Es sieht nach dem Diesel-Skandal nach wie vor nicht gut aus für Volkswagen in den USA. Ein großer SUV soll den Neustart bringen und das Ruder herumreißen. Der neue Midsize-SUV, dessen Namen VW weiter geheim hält, ist deutlich größer als ein Touareg und soll bei gerade einmal 30.000 Dollar starten. Leider kommt er nicht nach Europa.

Die zweite Tiguan-Generation ist nach ihrer Premiere in diesem Frühjahr prächtig gestartet. Wie schon sein Vorgänger hat sich der 4,49 Meter lange SUV zum Segment-Bestseller entwickelt. Kaum zu glauben, dass der amerikanische Midsize-SUV von Volkswagen mit seiner Länge von 5,04 Metern als großer Bruder auf der gleichen MQB-Plattform unterwegs ist. In den USA heißt diese Dimension zurückhaltend „Midsize“ oder „B-Segment“, denn die wirklich großen SUV sind mit mehr als 5,30 Metern Länge ein bis zwei Klassen üppiger unterwegs. Im Gegensatz zum VW Tiguan wird der amerikanische Hoffnungsträger im Werk Chattanooga im US-Bundesstaat Tennessee auf einer Linie mit dem amerikanischen Passat produziert. Mit dem Neuling wollen die Wolfsburger zeigen, dass sie den US-Markt allen Unkenrufen zum Trotz endlich verstanden haben. Dafür wurden im Werk Chattanooga 900 Millionen Dollar investiert.

Waren die Erwartungen in den siebensitzigen Koloss bereits nach der Präsentation der Konzeptstudie des VW Crossblue im Jahre 2013 groß, ist der Druck nach dem Diesel-Skandal auf dem amerikanischen Markt beinahe ins Unermessliche gestiegen. Nachdem Modelle wie Beetle, Jetta, Golf und Passat jenseits des Atlantiks unverändert schwächeln, muss dieser Schuss sitzen. Schließlich ist der SUV-Markt im Land der unbegrenzten Möglichkeiten von einem hohen Niveau ausgehend in den vergangenen zehn Jahren nochmals um über 60 Prozent gestiegen. Längst als jedes dritte in Amerika verkaufte Fahrzeug ist ein SUV – Tendenz weiter steigend. Allzu spät bringt VW nunmehr einen großen SUV für den so wichtigen US-Markt. Mit kantig-kraftvollen Design soll er sich gegen Konkurrenten wie Ford Explorer, Mazda CX-9, Honda Pilot durchsetzen und dabei nicht zuletzt mit seiner lokalen Produktion in Tennessee punkten.

„Wir bieten mit dem B-Segment SUV erstmals ein Fahrzeug in dieser so wichtigen Klasse an“, sagt Hinrich J. Woebcken, seit rund einem halben Jahr Präsident und CEO von Volkswagen Nordamerika, „wir sind hier derzeit eine kleine Automarke. Das muss sich ändern. Wir wollen ein Vollsortimenter werden und da ist der große SUV genau das richtige Auto, das uns bisher gefehlt hat.“ Beim Motorenprogramm nimmt Volkswagen erst einmal Druck aus dem Kessel. Ein Dieseltriebwerk ist bis auf weiteres nicht vorgesehen, wird aber für andere Weltmärkte durchaus vorgehalten. Der 5,04 Meter lange Crossover ist wahlweise mit einem aufgeladenen Zweiliter-Turbo mit vier Zylindern oder einem 3,6 Liter großen V6-Saugmotor zu bekommen, deren Leistungsspektra eng bei einander liegen. Leistet der aufgeladene Vierzylinder als Fronttriebler 175 kW / 238 PS und zwischen 1.600 und 4.400 U/min ein maximales Drehmoment von 350 Nm, hält sich das erwartete Volumenmodell mit Sechszylinder-Sauger, wahlweise mit Front- oder Allradantrieb zu bekommen, mit 206 kW / 280 PS und 360 Nm ungewöhnlich zurück. Beide Motorvarianten sind obligatorisch mit einer Achtgang-Automatik aus dem Hause Aisin ausgestattet, weil die in Europa so beliebten Doppelkupplungsgetriebe in den USA keinen Anklang beim Kunden finden. Ähnlich sieht es in China aus, wo der SUV unter dem Namen Teramont, ebenfalls im zweiten Quartal 2017 startet.

