Der erste Satz der VW Pressemappe könnte auch gut aus dem Grundsatzprogramm der Grünen stammen. "Volkswagen bekennt sich zum Pariser Klimaziel, den globalen Temperaturanstieg auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, mit einem klaren Plan." Diese Läuterung vom Dieselsünder zum durch und durch ökologischen Unternehmen geht einher mit dem Nahen des vollelektrischen VW ID., der nächstes Jahr auf den Markt kommen wird. "Wir sind Teil des Problems", ergänzt Ralf Pfitzner, Leiter der Nachhaltigkeit beim niedersächsischen Autobauer schuldbewusst.

Dieser verbale Gang nach Canossa wird bei vielen gut ankommen, aber ohne Taten verpuffen diese schönen Worte und hinterlassen allenfalls einen schalen Nachgeschmack. Also geben die Verantwortlichen klare Ziele aus: Die Kohlenstoffdioxid-Emissionen der VW-Fahrzeugflotte sollen bis zum Jahr 2050 gegen null gehen. Außerdem geht es nicht nur um die Autos, sondern um ein ganzes Ökosystem, in das die ID.-Modelle eingebettet werden. Ein zentraler Baustein dieser grünen VW-Welt ist die Zero-Impact-Fabrik, also eine CO2-neutrale Fertigung, die in dieser Hinsicht keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt hat. Dass das nicht konsequent möglich ist, ist auch den von Pioniergeist beseelten VW-Managern klar. Damit die Schadstoffbilanz ausgeglichen ist, will Volkswagen in ausgewählte Klimaprojekte investieren, etwa in die Wasseraufbereitung, Aufforsten und das Forcieren von erneuerbaren Energien.

Das Werk Zwickau, in dem das Elektromobil ID. gebaut wird, nimmt dabei die Vorreiterrolle ein. Seit 2010 wurde dort der CO2-Ausstoß um 66 Prozent reduziert, das elektrische Kompaktklassemodell soll ab Ende des Jahres CO2-neutral vom Band laufen. Doch es bleibt nicht nur bei den Fertigungsstätten, die gesamte Wertschöpfungskette soll in diesem Sinne gestaltet sein und mit "grünen" also aus erneuerbaren Energien gewonnenen Strom gespeist werden. Um das zu erreichen, ergreifen die Manager von Europas größtem Autobauer drastische Maßnahmen, die die automobile Produktionsordnung in ihren Grundfesten erschüttern wird. Volkswagen wird einen Fragen- und Maßnahmenkatalog erstellen und die Zulieferer dazu verpflichten, diesen umzusetzen. Wer das nicht tut, verliert VW als Kunden. "Wir schauen uns das vor Ort ganz genau an", erklärt Marco Philippi der Leiter der Strategie Konzernbeschaffung bei Volkswagen. Ab Mitte des Jahres wird der Maßnahmenkatalog fertig sein, nach dem sich die VW-Lieferanten zu richten haben.

Nachfrage zieht an

In erster Linie sind von dieser harten Öko-Linie 40.000 direkte Geschäftspartner betroffen, aber VW nimmt auch deren Zulieferer in die Pflicht, schließlich geht es um die gesamte Wertschöpfungskette. Ein ambitioniertes Ziel, das nicht ganz leicht umzusetzen ist. Als den größten CO2-Ökosünder hat VW die Produktion der Batteriezellen ausgemacht. Jetzt soll das mit ökologischen "Grünstrom" geschehen. Das schließt auch den chinesischen Produzenten CATL ein, der in Polen eine Fabrik hochzieht, in der für VW die begehrten Akkuzellen hergestellt werden. Das soll ohne den Einsatz von Strom geschehen, der von Kohlekraftwerken kommt. In Europa mag diese harte Linie noch durchzusetzen sein, aber in China, wo VW nach wie vor den größten Treiber für Elektromobilität sieht, dürfte das schon deutlich schwieriger werden. Zumal VW die Herstellung von Stahl als weiteren CO2-Sünder ausgemacht hat.

Zudem ist China aus der VW-Elektromobilitätszukunft nicht mehr wegzudenken ist. Denn im Reich der Mitte wächst das Interesse an den ID.-Modellen stark, auch in Europa steigt die Vorfreude auf die Stromer-Familie, lediglich die USA ist nach Worten von Christian Senger, dem Leiter der E-Mobilität "indifferent". Doch die prognostizierte Nachfrage an der ID.-Familie, die nach dem Start noch aus einem SUV, einer Limousine und dem Elektro-Bulli bestehen wird, macht die VW-Manager mutig. Statt der angekündigten zehn Millionen Fahrzeuge will VW in der ersten Welle 15 Millionen ID.-Derivate produzieren beziehungsweise verkaufen. Der Einstiegspreis des ersten I.D.s wird unter 30.000 Euro liegen. "Wir werden das Auto nicht verramschen", sagt die Leiterin Vertrieb und Marketing Baureihe E-Mobilität Silke Bagschik und schiebt gleich ein paar beruhigende Worte hinterher "Der Handel wird ähnlich viel verdienen, wie beim Golf." Allerdings geht VW davon aus, dass es am Anfang Lieferprobleme mit dem I.D. geben wird.

Doch damit ist der ID.-Ökokosmos noch lange nicht zu Ende. Mit der Tochter Elli will der niedersächsische Autobauer auch Stromanbieter werden. VW wird die Ladestruktur ausbauen, eine portable Ladestation anbieten, die eine Powerbank für das Elektromobil darstellt und in Zukunft werden die ID.s den Strom auch speichern und bei Bedarf auch in das Stromnetz speichern - Stichwort "Smart Grid". Beim Recycling hat VW ebenfalls eine Idee: Zum Beispiel sollen die wertvollen Rohstoffe der I.D.s industriell wiederverwertet werden. Christian Senger sieht im Recycling ein Geschäftsmodell der Elektromobilität. "Diese Investition kann ich nur empfehlen, das wird ein Business."

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