Ob die Volkswagen-Verantwortlichen sich grämen, mit dem ID.3 in die neue, bunte Elektrowelt gestartet zu sein, lässt sich ihnen leider nicht entlocken. Unverkennbar groß ist jedoch die Freude, dass mit dem ID.4 der erste SUV schneller als schnell nachgezogen wird. Auch er soll noch in diesem Jahr zum Kunden kommen. Optisch ist der Elektro-Crossover gefälliger und deutlich größer als der ID.3. Dabei sieht er gerade von vorn schlichtweg besser aus, wobei er im Innenraum wertiger und schicker als der kleine Bruder wirkt, mit dem Volkswagen sein neues Elektrozeitalter eingeleitet hat.

Der VW ID.3 ist kein Weltauto, sondern sollte mit Fokus Europa die neue Elektrofertigung in Zwickau langsam hochfahren, die Werker an die neue Fahrzeugfamilie gewöhnen und ein bezahlbares Kompaktklassemodell der Wolfsburger werden. Damit fuhr er dem ebenfalls neuen Golf in die Parade, weil er nahezu zeitgleich in der gleichen Liga antritt. Jedoch ist die Nachfrage nach SUV weltweit deutlich größer als nach jedem Kompaktwagen, die sich speziell in Zentraleuropa einer entsprechenden Nachfrage erfreuen. "Der VW ID.4 ist ein Weltauto", erklärt Volkswagen-CEO Ralf Brandstätter, "er wird nicht nur auch in den USA und in China auf den Markt kommen, sondern dort auch jeweils lokal gefertigt."

Corona-bedingt wurde die Premiere des VW ID.4 in diesem Jahr mehrfach verschoben. An sich wollte man bereits Anfang des Jahres das Tuch von dem elektrischen Familienmodell lüften. Doch der erste Termin wurde ebenso gestrichen wie die späteren Enthüllungen in den USA und so wurde der ID.4 nun sogar von einem Familienmitglied ausgestochen. Skoda enthüllte seinen elektrischen Enyaq als identisches Schwestermodell mit großem Aufwand und der nahezu baugleiche ID.4 parkte über Nacht im Schatten unter einer unbeleuchteten Laterne - immerhin mit Stromanschluss. Doch jetzt gibt auch Volkswagen Gas und will seinen ID.4 auf die große internationale Bühne stellen.

Wendig und geräumig

Und eines vorweg: die potenziellen Kunden können sich freuen, denn das Paket des VW ID.4 passt. Bei den ersten Fahrten auf dem Testgelände überzeugte der ID.4 mit dem großen Akkupaket von 82 kWh (77 kWh nutzbar), Hinterradantrieb und 150 kW / 204 PS. Zunächst wird es zwei Akkupakete mit nutzbaren 52 und 77 kWh geben, die Reichweiten von 360 und 520 Kilometern realisieren sollen. Die maximale Ladegeschwindigkeit liegt bei 125 Kilowatt, wodurch der ID.4 in rund einer halben Stunde für weitere 320 Kilometer erstarken kann. Dazu kommen Hinterrad- und Allradantrieb mit Leistungen von 109, 125, 129 und 150 kW. Im kommenden Jahr wird ein Allradtopmodell mit Namen VW ID.4 GTX nachgelegt, der 225 kW / 306 PS stark sein wird und damit 180 km/h schnell sein darf. Der Preisunterschied zum jeweils vergleichbaren ID.3 liegt bei rund 7.000 Euro; heißt, der VW ID.4 startet Anfang kommenden Jahres mit der Pure-Edition bei rund 37.000 Euro. Bereits im November / Dezember dieses Jahres werden die beiden Startversionen ID.4 First und ID.4 First Max verfügbar sein, die jedoch 49.000 bzw. sogar 59.000 Euro kosten.

Am Steuer des 4,58 Meter langen VW ID.4 auf der gigantischen Teststrecke in Ehra-Lessin, ein paar Kilometer nördlich von Wolfsburg, geht es trotz reinen Hinterradantriebs erst einmal ins leichte Gelände. Mit seiner leicht erhöhten Bodenfreiheit und den 21-Zöllern im 255er-Format schlägt sich der Pseudo-Klettermaxe flüsterleise und sehr solide. Feldwege, lockerer Sand und Wiesen - alles kein Problem. Dabei fällt die sehr leichtgängige Lenkung, das hohe Drehmoment ab Start, das geringe Geräuschniveau Dank Doppelglas und der kleine Wendekreis auf. "Den bekommen wir nur mit einer reinen Elektroplattform hin", sagt Thomas Ulbrich, VW-Vorstand für den Bereich Elektro, "der Wendekreis liegt bei 10,20 Metern." Das gefällt nicht nur im Gelände, sondern speziell in der Innenstadt, wo der ID.4 gerade mit dem kleinen Akkupaket seinen typischen Lebensraum haben dürfte.

Preise ab 37.000 Euro

Es geht weiter über verschiedene Testrecken bis hin zum Handlingkurs, wo der VW ID.4 trotz seines Gewichts von wohl rund 1,8 Tonnen mächtig durch Kehren und Kurven pfeift. Das maximale Drehmoment liegt je nach Motorvariante zwischen 220 und 310 Nm, wobei der ID.4 Dank des Hinterradantriebes keinerlei Probleme hat, seine Kraft auf den Boden zu bekommen. Keine Antriebskräfte im Steuer, die bei engen Kurven nerven, wenn auch die Lenkung sehr leichtgängig ist und trotz der optionalen 21-Zoll-Breitreifen mehr Informationen über die Beschaffenheit der Fahrbahn geben könnte. Mit wechselnden Fahrprogrammen passt sich der Elektro-SUV bei Gasannahme und Fahrwerk den Wünschen des Fahrers und den Bedingungen auf der Straße an. Wird es schnell und kurvig, geht es in den Sportmodus; sonst ist man im Komfortprogramm bestens bedient.

 

Ähnlich souverän sieht es bei hohen Tempi aus. Auf dem Rundkurs zieht der ID.4 flotter als erwartet an bis über 140 km/h - mit etwas Luft zur abgeregelten Spitzengeschwindigkeit von 160 km/h. Von 0 auf Tempo 100 geht es in 8,5 Sekunden. Nur die Sportversion des GTX soll wie der Skoda Enyaq vRS im kommenden Jahr 180 km/h schnell sein dürfen. "Unsere Plattform kann noch mehr Leistung", macht Elektro-Vorstand Thomas Ulbrich Lust auf mehr Leistung nach oben. Die meisten Kunden werden sich jedoch nicht über mehr Leistung freuen, sondern das gute Platzangebot genießen. Dank des 2,77 Meter langen Radstandes sitzt es sich nicht nur vorn, sondern auch im Fond überaus bequem.

Die Instrumente hinter dem Steuer sind wie beim ID.3 allzu klein geraten, was durch das große Head-Up-Display nur zum Teil ausgeglichen wird. Besser ist der 12 Zoll große Bildschirm in der Cockpitmitte, über den sich die verschiedenen Funktionen ebenso steuern lassen wie per Sprache oder Lenkrad. "Wir haben sechs Zentimeter mehr Innenraum als das Tesla Model Y, obwohl wir rund 19 Zentimeter kürzer sind", erläutert Ralf Brandstätter und nimmt damit schon einen der direkten Wettbewerber ins Visier. Das dürften jedoch auch Konzernprodukte sein, denn der Skoda Enyaq und der Audi Q4 sind technisch weitgehend identisch zum Hoffnungsträger der Wolfsburger.

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