elon Musk teilte kürzlich mit, dass Model-3-Fahrzeuge, die bis Ende November in den USA bestellt wurden, noch in diesem Jahr ausgeliefert werden sollen. So soll die angeschlagene Kundenzufriedenheit steigen. Dazu sollen die Modelle per Lastwagen vom Produktionsstandort in Fremont an die 4.000 Kilometer entfernte Ostküste transportiert werden, wo der zweite Verkaufsschwerpunkt in den USA ist. Dieser Einsatz von Lastwagen soll die Transportzeit auf dem amerikanischen Kontinent um rund einen Monat verkürzen. "Tesla hat gerade die Trucking-Kapazität erworben, um sicherzustellen, dass das Modell 3 bis zum 31. Dezember in den USA geliefert werden kann, wenn es bis zum 30. November bestellt wird", teilte Elon Musk per Twitter mit.

Nach überlangem Warten stehen die ersten Modelle des Tesla Model 3 nunmehr auch in deutschen Schauräumen. Doch bisher werden die Bestellkunden damit unverändert bei Laune gehalten. Vor Anfang 2019 dürften die seit über einem Jahr bestellten Modelle kaum zu den ungeduldigen Kunden rollen. Doch Europa ist für Tesla kaum mehr als ein Nebenschauplatz. Zu verliebt sind die Europäer in ihren eigenen Marken, effiziente Diesel und die leistungsstarken Benziner. Da macht sich Elon Musk deutlich größere Hoffnungen in China. Nachdem sich Tesla in der Nähe von Shanghai einen 850.000 Quadratmeter großen Bauplatz für sein erstes Werk außerhalb der USA gesichert hat, laufen längst die konkreten Planungen. Die Fabrik sollte 2021 fertiggestellt sein und wird dann mit der Produktion der beiden Fahrzeuge Model 3 und dem neuen Model Y beginnen. "Die Sicherung dieses Standortes in Shanghai, Teslas erster Gigafactory außerhalb der Vereinigten Staaten, ist ein wichtiger Meilenstein für unsere nächste nachhaltige Produktionsstätte", so Robin Ren, Tesla-Vizepräsident des weltweiten Vertriebs. Nach Informationen des Wall Street Journals soll die Fläche 140 Millionen US Dollar gekostet haben. Tesla will für seine chinesische Großfabrik mit einem Jahresvolumen von 250.000 Fahrzeugen rund zwei Milliarden US Dollar investieren und sucht derzeit Investoren. Bereits zum Start sollen 3.000 Fahrzeuge vom Band laufen. Bis dahin werden die Fahrzeuge ab April kommenden Jahres aus den USA nach China importiert. Die Strafzölle in Höhe von 40 Prozent für amerikanische Autos dürften den Verkaufspreis in ungeahnte Höhen erheben. Bleibt abzuwarten, ob dies den Chinesen den Spaß am Model 3 verdirbt. Es sieht derzeit nicht so aus.

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