Trotz der verbliebenen Tarnungen an den üppig dimensionierten Front­- und Heckpartien ist auf den ersten Blick zu erkennen, dass sich der Südstaatler zwar an der Designlinie des aktuellen Tiguan orientiert, jedoch noch selbstbewusster wirkt. „Wir haben nach den ersten Kundenkliniken noch einmal einiges geändert“, erklärt der Deutsche CEO Hinrich J. Woebcken, der zuletzt bei BMW in München arbeitete, „er ist kraftvoller, maskuliner und so auch deutlich amerikanischer geworden. Das soll auch der zukünftige Name unterstreichen.“ Den halten die Wolfsburger aus juristischen Gründen aktuell zurück, weil er kurzfristig noch einmal geändert wurde. Mit der Tradition, dass der Name wie bei den bisherigen SUV-Modellen der Wolfsburger mit einem „T“ beginnen soll, wird jedoch gebrochen.

Mit 5,04 Metern Länge ist das Fahrzeug mit der internen Bezeichnung VW 416 mehr als einen halben Meter länger als der europäische Tiguan, der aus mexikanischer Produktion bald einen verlängerten Bruder mit bis zu sieben Sitzen bekommen wird. Auch der Radstand des amerikanischen Bruders ist mit 2,98 Metern überaus üppig. Kein Wunder, dass die Platzverhältnisse im Innenraum nicht nur amerikanischen Soccermums gefallen dürften und mit einer Bodenfreiheit von über 20 Zentimetern darf auch einmal abseits befestigter Straßen geparkt werden. Erst einmal auf dem Fahrersitz Platz genommen, wirkt der SUV gewaltiger und insbesondere breiter denn je. Die Ergonomie passt und die Bedienmodule – bis hin zum optional animierten Cockpit – kennt man aus Passat oder Tiguan. Der Einstieg in die dritte Reihe klappt problemlos. Hier können ebenso wie in der verschiebbaren Reihe zwei locker auch Erwachsene sitzen. Für Komfort sorgen eine elektrische Heckklappe, klimatisierte Sitze, eine komplette Vernetzung und eine Drei-Zonen-Klimaautomatik.

Am Steuer kann der Koloss aus Chattanooga seine Masse kaum verschleiern. Doch die ebenso leichte wie präzise Lenkung dürfte den Amerikanern gefallen. Die Fahrwerksabstimmung ohne verstellbare Dämpfer ist dabei betont komfortabel, wie es der Amerikaner im Alltag mag. Der 3,6 Liter große V6-Motor, eigens angeliefert aus Salzgitter, dürfte sich schon wegen des Gewichts von rund zwei Tonnen besser verkaufen als der aufgeladenen Zweiliter-Turbo mit 238 PS. Der V6-Sauger hängt willig am Gas, dreht kraftvoll hoch und hat so beste Chancen sich in die Herzen amerikanischer Familien zu fahren. Die Achtgang-Automatik schaltet derweil weich im Hintergrund und soll so gerade auch diejenigen locken, die am Wochenende mit einem Anhänger unterwegs sind. Die knapp 2,3 Tonnen Anhängelast des Allradlers dürften zwar nicht für alle, aber die meisten Freizeitvergnügungen reichen. Auch im unwegsamen Gelände fühlt sich der SUV mit Allradantrieb Dank unterschiedlicher Fahrprogramme bis hin zur Bergabfahrhilfe gut aufgehoben.

Seine offizielle Weltpremiere feiert der VW Midsize SUV Ende Oktober an der Westküste der USA und spätestens dann sollte auch das Geheimnis um den Namen aufgelöst werden. Nach der Messepremiere auf der Los Angeles Autoshow im November rollt er im Frühjahr 2017 zu den amerikanischen Händlern – zu Preisen ab 30.000 Dollar. Wenn das kein Angebot ist.

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